Mit dem Präsidenten des FDP-Quartiervereins Kleinbasel Daniel Seiler verbindet mich eine Art Kommentar- und Twitterfreundschaft. Immer wenn ich etwas über Parkplätze schreibe – und das tue ich in letzter Zeit ziemlich oft –, weist er mich darauf hin, dass ich in meinem Bericht diesen oder jenen aufgehobenen Parkplatz nicht erwähnt hätte.
Das kann sein. Mit den Parkplätzen ist es so eine Sache in Basel. Spätestens seit der Kanton Basel-Stadt eine Parkraumbewirtschaftung kennt, wird um jeden einzelnen Abstellplatz auf öffentlichem Grund verbissen gestritten. Im Grossen Rat wurden in den vergangenen Monaten nicht weniger als vier Vorstösse und Petitionen zum Thema eingereicht. Zuletzt forderte TCS-Präsident und FDP-Grossrat Christophe Haller in einer Motion, für jeden aufgehobenen Parkplatz müsse im Radius von 200 Metern ein Ersatz geschaffen werden. Der Vorstoss wurde nicht überwiesen.
Fakt ist, dass bis 2016 alle weissen Parkplätze der blauen Zone weichen werden. Das schmerzt in erster Linie die Autopendlerinnen und -pendler, die nicht mehr stundenlang kostenlos in den Wohnquartieren parkieren können. Auch bei den Anwohnerinnen und Anwohnern, die mit dem Erwerb einer Anwohnerparkkarte eigentlich klar bevorzugt werden, löst die neue Regelung Unruhe aus.
Massiver Parkplatzabbau?
Als Grund für die Unruhe führen Verkehrsverbände und bürgerliche Politiker die «grosse Parkplatznot» und einen «massiven Parkplatzabbau» ins Feld. Dabei wird zum Teil wild mit Zahlen jongliert. In einer Petition «gegen die Umgestaltung der Wettsteinallee» ist von der «Aufhebung von über 60 Parkplätzen» die Rede. In Tat und Wahrheit geht oder ging es in diesem Fall um 20 Parkplätze oder, wie die Umwelt-, Verkehrs- und Energiekommission des Grossen Rats als Kompromissvorschlag einbrachte, um den Abbau von 10 Plätzen.
Auch mit den Zahlen ist es also so eine Sache. Denn genaue Erhebungen über existierende oder abgebaute Parkplätze kennt das zuständige Bau- und Verkehrsdepartement nicht. Dort schätzt man die Zahl der Parkplätze auf dem Kantonsgebiet auf 100’000 – die meisten (64 Prozent) auf privatem Grund. Dazu kommen die öffentlichen Parkhäuser. Auf Allmend befindet sich etwas mehr als ein Viertel der Parkplätze.
Viel Platz für stehende Autos
Das ist nicht wenig, wenn man den entsprechenden Flächenbedarf errechnet. Nach den Normen des Schweizerischen Verbands der Strassen- und Verkehrsfachleute (VSS) sollte ein Parkfeld am Strassenrand die Grösse von rund 12 Quadratmetern haben (6 bis 6,50 Meter lang und 1,80 bis 2 Meter breit). Bei geschätzten 26’000 Parkplätzen in der blauen (und im Moment zum Teil noch in der weissen) Zone ergibt das eine Gesamtparkfläche von rund 312’000 Quadratmetern oder eine stehende Autoschlange von über 160 Kilometern auf öffentlichem Grund.
Genaue Zahlen gibt es über die Anzahl der in Basel-Stadt gemeldeten Autos. 62’621 Stück zählte das Statistische Amt im Jahr 2014. Das ergäbe, wenn alle Autos gleichzeitig am Strassenrand abgestellt würden, eine Autoschlange von 391 Kilometern. Das mag viel scheinen. Aber nur auf den ersten Blick. Denn bei einer Gesamtbevölkerung von 197’696 Menschen bedeutet das, dass nur jeder dritte Einwohner des Kantons ein Auto besitzt.
Jeder zweite Basler Haushalt ohne Auto
Die Anzahl Autos pro Kopf mag vielleicht nur bedingt aussagekräftig sein, weil hier auch Säuglinge und Betagte in Pflegeheimen und auf der anderen Seite auch Geschäftsfahrzeuge und Taxis etc. mitgezählt werden. Ein schlüssiges Bild gibt der «Mikrozensus Mobilität und Verkehr» ab, das ist eine gesamtschweizerische Erhebung zum Mobilitätsverhalten der Bevölkerung. Dieser hat ergeben, dass im Kanton Basel-Stadt mehr als jeder zweite Haushalt auf ein Auto verzichtet.
Das ist mit gehörigem Abstand ein Schweizer Tiefststand (in Baselland verzichtet nur jeder fünfte Haushalt auf ein Auto). Und wenn man alle Zweitwagen in Riehen und Bettingen berücksichtigt, dann dürfte die Autodichte in der Stadt noch niedriger sein.
Eine stattliche Mehrheit der Basler Bevölkerung leidet also gar nicht oder aufgrund des Parkplatzsuchverkehrs nur sehr bedingt unter der tatsächlichen oder herbeigeredeten «grossen Parkplatznot». Sie leidet aber vielleicht darunter, dass die Quartierstrasse vor ihrem Haus tagein, tagaus mit Autos verstellt ist.
Alleebäume versus Parkplätze
Diese Mehrheit hat vielleicht wenig Verständnis dafür, dass ihre autofahrenden Nachbarn, die sich keinen Abstellplatz in einer privaten Einstellhalle leisten mögen, auf die Barrikaden steigen, wenn der Kanton die Wettsteinallee wirklich zur Allee machen möchte und auf Kosten von ein paar Parkplätzen neue Bäume anpflanzen möchte. Autofreie Haushalte mit Kindern freuen sich vielleicht darüber, wenn in einer zur Begegnungszone umgestalteten Strasse anstelle eines Parkplatzes ein Pflanzentrog und eine Sitzbank aufgestellt werden. In stark befahrenen Strassen kann es aus einer verkehrstechnischen Gesamtsicht heraus sehr vernünftig sein, anstelle von Parkplätzen einen Velostreifen zu schaffen.
Das soll kein Plädoyer für die Abschaffung aller Parkplätze auf öffentlichem Grund sein. Aber ein Aufruf zu mehr Contenance in der hitzig geführten Debatte um Parkplätze. Und für etwas Einsicht der Autofahrer, dass sie für nur 140 Franken, die eine Anwohnerparkkarte für ein Jahr kostet, 12 Quadratmeter Fläche auf der Strasse belegen können – etwas, was der nicht autofahrenden Bevölkerung verwehrt bleibt. Denn ohne Auto kann man kein Plätzchen am Strassenrand einnehmen – es sei denn, es wird eben ein Parkplatz geopfert dafür.