Der Zürcher SVP-Kandidat bediente sich an einer Erbschaft, die er zwei Hilfswerken hätte überweisen sollen. Die SVP verlangt von Bruno Zuppiger «Erklärungen». An seiner Kandidatur hält sie vorderhand jedoch fest – weil die Sache erledigt sei.
Über den «gmögigen» SVP-Nationalrat und Präsidenten des Schweizerischen Gewerbeverbandes (SGV) Bruno Zuppiger aus Hinwil im Zürcher Hinterland kursierten schon lange Geschichten, in denen er die Rolle eines undurchsichtigen «Mischlers» spielte. So etwa über seine Zeit an der Spitze des Zürcher Gewerbeverbandes, den Zuppiger ab 1982 als Sekretär und Direktor leitete. Mit Immobiliengeschäften machte der Verband hohe Verluste. Mit dem Präsidenten des Verbandes, dem damaligen FDP-Nationalrat Ernst Cincera, kam es zum Krach. Und 1995 verliess Zuppiger den Verband. Auch Mandate des Verbandes Schweizerischer Generalunternehmer und des Kuchen-Verbandes (KVS) verlor Zuppiger 2002 und 2008 jählings.
Unangenehme Erbsache
Jetzt aber, da die SVP Zuppiger als ihren Sprengkandidaten für die Bundesratswahlen vom nächsten Mittwoch auf ihren Schild gehoben hat, macht ausgerechnet die sonst als der SVP nahestehend geltende Weltwoche eine für den SVP-Spitzenkandidaten unangenehme Geschichte publik. «Zehn Jahre lang benutzte Zuppiger eine Erbschaft, die er zu verteilen gehabt hätte, als Selbstbedienungsladen», schreibt das Blatt. «Erst unter dem Druck drohender Strafklagen zahlte er aus.»
Er sei bei Recherchen über die anderen Zuppiger-Gerüchte zufälligerweise auf diese üble Sache gestossen, sagt der Autor des Artikels, Urs Paul Engeler auf Nachfrage. Engeler berichtet unter dem Titel «Zuppigers Erbsünde» die folgende Begebenheit: Vor genau 11 Jahren sei im November 2000 eine aus Ostdeutschland stammende Angestellte der Firma Zuppiger in Zürich verstorben. Die Sekretärin habe keine Erben hinterlassen – jedoch eine Erbschaft von 265’000 Franken. In ihrem Testament hatte die Frau zwei gemeinnützige Organisationen zu gleichen Teilen als Erben eingesetzt. Zuppiger und seine Firma, die «Zuppiger & Partner AG», sollten die Erbschaft als Willensvollstrecker verteilen.
Doch vier Jahre nach der Testamentseröffnung hatten die beiden Hilfswerke noch keinen roten Rappen gesehen. Dafür sahen sie 2005 plötzlich eine gesalzene Kostennote der Firma Zuppiger & Partner: Als «Willensvollstreckerhonorar» stellte ihnen Zuppiger insgesamt 150’632 Franken und 60 Rappen in Rechnung. Begründung: Mehr als 500 Stunden lang hätten er und seine Angestellten in Deutschland nach eventuell doch noch lebenden Angehörigen der Verstorbenen suchen müssen. Das habe die Verstorbene auf dem Sterbebett gegenüber einem Angestellten der Firma gewünscht. Für sich selber berechnete Zuppiger dabei 350 Franken Stundenlohn, für einen «projektverantwortlichen» Angestellten 290 Franken und für eine Sekretärin 160 Franken. Leider waren alle seine Nachforschungen erfolglos. Es kamen keine Erbberechtigten in Deutschland zum Vorschein.
100’000 auf Zuppigers Privatkonto
Das hatte das Bezirksgericht Zürich schon 2001 vorausgesehen, als es in der Erbverfügung rechtsgültig festhielt, «weitere Abklärungen gesetzlicher Erben aus der grosselterlichen Verwandtschaft wären unverhältnismässig». Darum seien «die Erbermittlungen einzustellen». Warum Zuppiger dennoch für satte 150’000 Franken ermittelte, bleibt unklar. Ungeklärt blieb auch, warum ganze zehn Jahre nach dem Tod seiner Angestellten deren Erbschaft immer noch nicht an die beiden wohltätigen Organisationen ausbezahlt war.
Klar ist jedoch, dass diese nun endgültig genug hatten und Klage gegen Zuppiger & Partner vor dem Bezirksgericht Zürich erhoben. Sie verlangten, der «Erbvollstrecker» müsse 158’507 Franken und 80 Rappen – abzüglich eines Honorars von maximal 5000 Franken mitsamt Zinseszinsen ab 2002 herausrücken.
Am 3. November 2010 kam es in dieser Sache zu einem Gerichtstermin. Bruno Zuppiger beteuerte seine Unschuld. Zudem bezichtigte er seinen Angestellten W.S. der Schlamperei und machte ihn verantwortlich. Fast willigten die Vertreter der beiden Hilfswerke in einen Vergleich ein. Doch bei genauerem Hinsehen stellen sie plötzlich fest, dass Zuppiger ihnen nicht nur über 150’000 Franken zehn Jahre lang vorenthalten hatte: Es dämmerte ihnen, «dass sich Herr Zuppiger persönlich in ganz erheblichem Umfange an den Nachlasswerten direkt bedient hat», wie sie sich ausdrückten. Tatsächlich hatte sich der SVP-Nationalrat am 7. April 2007 aus der Erbschaft seiner verstorbenen Angestellten ganze 100’850 Franken und 95 Rappen von der Zürcher Kantonalbank auf sein Privatkonto in Hinwil überweisen lassen.
Jetzt ergänzten die Anwälte der zwei Hilfswerke ihre Klageschrift um die Begriffe «Veruntreuung» und «ungetreue Geschäftsführung». Sie hielten fest: Der SVP-Bundesratskandidat habe bei diesen Verdachtsmomenten «ganz offensichtlich eine tragende Rolle als Täter» gespielt. Zuppiger wurde aufgefordert, «den eingetretenen Schaden bis am 31. Dezember 2010 zu begleichen». Das wirkte: Er zahlte nun doch die ganze Summe von über 260’000 Franken endlich an die Erben aus – mehr als zehn Jahre nach der Testamentseröffnung. Damit ist der Fall abgeschlossen.
Zuppiger spricht von «Kampagne»
Die «Weltwoche» stellt jedoch fest, Zuppigers Zahlung in letzter Minute dürfe «als Schuldeingeständnis interpretiert werden». Weil über die Höhe der Entschädigung von Zuppiger «Stillschweigen vereinbart» worden sei, wollte der SVP-Bundesratsaspirant gegenüber dem Blatt keine Stellung nehmen und «nicht näher auf die Sache eintreten». Am Zürcher Radio 1 betonte Bruno Zuppiger nun, es seien «Fehler passiert», doch dann sei er «als Unternehmer hingestanden» und habe «die Sache bereinigt». Jetzt laufe halt «eine Kampagne». Das dürfte ihm wenig nützen: Die SVP Zürich hat von ihm eine öffentliche Erklärung zu dem Fall verlangt. Und sein Verhalten in der Sache wird seine Wahlchancen am nächsten Mittwoch so oder so erheblich schmälern.
Artikelgeschichte
Update 8.12.: Die Weltwoche hat den Artikel wieder von ihrer Website entfernt, der Link funktioniert daher leider nicht mehr.