«Organisten sind es sich gewohnt zu frieren»

31 Jahre lang war Felix Pachlatko Organist am Basler Münster. Am Sonntag wird er zum letzten Mal den Gottesdienst begleiten. Wir sprachen mit ihm über die schönsten Orgeln Basels, über seine Träume und über seinen berühmtesten Schüler, den Basler Regierungspräsidenten Guy Morin.

(Bild: Hansjörg Walter)

31 Jahre lang war Felix Pachlatko Organist am Basler Münster. Am Sonntag wird er zum letzten Mal den Gottesdienst begleiten. Wir sprachen mit ihm über die schönsten Orgeln Basels, über seine Träume und über seinen berühmtesten Schüler, den Basler Regierungspräsidenten Guy Morin.

Herr Pachlatko, Sie waren 31 Jahre lang Münsterorganist. Wissen Sie, wie oft Sie durch dieses enge Türmchen zur Orgelempore hinauf gestiegen sind?

Etliche Male! Haben Sie die Stufen gezählt?

Nein.

Es sind 42. Wissen Sie auch, warum?

Sagen Sie es mir.

Weil es 42 Generationen von Abraham bis Jesus sind. Steht in der Bibel, Matthäus I. Das Münster ist voller solcher Symbole.

Welche Rolle spielt für Sie als Organist die Religion?

Eine zentrale Rolle. Ich kann ja nicht musikalische Verkündigung betreiben, ohne daran zu glauben!

Das heisst, Sie würden nicht in einer katholischen Kirche spielen?

Doch, das mache ich hin und wieder. Und es ist auch interessant. Die katholische Kirche hat einige Elemente, die ich sehr bejahe.

Welche zum Beispiel?

Die Katholiken haben ein natürliches Verhältnis zur Feierlichkeit. Sie wissen, dass das Erleben über ganz verschiedene Sinne gehen kann: über den Geruch, über Musik, über das Licht, über Bilder. Nicht nur über das Wort. Wir Schweizer Reformierte – mehr noch als die Lutheraner – sind da manchmal etwas trocken.

«Kann ein Mensch Gott aus eigener Kraft näherkommen?»

Stehen Sie der Kirche in manchen Belangen auch kritisch gegenüber?

Das tut man immer wieder, ja. Die Kirche ist auch nur ein Verbund von Menschen, die nicht perfekt sind. Darum werden in der Kirche so viele Fehler gemacht wie überall. Aber man erhebt an die Kirche viel höhere Ansprüche. Das ist eine Diskrepanz, mit der man leben muss.

Sind Sie in Ihrer Arbeit, in Ihrem Orgelspiel, über die Jahre Gott näher gekommen?

Kann ein Mensch Gott aus eigener Kraft näher kommen? Gott wendet sich uns zu und wir können darauf eintreten. Wir sind unterwegs – aber wohin wir unterwegs sind, dass weiss nur Gott. Was ich aber sagen kann: Ich fühle mich wohl auf diesem Weg.

Weshalb gehen Sie schon mit 63 Jahren in Pension?

Das hat verschiedene Gründe. Einer ist privat: Meine Partnerin lebt in der Ostschweiz und hat dort eine Pfarrstelle. Wir haben beide gependelt; aber ich möchte nun mehr dort sein. Zum anderen fühle ich mich jetzt noch so gut, dass ich Zeit haben möchte für Dinge, die ich nicht tun muss, sondern darf. Konzerte geben zum Beispiel. Und seit langem arbeite ich an einer Dissertation, die ich jetzt abschliessen möchte.

Zu welchem Thema?

Über das Orgelbüchlein von Bach.

Ist Bach auch der Komponist, dessen Werke Sie hier am meisten gespielt haben?

Eindeutig, ja.

Aber die Orgel ist nicht wirklich gemacht für das barocke Repertoire, oder?

Nein, sie ist eher eine romantisch-symphonische Orgel. Ein Instrument an einem solchen Ort muss eine gewisse Universalität erfüllen. Und ich spiele auch sehr gerne Mendelssohn, Liszt, Franck

Die Münsterorgel hat ein sehr modernes Gehäuse. Manche irritiert dies inmitten der alten Baupracht. Weshalb wurde die Münsterorgel erneuert?

Die Gewölbe des Münsters mussten ohnehin saniert werden, und auch die alte Kuhn-Orgel hatte gewisse Mängel. Es wäre teuer zu stehen gekommen, diese zu beseitigen. So war es sinnvoll, ein neues Instrument zu planen. Und dieses Gehäuse ging als Sieger aus einem Architekturwettbewerb hervor.

«In Basel bin ich glücklicher als in Zürich.»

Sie sind in Winterthur geboren. Hat es Sie da nicht gereizt, Organist am Grossmünster in Zürich zu werden?

Eine zeitlang war das mein Traum. Als Bub bin ich oft von Winterthur mit dem Velo nach Zürich gefahren, um die Orgelkonzerte im Grossmünster anzuhören. Das waren 25 Kilometer! Später war ich dann ein bisschen ernüchtert über das Instrument. Es ist zwar immer noch eine schöne Orgel und ein sehr schöner Raum, aber meine Träume haben sich ein bisschen verändert. Hier bin ich glücklicher, sowohl mit der Orgel, als auch mit dem Kirchenraum.

Und mit der Stadt?

Das sowieso!

Welches ist denn die schönste Orgel in Basel?

Die gibt es nicht. Wenn ich alte französische Musik spielen will, bin ich in der Leonhardskirche am glücklichsten. Wenn ich Bach spielen will, sind Peterskirche und Predigerkirche ideal. Und César Franck klingt hier im Münster am allerschönsten.

Hier oben auf der Orgelempore hat man einen wunderschönen Blick ins Hauptschiff des Münsters. Aber es ist auch recht kalt. Wie können Sie so spielen?

Unter dem Spieltisch befindet sich eine Heizung. Aber es stimmt schon: Organisten sind es sich gewohnt zu frieren.

«Guy Morin ist unglaublich effizient. Ich bewundere das sehr.»

Wer wird Ihr Nachfolger?

Das weiss ich nicht. Die Probespiele finden erst im Januar statt.

Vielleicht Guy Morin?

Nein, sicher nicht. Aber ich schätze Guy Morin sehr. Er kommt regelmässig alle 14 Tage zu mir in den Unterricht; jeden Montag Morgen übt er an der Münsterorgel; zu Hause täglich – und das bei seinem Pensum. Er ist unglaublich effizient. Ich bewundere das sehr.

Werden Sie die Basler Münsterorgel nicht vermissen?

Doch, das werde ich. Es wird kein leichter Abschied.

Das Abschiedskonzert von Felix Pachlatko findet am Sonntag, 15. Dezember 2013, 18:00, im Münster Basel statt.

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