In ihrem Bericht zur Affäre Hildebrand von Ende 2011 rügt die GPK beider Räte die damalige Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey (SP). Dabei hatte die Genferin die Krise sofort richtig eingeschätzt.
Erst am Montag wollen die Geschäftsprüfungskommissionen (GPK) des National- und des Ständerates ihren Bericht zur Spekulationsaffäre von Ende 2011 publizieren, die dann zum Rücktritt des damaligen Nationalbankpräsidenten Philipp Hildebrand geführt hat. Doch schon jetzt ist durchgesickert, dass die GPKs in diesem Papier nicht etwa den damals schwach agierenden SNB-Bankrat kritisieren oder die Bundespräsidentin von 2012, Eveline Widmer-Schlumpf, die Hildebrand bis zu dessen unvermeidlichem Rücktritt gestützt hatte. Harsch kritisiert wird im Bericht vielmehr der Bundesrat von Ende 2011 – und ganz besonders dessen damalige Präsidentin, Micheline Calmy-Rey (SP).
GPK: Bundesrat hätte nichts tun dürfen!
Konkret richten die Parlamentarier der GPKs folgende Vorwürfe an Calmy-Rey und den damaligen Bundesrat:
- Die Landesregierung hätte den fundierten Verdacht, dass SNB-Präsident Philipp Hildebrand und vor allem seine Frau Kashya, eine Amerikanerin, ihre Insiderwissen nutzten, um mit Devisen zu spekulieren im Dezember 2011 gar nicht selber verifizieren dürfen. Dafür wäre der Bankrat der SNB zuständig gewesen.
- Bundespräsidentin Calmy-Rey habe insbesondere keine Rechtsgrundlage gehabt, um Hildebrand am 15. Dezember 2011 vor einen Bundesrats-Ausschuss mit Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf, Justizministerin Simonetta Sommaruga und ihr selber zu zitieren.
- Der Bundesrat hätte zwei hohe Funktionäre der Finanzkontrolle nicht mit einer Untersuchung der Verdachtsmomente gegen Hildebrand beauftragen dürfen.
Calmy-Rey nahm die Sache zurecht ernst
Kurzum: Der Bundesrat hätte in der Affäre Hildebrand gar nichts unternehmen dürfen, meint die GPK. Dabei hatte gerade Calmy-Rey die gefährliche Situation für die Schweiz sehr schnell richtig eingeschätzt. Sie hatte dabei insbesondere berücksichtigt, dass der SNB-Präsident das Land in internationalen Finanzgremien vertreten muss. Ein SNB-Präsident, der hintenherum mit Insiderwissen am Devisenmarkt spekuliert – und fette Gewinne macht, ist ein hohes Risiko.
Das hatte auch SVP-Nationalrat Christoph Blocher so eingeschätzt, als ihm Anfang Dezember 2011 Unterlagen zugespielt wurden, welche die Spekulationen der Hildebrands belegten. Er informierte daraufhin während der Session Bundespräsidentin Calmy-Rey darüber. Diese leitete die nötigen Abklärungen zur Überprüfung dieses Verdachts ein. Doch Hildebrand schob alles auf seine Frau Kashya ab – er habe von deren Devisengeschäften nichts gewusst, behauptete er. Und sowohl der SNB-Bankrat wie auch die Finanzkontrolleure des Bundes stellten ihm einen Persilschein aus.
Belastendes Mail verheimlicht
Doch Hildebrand freute sich zu früh: Er hatte nämlich ein E-Mail seines Finanzberaters bei der Bank Sarasin verheimlicht, das sein Einverständnis mit den Devisenspekulationen seiner Frau belegt. «Er hat uns hinters Licht geführt», sagen heute jene Leute, die damals mit der Sache befasst waren. Als der Bankrat das belastende Mail zu Gesicht bekam, war der Film gerissen – Hildebrand musste gehen.
Publiziert wurde das belastende Dokument erst nach seinem Abgang. Dabei beteuerte er vor den Medien erneut seine Aufrichtigkeit. Zu unrecht, wie sich gleich danach zeigen sollte. Im Dokumentarfilm «Der erzwungene Rücktritt» zeigt Hansjörg Zumstein alle diese Vorgänge sehr präzise und eindrücklich auf.
«Darf der Bundesrat Verdachtsmomenten nicht nachgehen?»
Dass die GPKs zum Schluss kommen können, die Landesregierung hätte in dieser Sache nichts tun, und Blocher an den Bankrat verweisen sollen, wundert und ärgert die Bundesräte: «Wir mussten unser Land und die Nationalbank vor einem drohenden Verlust der internationalen Glaubwürdigkeit schützen», stellt Micheline Calmy-Rey gegenüber der Westschweizer Zeitung «Le Temps» (online nicht verfügbar) fest. Der Bundesrat sei in jedem Fall dazu berechtigt, «gravierende Verdachtsmomente die das ganze Land betreffen zu verifizieren und abzuklären», präzisiert sie.
Der aktuelle Gesamtbundesrat weist die Vorwürfe der GPK denn auch klar zurück. Einzelne Regierungsmitglieder stellen fest, dass die GPKs in ihren Berichten neuerdings fast immer versuchten, die «ohnehin schon stark limitieren Kompetenzen» des Bundesrates weiter zu beschränken. So auch im Hildebrand-Bericht nun wieder. Der Streit zwischen den parlamentarischen Geschäftsprüfern und der Schweizer Regierung wird nach der Publikation des Papiers am nächsten Montag offen ausbrechen: Die Bundeskanzlerin hat jedenfalls schon eine öffentliche Reaktion des Bundesrates angekündigt. Derweil gehen die GPKs einmal mehr gerichtspolizeilich gegen Medien und Journalisten vor, welche jetzt schon Details aus ihrem umstrittenen Bericht publizieren.