Der französische Verfassungsrat hat ein umstrittenes Überwachungsgesetz mit wenigen Abstrichen genehmigt. Der Geheimdienst erhält damit ähnliche Kompetenzen wie die amerikanische NSA.
Bis auf drei Artikel billigte der Conseil Constitutionnel sämtliche Bestimmungen eines neuen Überwachungsgesetzes, das die Regierung nach den Attentaten auf das Satiremagazin Charlie Hebdo und den jüdischen Supermarkt von Januar lanciert hatte. Die beiden Parlamentskammern hatten es im Mai gegen die Stimmen von Grünen und Kommunisten abgesegnet; angesichts des heftigen Widerstandes durch Datenschützer riefen darauf mehrere Abgeordnete das höchste Gericht des Landes an.
Unüblicherweise schloss sich ihnen sogar Staatspräsident François Hollande, der Mitinitiator des Gesetzes, an. Er wollte damit dem linken Flügel seiner Sozialistischen Partei bedeuten, dass er sich nicht über die Verfassung hinwegsetzt.
Der Staatschef ging dabei kein gewaltiges Risiko ein: In Frankreich wird die Überwachung der Bürger seit den Zeiten der Monarchie als notwendiges Übel hingenommen. Der Verfassungsrat tendiert zudem in seiner heutigen Zusammensetzung eher der konservativen Rechten zu, die das Gesetz als Kampf gegen den Terrorismus unterstützte.
Online-Massenüberwachung wird ermöglicht
Mit dem Entscheid des Verfassungsrates tritt das Gesetz nun in Kraft. Die französischen Polizeidienste erhalten die Befugnis, bei Online-Providern mit Datenschreibern ganze Metadatenströme abzufangen und auszuwerten.
Das ermöglicht eine Art Massenüberwachung, wie sie die amerikanische Agentur NSA unter anderem auch in Frankreich mit Millionen abgehörter Telefonate und Emails praktizierte. Mit so genannten «Imsi Catchern» kann die französische Polizei zudem auch Mobiltelefone in einem gewissen Umkreis – zum Beispiel aus einem getarnten Lieferwagen vor einer Wohnung – direkt abhören.
Der Verfassungsrat strich immerhin drei Artikel in dem neuen Gesetz, von denen zwei eine gewisse Bedeutung haben. Laut Gesetz hätten sich Geheimdienste über die abschlägige Meinung einer zustimmungsbedürftigen Kommission hinwegsetzen dürfen, wenn eine «operative Dringlichkeit» bestanden hätte. Das ist nun nicht mehr möglich: Es hätte eine «offensichtlich unverhältnismäßige Beeinträchtigung» der Privatsphäre und des Briefgeheimnisses nach sich gezogen, vermutet der Conseil Constitutionnel.
Internationale Überwachung für verfassungswidrig erklärt
Ferner erklärte er den Artikel zur «internationalen Überwachung» für verfassungswidrig. Die Tragweite dieses Artikels war von Beginn weg unklar und höchst umstritten gewesen. Die Verfassungsrichter streichen den Artikel, weil unklar sei, wie lange die im Ausland gesammelten Daten gespeichert werden dürfen – und warum die Kontrollkommission die Auslandeinsätze nicht abzusegnen habe.
Nach der Streichung dieses Artikels ist allerdings unklar, auf welche Basis der französische Auslandgeheimdienst DGSE seine «internationale Überwachung» stützen will. Dass er ganz darauf verzichtet, ist nicht zu erwarten. Eher scheint es, dass er wie bisher ohne gesetzliche Grundlage vorgehen wird.
Hollande ist erfreut über Annahme des Gesetzes
Zum Beispiel will der DGSE internationale Kontakte zwischen Terrordrahtziehern in Syrien und «schlafenden Agenten» in Pariser Banlieue-Vierteln abhören. Dass er wie die NSA auch befreundete Partnerstaaten aushorchen könnte, weisen seine Agenten entrüstet von sich.
Hollande zeigte sich erfreut über den Entscheid des Verfassungshofs. In einer schriftlichen Stellungnahme ließ er verlauten, die gestrichenen Artikel modifizierten «in keiner Weise das Gleichgewicht des Gesetzes» und gäben den Geheimdiensten die nötigen Mittel.
Premierminister Manuel Valls, die treibende Kraft hinter dem neuen Gesetz, sprach von einem «entscheidenden Fortschritt». Die Bürgervereinigung «Quadrature du Net» bezeichnete den Entscheid hingegen als «Schande für Frankreich», das die Rechte seiner Bürger geringschätze.