Populistischer Leerlauf

Die «Anti-Bürokratie-Initiative» des Freisinns droht zu scheitern. Bis zum Abgabetag dürfte die FDP kaum genügend Unterschriften beisammen haben. Das passt ins Bild einer Partei im rasanten Niedergang.

Da glaubten sie noch, das Thema würde den Leuten unter den Nägeln brennen: Die FDP-Nationalräte Philipp Müller, Peter Malama und Parteipräsident Fulvio Pelli bei der Lancierung der «Bürokratie-Stopp»-Initiative Ende 2010. (Bild: Keystone)

Die «Anti-Bürokratie-Initiative» des Freisinns droht zu scheitern. Bis zum Abgabetag dürfte die FDP kaum genügend Unterschriften beisammen haben. Das passt ins Bild einer Partei im rasanten Niedergang.

Nur zwei Tage nach der Osterpause sollte die FDP eigentlich ihre Initiative namens «Bürokratie-Stopp» am nächsten Donnerstag 12. April bei der Bundeskanzlei in Bern mit 100’000 gültigen Unterschriften einreichen. Doch im Bundeshaus hat der Freisinn noch keinen Termin anbegehrt. Und der Grund ist klar: Das Unterfangen droht kurz vor dem Ziel zu scheitern. «Es wird sehr knapp», lässt sich FDP-Sprecher Noé Blancpain zitieren. Nur eine Woche vor dem Termin hat das FDP-Sekretariat nämlich nur knapp 100’000 Unterschriften beisammen. Und normalerweise braucht es drüber hinaus noch 10’000 als «Reserve» – für doppelte und ungültige, die rausfallen: Die Sache ist auf Messers Schneide.

Leerformeln…

Dabei hatte die Partei, welche die Initiative als Wahlkampfschlager lancieren wollte, 18 Monate Zeit zum Sammeln der Unterschriften. Dass das hart ging, wundert indes wenig: Mit der Forderung, «dass Gesetze verständlich sind und einfach, unbürokratisch und effizient angewandt werden», will der Freisinn nämlich Selbstverständliches in die Bundesverfassung schreiben. Nebst derlei populistischen Leerformeln fordert die Initiative zudem, «Verwaltungen und Gerichte» sollten «ihre Angelegenheiten schnell, einfach und unbürokratisch behandeln». Und dabei «insbesondere die Anliegen der Kleinst- bis mittelgrossen Unternehmen berücksichtigen».

…und Widersprüche

Das sind nicht nur schwammige Floskeln, sondern auch Widersprüche: Wo offizielle Funktionäre «schnell» und «effizient» arbeiten sollen, gilt es die Bürokratie wohl eher zu beschleunigen, als sie zu stoppen. Und wenn auf der FDP-Homepage rasendschnell vorgerechnet wird, wieviele Millionen und Milliarden «die Bürokratie» seit Anfang 2011 «uns gekostet» habe, dann fällt der Dümmste nicht darauf herein: Er weiss ganz genau, dass es bei gewissen Amtsstellen eher mehr, als weniger Geld bräuchte, wenn diese rasch und effizient arbeiten sollen.

Und auch: Dass gerade der Freisinn umgekehrt etwa im Militärbereich Milliarden für bürokratischen Unfug wie elektronische Führungssysteme verschwenden half.
Dass die vage formulierte Initiative ihrerseits gleich wieder viel bürokratischen Leerlauf verursachen wird, liegt ebenfalls auf der Hand. Sollte das Volksbegehren scheitern, wird es auch für die freisinnigen Initianten selber zu einem weiteren Fiasko und damit zu einem publizistischen Bumerang.

Schrumpf-Partei Freisinn

Damit stünde dann auch die «Initiativ- und Referendumsfähigkeit» der einst «staatstragenden» Gründerpartei des liberalen Bundesstaates von 1848 in Frage. Diese Fähigkeit ist ein wichtiger Gradmesser für die Gestaltungskraft politischer Organisationen. Die Kraft schwindet bei der FDP seit Jahren schon allenthalben permanent: Mit bloss noch 15,1 Prozent hat ihr Wähleranteil bei den Nationalratswahlen im letzten Oktober einen historischen Tiefpunkt erreicht.

In den kantonalen Parlamenten ist die FDP-Vertretung in den letzten 20 Jahren von insgesamt 735 auf bloss noch 513 Mandate geschrumpft. Stärkste Partei ist auch da, wie auf Bundesebene, jetzt die SVP, die im gleichen Zeitraum von 297 auf 552 Mandate zulegen konnte. Nur die CVP verlor kantonal noch mehr als der Freisinn: Die Christlichdemokraten stellten 1991 total 760 kantonale Parlamentarier – jetzt noch 472. Die SP krebste derweil von 540 auf 458 kantonale Mandate. Angesichts der vielerorten verkleinerten Parlamente blieb sie indes ungefähr konstant.

Freisinn exekutiv klar übervertreten

Mit diesem allgemeinen Machtverlust der FDP kontrastiert auf allen Ebenen ihre massive Übervertretung in den Exekutiven. Auf Bundesebene stellt die Partei immer noch 2 von 7 Mitgliedern der Landesregierung. Und in den kantonalen Regierungen ist sie mit insgesamt 43 Regierungsräten klar am besten vertreten. Der CVP gehören 40 von insgesamt 156 Regierungsräten an. Der SP 32 und den Grünen doch schon 10. Mit nur 19 Regierungsmännern ist hingegen die sonst stärkste SVP kantonal klar untervertreten – gleich wie im Bundesrat mit nur einem Mandat.


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