Münchenstein schikaniert Einbürgerungswillige

Die Bürgergemeinde Münchenstein hält sich bei Einbürgerungen nicht an die Richtlinien des Kantons: Wer Schweizer werden will, muss Frondienst im Wald leisten und zusätzliche Sprachtests absolvieren.

Spiel und Spass bei der Waldputzete? Die Münchensteiner Bürgergemeinde schickt Einbürgerungswillige zum Frondienst. (Bild: Hans-Jörg Walter)

Die Bürgergemeinde Münchenstein hält sich bei Einbürgerungen nicht an die Richtlinien des Kantons: Wer Schweizer werden will, muss Frondienst im Wald leisten und einen zusätzlichen Sprachtest absolvieren.

Das Einbürgerungsverfahren in der Schweiz gilt mit seinen drei Ebenen sowieso als eines der komplexesten der Welt. Gemeinde, Kanton und Bund müssen von der Eignung eines Bewerbers überzeugt werden. Die Münchensteiner Bürgergemeinde dehnt das Verfahren eigenmächtig aus: Von einem, der Schweizer werden will, wird mehr erwartet, als es die kantonalen Richtlinien vorschreiben. 

Als B.*, die mittlerweile eingebürgert ist, den Antrag zur Einbürgerung stellen wollte, konnte sie das dafür notwendige Formular nicht einfach auf der Bürgergemeinde beziehen. Nach einem Anruf auf der Amtsstelle der Laienbehörde wurde ihr beschieden, sie müsse erst einen Test absolvieren, bevor man ihr das Formular aushändige. Das widerspricht den kantonalen Richtlinien: Die Bürgergemeinde darf erst in den Prozess eingreifen, nachdem sie vom Kanton dazu den Auftrag erhalten hat.

«Wir machen das zugunsten der Bewerber.»
Clive Spichty, Bürgergemeinde Münchenstein 

Clive Spichty heisst der Präsident der Bürgergemeinde. Gebeten zu erklären, wie das Einbürgerungsprozedere in Münchenstein ablaufe, verweist er auf die kantonalen Richtlinien, die den korrekten Weg vorgeben würden. Wozu dann der Test? Spichty spricht von einer zusätzlichen Dienstleistung, die zugunsten der Bewerber erbracht werde. 

«Eine Einbürgerung kostet den Bewerber viel Geld, deshalb prüfen wir vorher, ob jemand die Voraussetzungen erfüllt», sagt Spichty. «Wir fragen dies und das, etwa wie die Tramlinien in der Gemeinde verlaufen, und geben Empfehlungen ab.» Falle jemand durch, rate man ihm, mit der Einbürgerung noch zuzuwarten. Der Test sei allerdings eine freiwillige Angelegenheit und verletze damit das vorgeschriebene Prozedere nicht.

Worum es im Test geht, will Spichty nicht ausführen. Man befürchte, die Prüfungsfragen könnten kursieren und Ausländern die Chance geben, sich darauf vorzubereiten. 

TagesWoche am Apparat

Um die angebliche Freiwilligkeit zu überprüfen, gibt sich die TagesWoche als in Münchenstein wohnhafter deutscher Staatsbürger aus und ruft auf der Bürgergemeinde an. Wir verlangen das Formular, mit dem der Prozess eingeleitet wird. So einfach gehe das nicht, bremst die Frau am anderen Ende der Leitung. Erst müsse man einen Fragebogen ausfüllen. Dabei handle es sich im Wesentlichen um einen Sprachtest. Danach würde man das Formular erhalten.

Nun darf die Bürgergemeinde im kantonalen Einbürgerungsprozess den Grad der Integration und die Vertrautheit mit den hiesigen Sitten überprüfen. Doch als Deutsch-Nachweis reicht ein Zertifikat auf Niveau B1 aus.

Die Sonderprüfung wird auch nicht als freiwillig deklariert. Unser explizit geäussertes Begehren, das Formular ohne vorgängigen Test zu beziehen, wird nicht gestattet: «Aber so ein Sprachtest sollte für Sie ja kein Problem sein.»

Waldputzete auf dem Programm

Ist die erste Hürde genommen, wartet die Münchensteiner Bürgergemeinde mit der nächsten Überraschung auf. Die Bewerber werden zum Frondienst angehalten. Waldputzete steht auf dem Programm, ohne jede gesetzliche Grundlage. «Auch der Frontag ist freiwillig», beschwichtigt Clive Spichty. «Wir sagen den Bewerbern, im Wald zu arbeiten sei eine gute Gelegenheit, andere Leute kennenzulernen.»

Das Feedback darauf sei ausgesprochen gut: «Die Leute sind begeistert, etwas anderes habe ich nie gehört.» Einen Einfluss auf die Chancen, Schweizer zu werden, habe die Aktion keine, versichert Spichty. 

Berüchtigte Bürgergemeinde

B. schildert andere Erfahrungen. Sie sei aufgefordert worden, zusammen mit der ganzen Familie mindestens zweimal im Wald der Bürgergemeinde Holz sammeln zu gehen, die Teilnahmen seien mit einem Testat bestätigt worden. Andere Leute habe sie keine getroffen: Ausser ihr und ihrer Familie nahm niemand anders an Spichtys Kennenlern-Event teil. «Es wurde mir zu verstehen gegeben, dass man von mir den Frondienst erwarte», sagt B. Sie hoffte, das würde sich günstig auf ihr Einbürgerungsbegehren auswirken. 

Läuft in Münchenstein etwas schief? Die Baselbieter Justiz- und Sicherheitsdirektion hält lapidar fest: «Wir gehen davon aus, dass die Gemeinden nach unserem Leitfaden verfahren.» Doch die Bürgergemeinde Münchenstein geriet in den letzten Jahren immer wieder in die Schlagzeilen wegen ihrer Einbürgerungspraxis. «Beobachter» und «Basler Zeitung» machten ein an Amtsmissbrauch grenzendes Gebaren publik.

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