Neue Wahlen, alte Regierungskoalition – Kroatien dreht sich im Kreis

Nach den zweiten Parlamentswahlen innerhalb von zehn Monaten steht Kroatien wieder ohne klare Mehrheit da. Es zeichnet sich eine Neuauflage des nationalistischen Bündnisses ab, welches noch vor wenigen Monaten scheiterte. Eine Analyse.

A man reads a polling list at a polling station during a parliamentary election in Zagreb, Croatia, September 11, 2016.

(Bild: REUTERS/Antonio Bronic)

Nach den zweiten Parlamentswahlen innerhalb von zehn Monaten steht Kroatien wieder ohne klare Mehrheit da. Es zeichnet sich eine Neuauflage des nationalistischen Bündnisses ab, welches noch vor wenigen Monaten scheiterte. Eine Analyse.

Die kroatische Präsidentin Kolinda Grabar-Kitarović zückt ihr Handy, während sie in der Wahlkabine sitzt. Stolz fotografiert sie ihr Kreuzchen bei der nationalkonservativen HDZ. Dumm nur, dass es in Kroatien verboten ist, seine Wahlkarte zu fotografieren, und die Präsidentin damit gegen geltendes kroatisches Recht verstossen hat.


Geschadet hat die Aktion der HDZ aber nicht. Sie ist als stärkste Kraft aus den Wahlen hervorgegangen.

Weil die Regierungskoalition aus rechtskonservativer HDZ und wirtschaftsliberaler Most (Brücke) nach nur fünf Monaten zerbrach, waren die Kroaten zum zweiten Mal innerhalb von zehn Monaten aufgerufen, den Sabor zu wählen. Das Wahlergebnis ähnelt dem der vergangenen Parlamentswahlen vom November 2015, und nach diesen ist keine stabile Regierung zustande gekommen. Die Koalitionsverhandlungen dürften also schwierig werden.

Die nationalkonservative HDZ kann mit 61 Mandaten rechnen, während das von der sozialdemokratischen SDP angeführte Mitte-links-Lager auf 54 Sitze kommt. Damit haben weder HDZ noch die Koalition um die sozialdemokratische SDP eine Mehrheit von 76 der 151 Sitze im Sabor und sind auf Koalitionspartner angewiesen. Doch selbst mit den Drittplatzierten von Most würde es für keine der Parteien für eine Mehrheit reichen. Most erreicht 13 Sitze im Parlament.

Wer am längeren Hebel ist, kann Bedingungen stellen

Dennoch kommt Most die Schlüsselrolle für die Bildung einer Koalition zu. Die Partei konnte bei den letzten Parlamentswahlen im November 2015 aus dem Stand heraus 19 Sitze holen und koalierte daraufhin mit der HDZ.

Most hat sich anfangs erfolgreich als postideologische Wirtschaftspartei verkauft, obwohl sie ideologisch klar verankert ist. Der Parteivorsitzende Božo Petrov unterhält enge Beziehungen zur katholischen Kirche, und die gesellschaftspolitischen Vorstellungen von Most sind in Teilen erzkonservativ. Božo Petrov ist nicht nach langen Verhandlungen zumute. Er gab den beiden grossen Parteien eine Deadline bis Freitag, um ein Sieben-Punkte-Reformprogramm von Most mitzutragen.

Eine Koalition aus HDZ, Most und einigen Kleinparteien und Minderheitenvertretern gilt als die wahrscheinlichste Koalition für die kommende Regierung. Das wäre eine Neuauflage der vergangenen Regierung, welche nach gerade einmal fünf Monaten scheiterte. Daher zweifeln Experten an der Stabilität einer solchen Koalition.

Der liberale Teil der kroatischen Gesellschaft blickt ungläubig auf die Entwicklungen im Land.

Die Regierung zerbrach nicht an ideologischen Streitigkeiten, sondern an einem Interessenkonflikt des Vizepremiers und damaligen HDZ-Vorsitzenden Tomislav Karamarko, der inzwischen zurückgetreten ist. Der neue Vorsitzende Andrej Plenković gilt als moderater Konservativer, der sich als Europapolitiker ein Renommee erarbeitet hat.

Vor allem die liberalen Kräfte in Kroatien hoffen, dass sich die moderaten Ansichten Andrej Plenkovićs auf die Politik der künftigen Regierung auswirkt. Die Regierungskoalition aus Most und HDZ forcierte bislang einen massiven Rechtsruck. Es wurden Listen von «Volksverrätern» erstellt und Kulturschaffende und unabhängige Journalisten gegängelt. Applaus gibt es dafür von rechts aussen, während der liberale Teil der kroatischen Gesellschaft immer ungläubiger auf die Entwicklungen im Land blickt.



Andrej Plenkovic, president of the Croatian Democratic Union (HDZ), reacts during a speech after exit polls in Zagreb, Croatia, September 11, 2016.

Andrej Plenkovic ist Präsident der HDZ, ein Hoffnungsträger ist allerdings auch für alle anderen – dank seiner moderaten Anschauungen. (Bild: REUTERS/Antonio Bronic)

Vor allem Minderheitenvertreter zeigten sich schockiert über Politik und Rhetorik der Regierung. Vertreter der serbischen Minderheit und der jüdischen Gemeinden forderten mehrfach den Rücktritt des Kulturministers Zlatko Hasanbegović, dem sie vorwerfen, den Holocaust zu relativieren und Sympathien für die Nazikollaborateure der Ustascha zu hegen. Inzwischen ist Zlatko Hasanbegović der Vizevorsitzende der HDZ und könnte damit eines Tages auf den moderaten Andrej Plenković folgen.

Antikapitalisten verbuchen Achtungserfolg – acht Sitze

Einen Überraschungserfolg verbuchte mit acht Mandaten die neue Linkspartei «Živi zid» (Lebende Mauer) um den 26-jährigen Parteivorsitzenden Ivan Vilibor Sinčić. Die Wurzeln der Partei liegen im Kampf gegen Zwangsräumungen von Häusern und Wohnungen, die in Kroatien nach der Wirtschaftskrise stark anstiegen. Die Wählerschaft der Antikapitalisten setzt sich vor allem aus denjenigen zusammen, die unzufrieden mit der EU-Mitgliedschaft sind und sich nicht dem gefühlten Diktat der Banken beugen wollen.

Die Partei macht zudem durch Forderungen nach wirtschaftlichem Protektionismus und antiwestliche Ressentiments auf sich aufmerksam. Živi zid lehnt eine Regierungsbeteiligung konsequent ab, und die Wahlergebnisse würden sowieso kein Mitte-links- Bündnis hergeben.

Die Lust an der erneuten Wahl hielt sich in Grenzen

Eine grosse Koalition ist aufgrund der anhaltenden Spaltung zwischen Sozialdemokraten und Nationalkonservativen sehr unwahrscheinlich. Diese beschimpfen sich gegenseitig gerne als Kommunisten beziehungsweise als Ustascha. Bei derben persönlichen Auseinandersetzungen zwischen Spitzenpolitikern der beiden Volksparteien werden selbst die Mütter der Kontrahenten nicht verschont. Unter diesen Umständen ist eine grosse Koalition sehr unwahrscheinlich.

Die Bürgerinnen und Bürger in Kroatien hatten aber sowieso keine grosse Lust, nach gerade einmal zehn Monaten wieder an die Wahlurnen zu gehen. Die Wahlbeteiligung lag bei 52,38 Prozent und somit acht Prozent niedriger als bei den vergangenen Wahlen im November 2015.

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