Ausländische Pharmahersteller konnten 2011 Währungsgewinne in Höhe von einer halben Milliarde Franken abschöpfen. Schweizer Pharmafirmen hingegen leiden unter dem starken Franken und fordern höhere Medikamentenpreise.
Das Feilschen um die Medikamentenpreise beschäftigt den Bundesrat. Die Pharmaverbände Interpharma und Vips verlangen von Bundesrat Berset, die vorgeschriebenen Auslandpreisvergleiche künftig mit einem Wechselkurs zu berechnen, der auf der Kaufkraftparität basiert, anstatt – wie es die geltende Verordnung vorsieht – zum sechsmonatigen Durchschnittskurs von rund 1.21 Franken. Das Bundesamt für Gesundheit BAG schlägt einen Kompromiss von 1.29 Franken vor (Kurs 1.23 plus 6 Prozentpunkte Schwankungszuschlag), wie Andreas Faller, Vizedirektor des BAG «Infosperber» erklärte.
Doch das kommt dem Dachverband Interpharma zu wenig entgegen, weshalb deren Geschäftsführer Thomas Cueni in der «NZZ am Sonntag» dem BAG drohte: Falls es bei der Berechnung von etwa 1.30 Franken bleibe, empfehle die Interpharma ihren Mitglied-Firmen, gegen das BAG juristisch vorzugehen. Der Bundesrat soll diese Woche darüber entscheiden.
Auf dem Spiel stehen in den kommenden paar Jahren Hunderte von Millionen Prämienfranken. Die gültige Verordnung schreibt vor, dass jedes Jahr ein Drittel aller kassenpflichtigen Medikamente einen neuen Preisvergleich mit Deutschland, Österreich, Frankreich, England, Niederlande und Dänemark bestehen müssen. Auf den Durchschnittspreis dieser sechs Länder gewährt das BAG den Firmen noch einen Aufschlag von vier Prozent als «Schwankungsreserve», künftig sollen es sechs Prozent sein.
Supergewinne für die Importeure
Die Stärke des Frankens hat zur Folge, dass die Preise der Medikamente bei jedem neuen Auslandpreisvergleich stark sinken müssten. Letztes Jahr gaben die Kassen für Medikamente fast 5,5 Milliarden Franken aus (einschliesslich Spital-Medikamente). Zwei Drittel dieser Medikamente wurden aus dem Ausland importiert. Deren Preise hat das BAG nicht gesenkt, seit der Wechselkurs auf 1.21 Franken gesunken ist.
Deshalb konnten ausländische Pharmafirmen 2011 in der Schweiz eine halbe Milliarde Franken Währungsgewinne abschöpfen.
Und das Schröpfen kann weiter gehen: Nach geltender Verordnung dürfen sie ihre Medikamente zum Teil noch bis 2014 zum Wechselkurs von, nach Angaben von Andreas Faller, 1.56 verkaufen (inklusive Schwankungsreserve), weil das BAG jedes Jahr nur ein Drittel aller Preise neu festsetzt. Ein beschleunigtes Abschöpfen der Währungsgewinne brächte «mit unseren vorhandenen Ressourcen einen zu hohen Aufwand», meint BAG-Vize Faller. Es gelte auch zu berücksichtigen, dass die Pharmafirmen keine vorgezogenen Preiserhöhungen verlangen können, falls der Franken wieder schwächer wird.
Probleme für Schweizer Produzenten
Probleme schafft der hohe Frankenkurs den Pharmafirmen, welche in der Schweiz produzieren. «Die exportorientierte Pharmaindustrie ist für das Wirtschaftswachstum der ganzen Schweiz von zentraler Bedeutung», sagt der Basler Gesundheitsdirektor Carlo Conti.
Gesundheitsökonomen halten es für effizienter, wenn Standorthilfen direkt mit Steuergeldern gewährt werden, wie im Fall der Novartis-Fabrik in Nyon. Wird Standorthilfe zu Lasten der sozialen Krankenversicherung mit erhöhten Medikamentenpreisen gewährt, können die viel zahlreicheren Importeure von Medikamenten als Trittbrettfahrer massiv profitieren.
Auch Conti ist der Ansicht, dass für mittelständische Familien, die keine Prämienverbilligungen erhalten, die Prämienbelastung «zu einem echten Problem» geworden ist. Deshalb setzt er sich bei den ambulanten Spitalkosten dafür ein, dass die Steuerzahler sich künftig ungefähr mit der Hälfte beteiligen. Das geht aus einer Stellungnahme gegenüber der TagesWoche hervor.
Der Krankenkassenverband Santésuisse wehrt sich dagegen, dass der Bundesrat die Spielregeln der Auslandpreisvergleiche ändert. Sowohl Sara Stalder von der Stiftung für Konsumentenschutz als auch Erika Ziltener vom Dachverband der Patientenstellen können sich eine Entlastung von Schweizer Produzenten höchstens vorstellen, «wenn gleichzeitig die Währungsgewinne auf den importierten Medikamenten sofort und voll den Prämienzahlern zugute kämen».
- Autor Urs P. Gasche vertritt die Interessen der Prämienzahler in der Eidgenössischen Arzneimittelkommission.
Quelle: Infosperber.ch
Quellen
Artikelgeschichte
Zweite Hälfte des Textes aktualisiert, nachdem sich das Gesundheitsdepartement Basel bzgl. der Aussagen von Carlo Conti gemeldet hatte.