Parteipräsidentin mit heiklen Ansichten

Der religiöse Wertehimmel der neuen Baselbieter CVP-Präsidentin Brigitte Müller-Kaderli wirft Fragen auf. Man kann mit ihr durchaus über Homosexualität reden. Allerdings scheint sie dann Angst vor der eigenen Meinung zu bekommen.

Brigitte Müller-Kaderli und die Homosexualität: ein toxisches Thema für die neue Baselbieter CVP-Präsidentin.

Brigitte Müller-Kaderli ist eingeschneit. Die Baselbieter CVP-Präsidentin steckt mit politischen Weggefährten in Zermatt fest und wartet seit Tagen darauf, mit dem Hubschrauber ausgeflogen zu werden. Das Schicksal der CVP-Leute im Nobelskiort berührt lokale Medien seit Tagen mehr als die politischen Inhalte der Partei in den letzten Monaten.

Müller-Kaderli nutzt die Zeit, soweit das auf den sozialen Medien ersichtlich ist, um Schnee zu fotografieren und Botschaften der rechtslastigen Israellobby zu verbreiten – eine evangelikale Herzensangelegenheit.

Müller-Kaderli, im April überraschend zur Präsidentin der Baselbieter CVP gewählt, ist Anhängerin der umstrittenen Freikirche ICF. Vor ihrem Umzug ins Baselbiet hat sie für die EVP im Kanton Aargau politisiert. Aus dem Aargau brachte sie den Ruf mit, eine einnehmende und enthusiastische Persönlichkeit zu sein. Ihre Sprüche auf Twitter verstärkt sie mit allerlei Ausrufezeichen und Smileys. Politik als Worship mit charismatischem Gospelchor.

Die auch im Baselbiet marginalisierte CVP will mit der gelernten Kindergärtnerin in evangelische Wählersegmente vorstossen und zugleich die im bürgerlichen Block verschwundene Partei zurück in die Eigenständigkeit schieben. Doch die Personalie birgt Risiken. Das merkt, wer sich die Spuren anschaut, die sie bislang hinterlassen hat.

Auf einer evangelischen Plattform erzählte Müller-Kaderli vor einigen Jahren, sie sei in die Politik gegangen, «um die Gesellschaft evangelisch zu prägen». Andernorts ist vom christlich geprägten Kita-Netzwerk zu lesen, das sie aufbauen wollte, nachdem sie Gottes Ruf erreicht habe.

Für Brigitte Müller-Kaderli, das wird bald klar, ist Glaube keine Privatsache, sondern ein Auftrag.

Schwulenfeindlicher Präsident

Engagiert ist sie bei der Schweizerischen Evangelischen Allianz (SEA), einem Dachverband von Freikirchen und evangelischen Organisationen. Dort amtet sie als Vizepräsidentin.

Der Verband macht sich immer mal wieder über das eigene Milieu hinaus bemerkbar, etwa wenn er gegen eine Stop-Aids-Kampagne vorgeht, was in beachtlicher Regelmässigkeit passiert. Oder wenn er sich an Anti-Abtreibungsmärschen beteiligt.

Oder sich schwulenfeindlich äussert. So behauptete SEA-Präsident Wilf Gasser in einer Stellungnahme, Homosexualität entspreche nicht dem Willen Gottes. Er diffamierte Schwule, indem er schrieb, es gebe einen fliessenden Übergang von Homosexualität zur Pädophilie. Und schliesslich erachtet der als Sexualtherapeut tätige Gasser Homosexualität als therapierbar.

Teilt Müller-Kaderli die Haltung ihres Vorstandskollegen? Mit ihr ein Gespräch über Homosexualität zu führen, ist nicht einfach. Die Parteipräsidentin weicht aus, blockt ab, legt ihre Überzeugungen nur langsam frei. In ihren Wertungen vermischen sich private Erlebnisse mit erzkonservativen Vorstellungen von Familie und Sexualmoral.

Aussagen zurückgezogen

Wir hätten diese Aussagen, die wir für äusserst diskussionswürdig erachten, gerne wiedergegeben, damit sich die Öffentlichkeit ein Bild der Wertewelt der CVP-Präsidentin machen kann. Doch Müller-Kaderli verweigert das.

Wir haben ihr alle dem Gesprächsprotokoll entnommenen Zitate zur Autorisierung vorgelegt, damit sie präzisieren, Missverständnisse ausräumen kann. Doch nach einigem Hin und Her zieht Müller-Kaderli sämtliche Aussagen zurück.

Rechtlich zulässig ist das, Vertrauen schafft es keines.

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