Polizisten zeigen Partygänger an

Die Basler Polizei reicht bei der Staatsanwaltschaft Anzeige gegen Teilnehmer der illegalen Party auf dem Messeplatz ein. Damit drohen selbst denjenigen Strafen, die bei der polizeilichen Räumung gar nicht gewalttätig wurden. Es genügt, bis zum Schluss dabei gewesen zu sein.

Am Freitagnachmittag liess die Polizei die Party und Demonstration noch gewähren. (Bild: Hans-Jörg Walter)

Die Basler Polizei reicht bei der Staatsanwaltschaft Anzeige gegen Teilnehmer der illegalen Party auf dem Messeplatz ein. Damit drohen selbst denjenigen Strafen, die bei der polizeilichen Räumung gar nicht gewalttätig wurden. Es genügt, bis zum Schluss dabei gewesen zu sein.

Es scheint fast so, als hätte die Basler Strafrechtsprofessorin Nadja Capus die Ereignisse vom Freitagabend auf dem Messeplatz vorausgesehen: eine Mischung aus Protest gegen die umstrittene Favela-Siedlung der Art und einer spontanen Party, welche die Polizei um 22 Uhr gewaltsam auflöste. 

Strafrechtsprofessorin Capus erklärt nämlich in der Sendung Kontext auf SRF 2 vom 19. November 2012 dem Radiomoderator an einem Beispiel, wie weit die Strafbestimmungen zum Schutz von Beamten gehen: «Wenn Sie und ich auf den Barfüsserplatz gehen würden, und da ist eine grössere Menschenansammlung, die womöglich unbewilligt ist – wir halten uns da auf, weil wir eben neugierig sind. Irgendwo auf dem Platz wirft jemand eine Flasche oder einen Stein auf einen Polizisten. Dann können wir zwei herausgepflückt und bestraft werden wegen Gewalt gegen Beamte, obwohl wir nicht diese Flasche oder diesen Stein geworfen haben.»

Beweiserleichterung macht alle zu Mittätern

Das ganze nennt sich Beweiserleichterung und wurde eingeführt, um Polizisten und Beamte besonders zu schützen. Denn in einer grösseren Menschenmenge ist es schwierig, hieb und stichfest nachzuweisen, wer tatsächlich einen Gegenstand gegen Polizisten geschleudert hat. Nach dem Motto «Mitgegangen, mitgehangen» riskieren damit alle, die an der illegalen Party auf dem Messeplatz dabei waren, wegen Gewalt und Drohung gegen Beamte verurteilt zu werden (Art. 285 Schweizerisches Strafgesetzbuch). Bestraft wird dies mit einer Geld- oder einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren. Die entscheidende Bestimmung findet sich in Absatz zwei des Artikels: «Wird die Tat von einem zusammengerotteten Haufen begangen, so wird jeder, der an der Zusammenrottung teilnimmt, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.»

Die Staatsanwaltschaft prüft jetzt, ob sie eine solche Strafuntersuchung im Zusammenhang mit der illegalen Party auf dem Messeplatz vom Freitagabend eröffnet, wie Sprecher Peter Gill eine Twitter-Meldung von TV-Journalist Georg Halter bestätigt.


 

Anzeige eingereicht hat die Polizei nicht nur wegen Gewalt und Drohung gegen Beamte, sondern auch wegen Landfriedensbruch und Sachbeschädigung. Wie Gewalt und Drohung gegen Beamte ist auch Landfriedensbuch ein Offizialdelikt (Art. 260 Schweizerisches Strafgesetzbuch).

Zudem muss die Staatsanwaltschaft auch die Anzeige der Messe wegen Hausfriedensbruch prüfen. Die TagesWoche zitierte dazu bereits mehrere Strafrechtsprofessoren, die nicht davon ausgehen, dass die Messe Hausfriedensbruch geltend machen kann – weil es sich beim Messeplatz um einen öffentlich zugänglichen Platz handelt, den die Messe nicht gemietet hat, sondern für den sie lediglich ein zeitlich beschränktes Nutzungsrecht geniesst.

Die TagesWoche hat zum umstrittenen Polizeiansatz gegen «Favela» an der Art ein Dossier eröffnet. Dort finden Sie Videos und sämtliche Artikel zum Thema.

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