Nussbaumer greift an

Es ist das öffentlichste Geheimnis im ganzen Baselbiet: SP-Nationalrat Eric Nussbaumer möchte gerne in die Regierung. Nun forciert Nussbaumer die Dinge ein wenig. Bei einem Nein zum Sparpaket wäre die Zeit von Finanzdirektor Adrian Ballmer zu Ende: «Nach der Logik seiner eigenen Argumentation kann er danach nicht mehr weitermachen.»

«Eine Frage der Verantwortung»: Eric Nussbaumer (SP) wäre bereit für eine Regierungsrats-Kandidatur. (Bild: Gaetan Bally (Keystone))

Es ist das öffentlichste Geheimnis im ganzen Baselbiet: SP-Nationalrat Eric Nussbaumer möchte gerne in die Regierung. Nun forciert Nussbaumer die Dinge ein wenig. Bei einem Nein zum Sparpaket wäre die Zeit von Finanzdirektor Adrian Ballmer zu Ende: «Nach der Logik seiner eigenen Argumentation kann er danach nicht mehr weitermachen.»

In ein paar Jahren werden die Leute sagen: Der Nussbaumer, der hat alles richtig gemacht. Die Leute werden kurz innehalten und dann anfügen: Der Nussbaumer, der hat es vor allem richtig schlau gemacht. Hat die richtigen Knöpfe zum richtigen Zeitpunkt gedrückt. Hatte ein feines Gespür für politische Situationen, sagte die passenden Dinge zum passenden Zeitpunkt.

Und darum, das werden die Leute ebenfalls in ein paar Jahren sagen, darum haben wir Eric Nussbaumer in die Regierung gewählt.

Denn dort will er hin, das wissen alle, die es wissen wollen. Er hat nie einen Hehl aus seinen Ambitionen gemacht, hat sich höchstens etwas in der Diktion zurückgehalten. Aber auch diese Zeiten sind vorbei. Heute sagt er: «Bei der nächsten Vakanz trete ich an.»

Diese Vakanz könnte schneller Gewissheit werden, als man das bisher dachte. Die Dinge ändern sich im Baselbiet.

Bislang war die Baselbieter Politik nicht unbedingt dafür bekannt, ein besonders ausgeprägtes Gespür für die Konsequenzen falscher Entscheidungen zu besitzen. Nussbaumer sagt: «Es ist eine Schweizer Eigenart, eine Baselbieter Eigenart im Besonderen, nach Niederlagen hinzustehen und zu sagen: Wir übernehmen die politische Verantwortung. Aber wir machen weiter.» Elsbeth Schneider, die glücklose Baudirektorin der CVP, sei am Anfang dieser Eigenart gestanden. Nach jeder Kostenüberschreitung, nach jedem missratenen Bauprojekt stand sie hin, übernahm öffentlich und wortreich die politische Verantwortung – und machte dann weiter wie bisher.

Eine Vertrauensabstimmung

Im Frühsommer des Jahres 2012 wird allerdings mit jedem Tag das Gefühl stärker, dass es mit der Baselbieter Regierungsgemütlichkeit (man darf es auch Sturheit nennen) bald vorbei sein könnte. Die sonst so gerne belächelten Juso haben mit ihrer Rücktrittsforderung eine Debatte in Gang gesetzt, die immer mehr an Fahrt gewinnt. Aus der Abstimmung über den kleinsten Teil des Sparpakets ist eine Vertrauensabstimmung über die Leistung der Baselbieter Regierung geworden.

Zu Recht, findet Nussbaumer, der Kandidat in spe. Er fordert nicht den Rücktritt  der gesamten Regierung. Aber er fordert Ideen. «Es kann doch nicht sein, dass eine Regierung ohne einen Plan B in eine solche Abstimmung steigt und ihr einziges Argument die Drohung mit Steuererhöhungen ist. Das ist ein Armutszeugnis.»

Im Zentrum sein Kritik steht Finanzdirektor Adrian Ballmer, der ewige Prediger für mehr und mehr und noch mehr Steuersenkungen. «Dieser Glaube an die eigene Ideologie ist ganz tief in ihm verankert», sagt Nussbaumer. Jahrelang habe er geglaubt, dank den Steuersenkungen würden mehr Firmen ins Baselbiet ziehen und die Ertragsseite verbessern. Es ist nicht passiert.

Parallele Entwicklungen

Dieser unbedingte Glauben an die Kraft der Steuersenkungen lässt sich interessanterweise in Parallele mit den zwei grössten Entwicklungen in der Baselbieter Politik der vergangenen Jahre setzen: Dem Niedergang der FDP und dem Aufstieg der ländlichen Baselbieter SVP zu einem Kampftrupp zürcherischen Zuschnitts und Durchschlagskraft.

Mit den Rücktritten von Andreas Koellreuter (2003) und Hans Fünfschilling (2000) verliessen die letzten grossen Liberalen der Baselbieter FDP das Liestaler Regierungsgebäude. «Dieses liberale Element, dieses Offensein für eine andere Meinung, das ist heute verloren gegangen», sagt Nussbaumer. Stattdessen orientierten sich die «neuen» FDPler zu Beginn der Nuller-Jahre am neoliberalen Erfolg ihrer plötzlich nicht mehr so kleinen Schwesterpartei. Sabine Pegoraro zog mit einem «Null-Toleranz»-Slogan in die Regierung ein (eine Haltung, der sie treu blieb) und Adrian Ballmer schien sich nach ein paar Jahren vor allem über Sinnsprüche und die ewig wiederholte Forderung nach Steuersenkungen zu definieren.

Darum ist die Abstimmung vom 17. Juni auch eine Abstimmung über Ballmer. Es ist der Finanzdirektor, der heute sagt, es gebe keinen Plan B. «Indirekt heisst das, er hat keine Lust, bei einer Abstimmungsniederlage einen neuen Plan auszuarbeiten», sagt Nussbaumer zuerst verklausuliert, bevor er es noch einmal deutlich macht: «In der Logik seiner eigenen Argumentation macht es keinen Sinn, wenn Ballmer nach einer Niederlage noch weitermacht.»

Stabile Verhältnisse

Das wäre dann Nussbaumers Moment. Eine Ersatzwahl, schlechte Erfahrungen mit den Vorgängern, eine Krisensituation – nie wäre der Moment für eine erfolgreiche Regierungsratskandidatur besser.

Und dann? «Dann müsste man die gesamte Finanzpolitik aus einem neuen Verständnis heraus begreifen. Das Ziel müssen stabile Verhältnisse sein. Und nicht Steuersenkungen um jeden Preis.» Diese Verhältnisse zu schaffen, sei keine Arbeit von ein paar Tagen und ein paar Abstimmungen, sagt Nussbaumer. Dieser Prozess würde Jahre dauern. Und der Prozess wäre wichtig. Denn nur so würden die Baselbieterinnen und Baselbieter jenes Selbstwertgefühl wiederentdecken, das sie noch bis weit in die 90er-Jahre auszeichnete. Damals, als man sich gut fand. Nicht überheblich gut. Sondern selbstbewusst gut. Offen. Dialogfähig. «Heute haben wir das Gefühl, uns würde es nur besser gehen, wenn wir über die anderen schlecht reden. Über die «arroganten Basler» beispielsweise», sagt Nussbaumer und beschreibt damit jenes Verhalten, das wir bei allen beobachten können, die mit dem Rücken zur Wand stehen. Das Baselbiet hat sich selber in diese Lage manövriert. Und jetzt muss es wieder selber daraus herausfinden. «Wir müssen wieder beginnen, eigenständige Positionen zu erarbeiten – und uns nicht immer über die Abgrenzung von anderen definieren», sagt Nussbaumer. Dann, sagt der Kandidat in spe, könnte es wieder klappen mit dem richtigen Selbstwertgefühl. Nussbaumer, übrigens, wird am 17. Juni Nein stimmen.

Quellen

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