An ihrer Mitgliederversammlung haben die Grünen Baselland ihren Landrat Jürg Wiedemann aus der Partei ausgeschlossen. Der Beschluss erfolgte mit 55 zu 11 Stimmen klar. Jetzt könnte sich eine zweite Landratsfraktion bilden.
«Parteischädigend», ein «Geisterfahrer», die «Parteispaltung in Kauf nehmend»: Der grüne Landrat Jürg Wiedemann musste sich einiges anhören an der Mitgliederversammlung seiner Partei. Diese schloss Wiedemann letztlich klar mit 55 Ja- zu 11 Nein-Stimmen aus der Partei aus. Die Debatte wurde emotional geführt, laut wurde es im reformierten Kirchgemeindehaus Therwil aber selten.
Die Grünen Baselland haben an ihrer Mitgliederversammlung folgende Kandidatinnen und Kandidaten für den Nationalrat nominiert:
– Maya Graf, bisher
– Florence Brenzikofer
– Philipp Schoch
– Lukas Ott
– Karl-Heinz Zeller
– Anna Ott
– Klaus Kirchmayr
Mehrere Mitglieder baten Wiedemann um den selbstständigen Parteiaustritt. Dieser entgegnete, die Partei sei ihm ans Herz gewachsen, ein Austritt komme für ihn deshalb nicht in Frage. «Ich werde in keine andere Partei eintreten können», so Wiedemann.
Monatelanges Geplänkel um Abweichler Wiedemann
Dem Ausschluss war ein monatelanges Geplänkel vorausgegangen. Wiedemann hatte sich beim Komitee Starke Schule Baselland zuerst im Vorstand, später als Mitglied engagiert und damit die Grünen in Bildungsfragen unter Zugzwang gebracht; sie vertraten eine ganz andere Position als der abtrünnige Landrat.
Mit einer Medienkonferenz, welche den Auftakt der Grünen zum Wahlkampfauftakt konkurrenzierte, sorgte er in der Geschäfts- und der Fraktionsleitung der Grünen für Unmut. Nach Ansicht Wiedemanns war die zeitgleiche Medienkonferenz eine «nicht vermeidbare Terminkollision».
Eine ganz neue Fraktion im Landrat möglich
Wiedemann steht jetzt nicht zuletzt dank des Ausschlusses vom Mittwochabend in der öffentlichen Wahrnehmung besser da, als wenn er den Hut selber genommen hätte. Das Taktieren Wiedemanns geht aber weiter: Seine Zukunft im Landrat liess er am Abend bewusst offen. Gegenüber der TagesWoche liess Wiedemann aber durchblicken, dass er sich bereits am Donnerstag um die Gründung einer neuen Fraktion im Landrat bemühen könnte.
Um die Fraktionsstärke im Landrat zu erreichen, bräuchte Wiedemann vier Mitstreiter – und nach den Wahlen im Februar stehen immerhin drei Grünliberale ohne Fraktion da. Als fünftes Fraktionsmitglied könnte neben Wiedemann vor allem die Landrätin Regina Werthmüller (Grüne, Sissach) in Frage kommen. Sie redete an der Mitgliederversammlung Wiedemann das Wort: Dieser sei ein Schaffer im Sinne der Sache, der Ausschlussantrag der Geschäftsleitung sei eine Kurzschlussreaktion. Neben Wertmüller könnten allenfalls auch ein anderer Abweichler mitmachen.
Die Grünen können vom Rausschmiss profitieren
Wiedemann selber hat für morgen Donnerstagfrüh weitere Informationen angekündigt. Pikant: Von einer weiteren Fraktion im Landrat könnten ausgerechnet die Grünen profitieren: Die entscheidenden Kommissionen bestehen aus 13 Sitzen. Der neuen grün geprägten Fraktion mit Jürg Wiedemann stünden darin ebenfalls Sitze zu – womit die Grünen in Sachfragen ein stärkeres Gewicht erhalten könnten.
Die Grünen hätten damit ein grosses Interesse, dafür zu sorgen, dass Wiedemann in einer neuen Fraktion unterkommt. Wiedemann selber würde in diesem Szenario – gewollt oder nicht – zum Winkelried just jener Partei werden, die ihn heute Mittwochabend ausschloss. Seine Politik muss er dafür noch nicht einmal ändern. Profitieren könnten so am Ende die Grünen und auch Wiedemann selbst, der künftig eine eigenständigere Politik machen könnte.
Eine weitere Medienkonferenz der Grünen-Fraktion und von Jürg Wiedemann ist auf Donnerstagmorgen, 9.50 Uhr, in Liestal angesetzt. Die TagesWoche wird berichten.