Popstars feiern die Royals

Eine schillernde Angelegenheit: Für das Jubiläumskonzert zu Ehren der britischen Königin Elizabeth warfen sich Musikstars wie Robbie Williams, Tom Jones oder Paul McCartney in Schale. Schal waren aber leider auch manche Beiträge – zum Beispiel jener von Tätschmeister Gary Barlow mit Sir Andrew Lloyd Webber. Zehntausende Besucher applaudierten dennoch begeistert.

Beflügelt: Annie Lennox sang «There Must Be An Angel». (Bild: IAN WEST / PA WIRE)

Eine schillernde Angelegenheit: Für das Jubiläumskonzert zu Ehren der britischen Königin Elizabeth warfen sich Musikstars wie Robbie Williams, Tom Jones oder Paul McCartney in Schale. Schal waren aber leider auch manche Beiträge – zum Beispiel jener von Tätschmeister Gary Barlow mit Sir Andrew Lloyd Webber. Zehntausende Besucher applaudierten dennoch begeistert.

Es begann vielversprechend: Schottische Trommeln wirbelten zum Auftakt in militärischer Manier, Trompeten sandten Fanfaren in den Londoner Himmel und ein übermütiger Robbie Williams sprang 19.30 Uhr auf die Bühne: «Let Me Entertain You» schrie er Tausenden Besucherinnen und Besuchern zu, die zu diesem Open-Air-Konzert anlässlich des diamantenen Kronjubiläums der britischen Königin erschienen waren. So überdreht war Robbie Williams, dass er mitunter das Singen seinem Chor überliess und stattdessen das Publikum anfeuerte. Was ihm bestens gelang. Auf der Tribüne klatschte auch der britische Adel mit und wedelte wie das Fussvolk hier und dort mit Fähnchen, die mit dem «Union Jack» bedruckt waren. Ob die Royals ebenso jenen kurzen Moment erhaschten, als sich Robbie Williams in den Schritt griff?

Naja, für einen Skandal reichte das sowieso nicht. Solche hatte das Protokoll auch nicht vorgesehen. Im Gegenteil: Unter der Ägide von Gary Barlow (Take That) wurde an der über dreistündigen Gala gefeilt und möglichst nichts dem Zufall überlassen. Selbst die Gags der zahlreichen Moderatoren waren grösstenteils einstudiert und abgesegnet worden – kein Ricky Gervais, der – wir erinnern uns – als Moderator an den Golden Globes einige Hollywood-Titanen beleidigte.

Kalauer und Gassenhauer

Immerhin: Man musste nicht ganz auf britischen Humor verzichten. Komiker Rob Brydon sagte mit Blick zur königlichen Tribüne: «Ich sollte als Royal auch da sitzen: Ich schaue – und der Mann meiner Tante war auch eine Queen!» 

Die wahre Königin liess sich zunächst nicht blicken. Wohl aber ihre Nachkommen wie Prince Charles und Edward sowie die Enkel William und Harry. Ein royales Viertel sass auch zuhinterst auf der Ehrentribüne: Brian May, mittlerweile in Ehren ergrauter Gitarrist der Rockgruppe Queen, verfolgte das Schaulaufen aus Distanz, nachdem er seine Axt vor zehn Jahren auf dem Dach des Buckingham Palasts geschwungen hatte.

Was sie zu hören bekamen, war von unterschiedlicher Qualität: Ein Pop- und Klassik-Chrüsimüsi aus den vergangenen 60 Jahren. Während der US-amerikanische Black Eyed Pea will.i.am die Menge zum Tanzen brachte, bot Sir Cliff Richard ein laues Medley Hits, die ihn noch älter aussehen liessen als er war. Der Beitrag einer Boygroup war so mau, dass wir guten Gewissens kurz austraten – und ihren Namen sowieso gleich wieder vergassen. Der virtuose Pianist Lang Lang schien sich dermassen auf seine Virtuosität zu verlassen, dass die musikalische Qualität in den Hintergrund rückte. Und irgendein Bariton intonierte ein kitschiges «O Sole Mio» (oder wars etwa Elvis himself?) – was nur noch von einem völlig vernachlässigbaren Lied von Gary Barlow und Sir Andrew Lloyd Webber unterboten wurde. Ihr eigens komponierter Beitrag überzog die einbrechende Nacht mit einer dicken Schicht Sülze – als hätte das nicht schon gereicht, sangen auch noch Kinder mit, diese obligaten Kinder mit ganz grossen Kulleraugen und zitternden Stimmen, die irgendjemand mal bei solchen Events zum Pflichtprogramm erklärt hat. Weshalb griff da Paul McCartney nicht ein und stürmte mit «Help!» die Bühne? Man hätte es sich gewünscht.

Die Queen verpasst «Delilah» 

Zum Glück gab es aber auch einige Glanzpunkte, die das TV-Ereignis sehenswert machten: Grace Jones etwa betörte mit «Slave To The Rhythm», zu dem sie den Hula-Hoop-Reifen schwingen liess und eindrücklich demonstrierte, dass die weitaus jüngere Kylie Minogue im Grunde einpacken kann. Da war auch Tom Jones, der Tiger von Wales, der eine herrliche Version von «Delilah» anstimmte, zuerst ganz langsam und ruhig von Flamenco-Gitarren und Handclaps begleitet, sich dann in ein feuriges Mariachi-Finale steigerte. Wunderbar! 

Nach seinem Auftritt erst tauchte «Her Majesty» in der «Royal Box» auf, was den Komiker Lenny Henry zum Spruch verleitete: «Majestät, Sie haben gerade Tom Jones verpasst – und dabei wohnen Sie doch gleich nebenan!» Daraufhin erschien Robbie Williams ein zweites Mal an diesem Abend und erinnerte an die Zeit von Elizabeths Krönung, indem er beswingt «Mack The Knife» im Big-Band-Sound darbot.

Es gab auch ein Wiedersehen mit einigen Popstars, bei denen man glaubte, sie hätten die Karriere ganz auf Eis gelegt: Annie Lennox etwa fiel mit einem Engelskostüm auf – und mit ihrer Stimme: Ihren Eurythmics-Hit «There Must Be An Angel» packte sie in ein prächtiges Arrangement und klang dabei wie ein verrauchter Engel. Shirley Bassey, die Frau mit der goldenen Stimme für Bond-Soundtracks, sang passenderweise «Diamonds are forever» – allerdings kämpfte sie mit hochkarätigen Intonationsproblemen. Autotune hätte da sicher mehr geholfen als ein Diadem.

«Our House» auf dem Palastdach

Nicht nur die Bühne vor dem Palast wurde bespielt, sondern auch das Dach der Queen: Madness sangen dort oben «Our House». Ein besonders kurioser Akt, entstammt die Band doch der linken Szene der 70er-Jahre und lebte damals zum Teil in besetzten Häusern. Da verwunderte es schon ein bisschen, dass sie sich für diesen aristokratischen Anlass einspannen liessen. Immerhin wurde zu ihrer Darbietung der Palast illuminiert: Szenografen tauchten die Fassade dabei auch kurz in ein Working-Class-Backsteinhaus. Wer wollte, konnte in diesem Bruchteil einer Sekunde leise Sozialkritik herauslesen. 

Elton John wiederum begann seinen Miniauftritt auf der Bühne mit «I’m Still Standing» – einem Lied, das auch zur Bootsparade am Sonntag gepasst hätte, als sich die Jubilarin auf der Barke partout nicht hinsetzen wollte. Sir Elton forderte die Queen ordentlich heraus – und zwar mit seinem Outfit, einem pink-schillernden Kostüm und seiner pinken Brille – nicht etwa mit «Candle In The Wind». Dieses Lied hätte man ihm wohl eh untersagt. Schliesslich galt es, die Königin zu feiern und nicht der Prinzessin nachzutrauern.

Prince Charles gratuliert seinem «Mami»

«Die Königin macht ihren Job seit 60 Jahren so gut – man könnte meinen, sie sei für diese Aufgabe geboren», scherzte einer der Moderatoren – und brachte damit selbst Prince Charles zum Lachen. Nach Stevie Wonder brachte Sir Paul McCartney schliesslich auch die Adligen dazu, aus den Sesseln zu springen, Prinzessin Anne etwa klatschte begeistert zu «All My Lovin’» mit. Kein Wunder, war sie doch zu Beatlemania-Zeiten Teenagerin. 

Nach drei Stunden und einem finalen «Ob-la-di Ob-la-da», zu dem die unzähligen Stars in corpore mitsangen, erschienen Charles und Queen Elizabeth II. auf der Bühne. «Your Majesty», sagte Charles, «Your Majesty», wiederholte er. «Mummy …» Zwei Silben reichten an diesem Abend für den grössten Lacher. Und alle lachten sie, Paul McCartney, Kylie Minogue und Tausende im Publikum. Alle ausser die angesprochene Mutter, die ob dieser familiären Note not amused schien. Charles gratulierte ihr zum Jubiläum, dankte ihr für ihr Engagement, den Musikern und den 600 Technikern im Hintergrund dieses Gala-Konzerts. «Das einzige Traurige an diesem Abend ist, dass mein Vater nicht hier sein kann», sagte er am Ende. Prinz Philippe blieb fern, nachdem er mit einer Blasenentzündung hospitalisiert werden musste. Das Publikum munterte den Abwesenden mit Jubelrufen auf – und sang daraufhin ein Hip-Hip-Hooray für Ihre Majestät, die Queen. Mit standesgemässen Hymnen und Feuerwerken wurde der dritte Jubiläumstag schliesslich beschlossen. 

Nächster Artikel