Politische Intervention im TV-Quotenzirkus

Seit Januar wissen die Schweizer Fernsehstationen nicht, wie viele Zuschauer sie haben. Das Gezänk um die Zuschauerzahlen hat die Politik auf den Plan gerufen. Daniel Stolz hat im Nationalrat eine entsprechende Interpellation eingereicht.

Die Zuschauerzahlen der Fernsehsender sind immer noch unter Verschluss, die TV-Vermarkter befinden sich deshalb seit Januar im Blindflug. (Bild: Nils Fisch)

Seit Januar wissen die Schweizer Fernsehstationen nicht, wie viele Zuschauer sie haben. Das Gezänk um die Zuschauerzahlen hat die Politik auf den Plan gerufen. Daniel Stolz hat im Nationalrat eine entsprechende Interpellation eingereicht.

Am Samstagabend wird die «Voice of Switzerland» erkoren, ein riesiges Fernsehspektakel mit viel Glanz und noch mehr Gloria. Wo viel Publikum erwartet wird, fliessen auch die entsprechenden Werbegelder. Die Plätze in den Werbeblöcken im Umfeld eines solchen Grossereignisses sind begehrt und werden entsprechend vermarktet.

Seit Januar wissen die Fernsehstationen hierzulande allerdings nicht mehr, wie viele Zuschauer sie mit ihrem Programm erreichen. Die Umstellung des Messsystems ist denkbar schlecht über die Bühne gegangen. Mit der Auswertung der Daten betraut ist die Firma Mediapulse, die Messung erfolgt durch die Kantar Media Switzerland, eine eigens gegründete Tochtergesellschaft eines weltweit tätigen Unternehmens aus Grossbritannien.

Ein riesiger Flop

Zuerst musste die Veröffentlichung der ersten nach neuem System erhobenen Zuschauerzahlen wegen technischer Probleme verschoben werden. Dann, als die Daten endlich da waren, wehrten sich einige Fernsehstationen gegen die Veröffentlichung. Sie hegten, und hegen noch immer, Zweifel an der Zuverlässigkeit der Zahlen, denn offensichtlich sahen sich viele, vor allem kleinere Sender, mit massiv schlechteren Quoten konfrontiert. Der Mediapulse ist es bisher nicht gelungen, die Zweifler zu beruhigen, obwohl sie immer wieder klarstellte, dass der Vergleich der bisherigen Daten mit den neu erhobenen nicht statthaft sei. Zu gross seien Unterschiede zwischen altem und neuem Messsystem (hier gibt es ein Dossier zu den Querelen um die neuen Zuschauerquoten).

Die Zankerei um die Zahlen und das offenkundige Chaos bei der Datenerhebung hat nun auch die Politik auf den Plan gerufen. Daniel Stolz, FDP-Nationalrat aus Basel und seit diesem Jahr Mitglied des Schweizer Parlaments, hat seinen ersten Vorstoss eingereicht. Die Interpellation trägt den Titel «TV-Zuschauerzahlen-Wirrwarr? Licht in das Dunkel».

Stolz hinterfragt neues System

In seinem Vorstoss stellt Stolz die Eignung des neuen Systems in Frage. Es gehe ihm nicht darum, technische Funktionen oder ähnliches zu hinterfragen, sagt Stolz auf Anfrage. Seine Frage sei grundsätzlicherer Art: «Passt das neu eingerichtete System zur Schweizer Medienlandschaft?». Stolz spielt damit auf den Umstand an, dass mit der Kantar Media Switzerland ein sehr junges (und ausländisches) Unternehmen mit der Erhebung beauftragt wurde. Gleichzeitig fordert er auch eine Aufklärung über die Rolle des Bundesamtes für Kommunikation (BAKOM) im Ausschreibungsverfahren über diesen Auftrag.

Stolz gibt an, dass ihn Medienpolitik schon immer interessiert habe. «Auf kantonaler Ebene war dieses Interesse halt eher privater Natur, im Bundesparlament kann ich mich nun auch politisch damit auseinandersetzen.» Dazu kam das immense öffentliche Interesse an diesem Thema, «es war Zeit dafür, Licht in dieses Dunkel zu bringen».

Erschwerte Vermarktung

Für die Vermarktung der Programme der SRG ist die Publisuisse zuständig. Deren Marketingleiter Markus Hollenstein erklärt auf Anfrage, dass im eingangs erwähnten Beispiel von «The Voice of Switzerland» die fehlenden Daten keine Rolle spielen würden. «Die Vermarktung einer solchen Sendung basiert immer auf den Zuschauerprognosen, also auf Zahlen aus der Vergangenheit.» Allerdings sei die Arbeit insbesondere der Mediaagenturen aktuell schon erschwert. «Beispielsweise können im Moment laufende Kampagnen nicht kontrolliert werden.» Es sei schwierig abzuschätzen, wie hoch der wirtschaftliche Schaden sei, der aufgrund der fehlenden Zuschauerzahlen entstehe, sagt Hollenstein. Denn ob eine Veränderung des Umsatzes einfach konjunkturbedingt oder tatsächlich auf die fehlenden Daten zurückzuführen sei, könne man nicht mit Sicherheit sagen.

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