Nach mutmasslich islamistischem Attentat drohen alte Konflikte aufzubrechen

Im bosnischen Zvornik hat sich am Montagabend ein mutmasslich islamistisches Attentat ereignet. Der Angreifer tötete einen Polizisten und verletzte zwei weitere, bevor er selbst erschossen wurde. Nach dem Attentat kam es zu islamfeindlichen Protesten.

Polizisten sichern den Tatort in Zvornik (Bild: sda)

Im bosnischen Zvornik hat sich am Montagabend ein mutmasslich islamistisches Attentat ereignet. Der Angreifer tötete einen Polizisten und verletzte zwei weitere, bevor er selbst erschossen wurde. Nach dem Attentat kam es zu islamfeindlichen Protesten.

Das Attentat ereignete sich am gestrigen Montagabend um ungefähr 19.15 Uhr. Laut Augenzeugenberichten fuhr der Angreifer mit einem Golf vor die Polizeistation im ostbosnischen Zvornik. Dort wurde er zunächst auf das Parkverbot hingewiesen, bevor er «Allahu Akbar» (Gott ist gross) schrie und das Feuer auf den Polizisten Dragan Duric eröffnete. Duric starb kurz darauf.

Danach betrat der Attentäter das Polizeigebäude und schoss weiter um sich, bis er schliesslich selbst von der Polizei tödlich getroffen wurde. Bei der Schiesserei im Polizeigebäude verletzte der Attentäter zwei Polizisten, Stevo Milanovic und Zeljko Gajic. Beide befinden sich inzwischen ausser Lebensgefahr, wie das Internetportal «Klix.ba» berichtet.

Laut Dragan Lukac, Innenminister der Republika Srpska, handelt es sich beim Attentäter um einen jungen Mann mit Jahrgang 1991, der in einem Dorf bei Zvornik lebte. «Der Angriff ereignete sich während eines Schichtwechsels in der Polizeistation», beschrieb Lukac den Tathergang weiter: «Der Angreifer wusste also, wann sich die meisten Polizisten in der Station befinden.»

Zweiter Anschlag innert vier Jahren 

Bosnien und Herzegowina ist seit dem Bürgerkrieg der Neunzigerjahre ein geteiltes Land. Während viele muslimische Bosniaken keine Gefahr durch den Islamismus für das Land sehen, haben viele katholische Kroaten und orthodoxe Serben Angst vor Anschlägen. Dementsprechend der Kommentar des bosnisch-serbischen Innenministers Lukac: «Es handelt sich um einen schlimmen terroristischen Anschlag. Alle, die geglaubt haben, so etwas sei hier nicht möglich, sehen nun, dass es möglich ist.»

Die Stadt Zvornik liegt an der Grenze zu Serbien und wird grösstenteils von bosnischen Serben bewohnt. Das war nicht immer so. Während des Krieges wurden die meisten Bosniaken aus dem Ort vertrieben, viele wurden getötet. Heute werfen viele Bosniaken den Serben vor, die einstiegen Kriegsverbrecher zu schützen und diese weiterhin bei der Polizei zu beschäftigen. In Zvornik geht das Gerücht um, dass dies das eigentliche Motiv des Attentäters gewesen sein könnte.

Bereits im Jahr 2011 war es in der Hauptstadt Sarajevo zu einem islamistischen Anschlag gekommen. Am 28. Oktober 2011 eröffnete Mevlid Jasarevic mit einer Kalaschnikow das Feuer auf die US-amerikanische Botschaft in Sarajevo. Auch er schrie dabei «Allahu Akbar». Der junge Mann, der zuvor in der Islamistenenklave Gornja Maoca gelebt hatte, verletzte bei seinem Terroranschlag zwei bosnische Polizisten, bevor er von Sicherheitskräften niedergeschossen wurde. Er überlebte und wurde von einem bosnischen Gericht zu 18 Jahren Haft verurteilt.

Nach dem Anschlag ging eine Spezialeinheit vor der Polizeistation in Position. (Bild: DADO RUVIC)

Alte Konflikte drohen aufzubrechen

Nach dem Krieg entstanden islamistische Enklaven im Land, auch weil viele ausländische Dschihadisten in Bosnien blieben. Viele der Mudschaheddin brachten Kampferfahrung aus Afghanistan mit. Unter ihnen waren auch Al-Kaida-Anhänger, die von Osama bin Laden nach Bosnien geschickt worden waren. Derzeit existieren in Bosnien und Herzegowina vier solcher islamistischer Enklaven.

Milorad Dodik ist Präsident der serbischen Teilrepublik Republika Srpska und nutzt jede Gelegenheit, um für die Unabhängigkeit des hauptsächlich von Serben bewohnten Landesteiles Republika Srpska zu werben. Sein Hauptargument ist die Dysfunktionalität des bosnischen Staates. Den Anschlag in Zvornik kommentierte er wie folgt: «Dieser Anschlag ist ein Beweis dafür, dass man sich nicht auf die Geheimdienste Bosnien und Herzegowinas verlassen kann.»

«Ich habe Angst vor der Reaktion der Leute. Die Stimmung ist gerade wie 1991, kurz vor dem Ausbruch des Krieges.»

Bojan Lazic, Bewohner von Zvornik 

Das jüngste Attentat könnte die angespannte Stimmung in Bosnien weiter anheizen. Bojan Lazic wohnt etwa 300 Meter von der Polizeistation entfernt und berichtet: «Nach dem Anschlag war alles voller Polizisten und serbisch-nationalistische Hooligans gingen auf die Strasse und brüllten islamfeindliche Parolen.» Kurz nach dem Anschlag habe die Polizei begonnen, Moscheen und von muslimischen Bosniaken betriebene Geschäfte zu kontrollieren.

Bojan Lazic war zwölf Jahre alt, als der Krieg in Zvornik ausbrach. Nach dem Krieg habe sich die Situation mit der Zeit zunehmend entspannt, sagt er: «Viele Vertriebene sind zurückgekommen und die Stimmung in der Stadt wurde wieder toleranter.» Heute hat Lazic wieder Bedenken, was die Zukunft seiner Heimatstadt betrifft: «Ich habe Angst vor der Reaktion der Leute. Die Stimmung ist gerade wie 1991, kurz vor dem Ausbruch des Krieges.» 

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