Operationen am offenen Herzstück

Alle wissen, was das Herzstück der Basler Regio-S-Bahn ist, doch nur wenige haben den Überblick über den genauen Stand der Dinge. Wir beantworten Fragen zum Thema, das in Basel immer wieder aufgeregt diskutiert wird.

Im Moment wird am offenen S-Bahn-Herzstück noch heftig operiert.

(Bild: Hans-Jörg Walter)

Alle wissen, was das Herzstück der Basler Regio-S-Bahn ist, doch nur wenige haben den Überblick über den genauen Stand der Dinge. Wir beantworten Fragen zum Thema, das in Basel immer wieder aufgeregt diskutiert wird.

«Darf ich Ihnen mein Herz zu Füssen legen?»
«Wenn Sie mir meinen Fussboden nicht schmutzig machen.»
(Aus dem «Herzstück» von Heiner Müller)

Es ist ein Jahrhundert- und ein Milliardenprojekt. Kein Wunder, sorgt das Herzstück der Regio-S-Bahn – also der Plan einer Direktverbindung zwischen Bahnhof SBB und Badischem Bahnhof – immer wieder für Diskussionen.

Am Wochenende sorgte die «Basler Zeitung» für einige Verwirrung. Mit einem Bericht, der «in allen Punkten faktenwidrig» sei, wie die Handelskammer beider Basel dazu bemerkte, oder «nicht zutreffende Aussagen» enthalte, wie aus einer Stellungnahme des Konsortiums Herzstück-Basel der Kantone Basel-Stadt und -Landschaft hervorgeht.

Die «Basler Zeitung» berichtete über eine Power-Point-Präsentation des Bundesamts für Verkehr (BAV), die sie als «eine eigentliche Grabesrede für das Herzstück» bewertete. Dieses Dokument sei «vor ein paar Wochen» der Verkehrskommission der Handelskammer beider Basel präsentiert und als so brisant beurteilt worden, dass Stillschweigen beschlossen worden sei.

An die Fakten halten

Die angesprochene Handelskammer stellt fest, dass «nie eine solche Power-Point-Präsentation des Bundesamts für Verkehr gezeigt wurde» und dass man regelmässig über das Herzstück diskutiere, aber «ohne dabei Stillschweigen zu beschliessen». Die «Basler Zeitung» wird aufgefordert, sich an die Fakten zu halten.

Rémy Chrétien, Informationsbeauftragter der Geschäftsstelle Agglomerationsprogramm Basel, die sich im Auftrag der beiden Basel mit dem Dossier Herzstück befasst, kennt das genannte Papier nicht. Er geht aber davon aus, dass es sich um ein Arbeitspapier des BAV handelt. «Im Rahmen des Vorprojekts Herzstück werden gegenwärtig vertiefte Abklärungen vorgenommen und die in den Vorstudien vorgeschlagene Linienführung optimiert», sagt er. Dieser Prozess sei noch im Gang.

Offensichtlich geht die «Basler Zeitung» irrtümlicherweise davon aus, dass bereits über ein fertiges Vorprojekt diskutiert wird. Im Artikel ist von bisher nicht bekannten Kosten in der Höhe von 3,6548 Milliarden Franken die Rede. Die BaZ suggeriere mit der Nennung dieser Summe eine Kostenwahrheit, die zum heutigen Stand der Planung noch nicht gegeben sei, stellt Chrétien fest. «Es ist Aufgabe des laufenden Vorprojekts, nun die Kosten für das Infrastrukturprojekt Herzstück genauer zu bestimmen und mögliche Optimierungspotenziale zu definieren.»

Um den inhaltlichen Knoten etwas zu entwirren, beantworten wir einige Fragen zum Infrastrukturprojekt Herzstück:

Was ist das Herzstück der Regio-S-Bahn?

Mit dem Namen Herzstück verbindet sich das Projekt einer unterirdischen S-Bahn-Durchmesserlinie zwischen den beiden Knotenpunkten Bahnhof SBB und Badischer Bahnhof. Dieses Verbindungsstück soll die Lücke im nationalen und trinationalen S-Bahnnetz schliessen, zeitraubende Richtungswechsel und das Umsteigen in den Kopfbahnhöfen vermeiden und überdies die direkte Zufahrt von der Agglomeration ins Stadtzentrum ermöglichen. Als Option wird eine unterirdische Abzweigung zum Bahnhof St. Johann offengelassen.



Angepeilter Linienplan der Regio-S-Bahn.

Angepeilter Linienplan der Regio-S-Bahn.

Wann entstand die Idee der Durchmesserlinie?

Die Idee einer Durchmesserlinie wurde vor rund 40 Jahren von der Organisation Regio Basiliensis erstmals vorgebracht. Im Jahr 2000 brachte die damalige Baselbieter Regierungsrätin Elsbeth Schneider (CVP) die Idee auf die politische Traktandenliste. Der Kanton Basel-Stadt liess eine Machbarkeitsstudie erstellen. Es folgte 2002–2004 eine Studie der beiden Basel und der SBB über eine unterirdische Verbindung zwischen dem Bahnhof SBB und dem Badischen Bahnhof.

Was ist seither geschehen?

Im Oktober 2009 stimmten der Basler Grosse Rat und der Baselbieter Landrat Krediten von jeweils 600’000 Franken für eine vertiefte Vorplanung für das Herzstück zu. Die Regierungen und die vorberatenden Parlamentskommissionen gaben einer direkten Verbindung (Variante Mitte) den Vorzug vor einer ringförmigen Verbindung, die um die Kernstadt herumführen sollte. 2013 erschien der Technische Schlussbericht der Vorstudien 2008–2012.

Im September 2014 bewilligten der Basler Grosse Rat 20 Millionen Franken und der Baselbieter Landrat 10 Millionen Franken für ein Vorprojekt – ein Referendum gegen den baselstädtischen Kredit kam nicht zustande. Dieses Vorprojekt floss in das Angebotskonzept für die trinationale S-Bahn, welche die beiden Basel im November 2014 beim BAV eingereicht haben. Seither laufen vertiefte Abklärungen über die Linienführung.

Geprüft wird auch eine Durchmesserlinie, die nicht nur von S-Bahn-Kompositionen, sondern auch von Fernzügen befahren werden kann. Was die «Basler Zeitung» Anfang Dezember als neues Killerargument gegen die aktuelle Herzstück-Planung aufbauschte, ist ein Planungsschritt, der im April bereits am trinationalen Bahn-Kongress in Basel angetönt wurde.

Wie lang wird der Tunnel und wo entstehen die Innenstadt-Stationen?

Die Länge der unterirdischen Verbindung lässt sich noch nicht genau angeben, weil die Linienführung noch nicht definitiv steht. Dasselbe gilt auch für die möglichen Stationen in der Basler Innenstadt. Angedacht sind zwei Stationen in den Bereichen Barfüsser- und Marktplatz sowie Clara- und Messeplatz. Geplant ist, die unterirdische Verbindung bergmännisch, also ohne offene Baustellen auszuführen.

Bereich der möglichen Linienführung des Herzstücks.

Bereich der möglichen Linienführung des Herzstücks.

Was kostet das Ganze?

Genaue Angaben sind zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich. Die Kosten für das eigentliche Herzstück werden grob auf 1,5 bis 2 Milliarden Franken geschätzt. Die Schätzung für den Gesamtausbau der trinationalen S-Bahn beläuft sich auf rund 3,5 Milliarden Franken.

Wie sieht es mit dem Zeitplan aus?

Die beiden Basel arbeiten auf die Ausbauinitiative der Bahninfrastruktur des Bundes in den Jahren 2030–2035 hin. Für dieses «Strategische Entwicklungsprogramm Bahninfrastruktur (Step)» sind 7 bis 12 Milliarden Franken an Bundesgeldern vorgesehen. Auf diese Gelder setzen neben Basel allerdings auch andere Regionen. Die Region Zürich will zum Beispiel einen neuen Tunnel zwischen Dietlikon und Winterthur bauen, die Romandie setzt auf einen Ausbau der Strecke von Yverdon nach Lausanne und Genf, die Region Bern und das Wallis auf einen Doppelspurausbau des Lötschbergtunnels.

Bis 2018 muss die Step-Vorlage bei den Eidgenössischen Räten liegen.

Wie steht es um die Chancen für das Herzstück?

Für Aufregung in der Region Basel sorgte Mitte Oktober ein Artikel in der «NZZ am Sonntag», der aufgrund einer informellen Veranstaltung von BAV-Direktor Peter Füglistaller vor Bundesparlamentariern darüber berichtete, dass das Basler Herzstück hinter Projekten aus den Grossräumen Zürich und Romandie sowie Bern/Wallis nur dritte Priorität habe. Der BAV-Direktor sprach laut dem Zeitungsbericht allerdings erst von Tendenzen.

Seither haben die Projektverantwortlichen aus der Region Basel ihre Lobbyarbeit für das Herzstück verstärkt. Und wo gute Worte nicht ausreichen, wird auch mal mit Geldscheinen gewedelt: Die Basler Regierung gab im April 2016 bekannt, dass sie das Herzstück mit einem dreistelligen Millionenbetrag vorfinanzieren möchte. Mitte November schlossen sich die Regiokommission und die Umwelt-, Verkehrs- und Energiekommission des Grossen Rats diesem Ansinnen an und münzten die regierungsrätliche Ankündigung in einen konkreten parlamentarischen Auftrag um. Das finanziell angeschlagene Baselbiet beschränkt sich derweilen darauf, die städtische Initiative mit Applaus zu begleiten.

Lobbyarbeit der Wirtschaftsverbände

Auch die Basler Wirtschaftsverbände legen sich engagiert ins Zeug für das Herzstück, von dem sie sich wichtige Impulse für die wirtschaftliche Prosperität der Region versprechen. Sie – das heisst die Handelskammer beider Basel, der Gewerbeverband Basel-Stadt, die Wirtschaftskammer Baselland, die Vereinigung für eine starke Region und Pro Innerstadt Basel – haben Anfang Woche Bundesparlamentarier zu einem Lobbyanlass ins Bundeshaus-Restaurant «Galerie des Alpes» eingeladen.

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