Der Bundesrat wollte mit der Unternehmenssteuerreform III Grossaktionäre stärker besteuern. Nationalräte, die davon betroffen waren, stimmten gegen die Erhöhung – und damit fürs private Portemonnaie.
Für Magdalena Martullo-Blocher lagen am Mittwoch etwa sechs Millionen Franken einen Knopfdruck entfernt. Die Neo-Nationalrätin stimmte im Rahmen der Unternehmenssteuerreform III (USR III) über einen Antrag zur Erhöhung der Dividendenteilbesteuerung ab, mit dem sie einige Millionen mehr Steuern bezahlt hätte. Sie und die bürgerliche Mehrheit im Nationalrat lehnten den Antrag schliesslich ab.
Mit der Dividendenteilbesteuerung profitieren heute Aktionäre, wenn sie mindestens zehn Prozent Anteile an einem Unternehmen besitzen. Von den ausbezahlten Dividenden müssen sie dann nur die Hälfte zum steuerbaren Einkommen dazurechnen. In manchen Kantonen werden in diesem Fall auch die Steuersätze reduziert.
Die Teilbesteuerung wurde 2008 mit der Unternehmenssteuerreform II eingeführt. Nun schlägt der Bundesrat vor, die Teilbesteuerung von 50 auf 70 Prozent zu erhöhen, ein Baustein der Mega-Reform, mit dem die Steuerausfälle der USR III kompensiert werden sollen.
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Grossaktionäre müssten so deutlich mehr Steuern zahlen. Bei Martullo-Blocher wären es nach Berechnungen der TagesWoche etwa sechs Millionen Franken mehr. Denn sie hält zusammen mit ihrer Schwester Rahel Blocher die Mehrheit der Anteile an der EMS-Chemie und zahlte sich im vergangenen Jahr laut «Blick» 96 Millionen Franken an Dividenden aus.
Die Dividenden muss Martullo-Blocher in ihrer Wohngemeinde Meilen im Kanton Zürich versteuern. Dort zahle sie jährlich etwa 15 Millionen Steuern, sagte sie während der Debatte, nachdem der SP-Nationalrat Cédric Wermuth sie danach gefragt hatte. Mit einer Erhöhung der Dividendenteilbesteuerung wären es etwa drei Millionen mehr, sagte sie weiter. «Der Effekt, den die Unternehmenssteuerreform auf die EMS-Chemie und mich persönlich hat, ist vernachlässigbar.»
Reform soll kostenneutral umgesetzt werden
Für den SP-Nationalrat Beat Jans ist die Erhöhung oder gar Abschaffung der Teilbesteuerung eine «logische Konsequenz» der USR III. Denn mit der Reform sollen die Gewinnsteuern in den Kantonen sinken, also müssten die Steuern bei Dividenden steigen, so Jans.
Wenn die Teilbesteuerung ganz wegfalle, würden die Kantone etwa 900 Millionen Franken mehr einnehmen, der Bund weitere 300 Millionen, so zitiert Jans die eidgenössische Steuerverwaltung. Damit könne die USR III fast kostenneutral umgesetzt werden.
Dass die Reform Steuerprivilegien bei Holdinggesellschaften aufheben soll, darüber sind sich die Parlamentarier von links bis rechts einig. Nur ob und wie diese Ausfälle kompensiert werden sollen, das bleibt offen.
Vertretbar, da Steuerbelastung bereits hoch
Neben Martullo-Blocher stimmten auch weitere Grossaktionäre im Parlament gegen die Erhöhung der Teilbesteuerung und damit fürs eigene Portemonnaie.
Zum Beispiel Hermann Hess (FDP, Thurgau), dem die Hess Investment AG gehört. Über diese Firma zahle er sich jedes Jahr etwa eine Million Franken aus, sagt Hess. Mit der Erhöhung der Teilbesteuerung müsste er zwischen 100’000 bis 200’000 Franken mehr bezahlen. Die tiefere Besteuerung erachte er jedoch als vertretbar, da die Steuerbelastung für ihn bereits hoch sei, so Hess.
«Schaffen Sie erst einmal Arbeitsplätze»
Bei weiteren Grossaktionären im Nationalrat, wie Thomas Matter und Ulrich Giezendanner (beide SVP), ist unklar, wie viel Entlastung die Dividendenteilbesteuerung ausmacht. Sie profitieren weiterhin von tiefen Steuern für Dividenden.
Die rechte Ratshälfte sah die tiefere Besteuerung als Faktor für die Standortattraktivität. Letzten Endes seien es die Grossunternehmer und Grossaktionäre, die Wertschöpfung und Arbeitsplätze schafften.
Die Anträge zur Erhöhung der Dividendenteilbesteuerung (Louis Schelbert, Grüne) und deren Abschaffung (Jans) wurden mit Dreiviertelmehrheit abgelehnt.
Martullo-Blocher: «Am liebsten behalte ich das Geld zum Investieren in der eigenen Firma oder in weiteren Firmen, um Arbeitsplätze zu schaffen.» Und zu ihren Ratskollegen Cédric Wermuth sagte sie: «Schaffen Sie erst einmal Arbeitsplätze.»
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Die Debatte im Nationalrat zur USR III läuft weiter bis Mittwochabend.
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