Am Sonntag wählt die Ukraine ein neues Parlament. Präsident Petro Poroschenkos Parteienbündnis wird die Wahl wohl klar gewinnen. Die «Volksrepubliken» im Osten halten eine Woche später ihre eigenen Wahlen ab.
Ganz Kiew ist gepflastert mit Wahlplakaten, im Fernsehen laufen rund um die Uhr Wahlwerbespots, und in den Talkshows kämpfen die Kandidaten mit harten Bandagen um die Wählerherzen. Am kommenden Sonntag wählt die Ukraine ein neues Parlament, und alles scheint wie immer.
Das gilt auch für die Praxis der Wählerbestechung, die massiv angewendet wird. Kandidaten asphaltieren Straßen, schenken Kindergärten Spielplätze oder verteilen Essenspakete. Viele Politiker sehen die Wahl als letzte Chance, einer Strafverfolgung zu entgehen.
Umgerechnet «mindestens zwei bis drei Millionen US-Dollar» gebe jeder Kandidat aus, schätzt Witalij Teslenko, Direktor des «Ukrainischen Wählerkomitees». Ein Drittel bis die Hälfte davon werde in «Wahlgeschenke» investiert.
Das Bündnis mit dem Boxer
Geändert hat sich jedoch die politische Landschaft des Landes. In den vergangenen zehn Jahren dominierte die Konkurrenz zwischen der «Partei der Regionen» und einer eher westukrainisch geprägten Partei den Wahlkampf. An diesen Wahlen nimmt die durch die Flucht von Wiktor Janukowitsch delegitimierte «Partei der Regionen» jedoch nicht mehr teil. Stattdessen wird dem Parteienbündnis von Präsident Petro Poroschenko ein deutlicher Sieg vorhergesagt.
Poroschenkos eigene Partei «Solidarnost» ist unbedeutend, aber sie hat sich mit «UDAR» verbündet, der Partei von Vitali Klitschko, die landesweit über einen funktionsfähigen Parteiapparat verfügt. Laut Umfragen wird der «Block Poroschenko» mit 30 bis 40 Prozent mit Abstand die stärkste Kraft im Parlament.
Die Stärke der Präsidentenpartei ist auf Poroschenkos Friedenskurs zurückzuführen: Zwar wird im Osten noch immer um einzelne strategisch wichtige Punkte gekämpft. Aber die im September in Minsk zwischen Kiew, Moskau und den Separatisten getroffenen Waffenstillstands-Vereinbarungen haben das Land dem Frieden einen großen Schritt näher gebracht.
Wenig Chancen für die Kommunisten
Von den 28 Parteien, die bei den Wahlen antreten, werden neben Poroschenkos Partei nur vier oder fünf über die Fünf-Prozent-Hürde kommen. Zweitstärkste Kraft wird wohl die «Radikale Partei» von Oleh Ljaschko, der mit seinen nationalistischen und populistischen Losungen wohl auf über zehn Prozent kommen wird.
Benötigt Poroschenkos Partei einen Koalitionspartner, wird dies wohl die «Volksfront» sein, die Partei des jetzigen Premierministers Arsenij Jazenjuk. Dieser hatte sich im Sommer mit seiner Partei von Julia Timoschenko losgesagt.
Das Erbe von Janukowitschs «Partei der Regionen» treten die Partei des Milliardärs Sergej Tigipko, der «Oppositionelle Block», und die Kommunistische Partei an. Auf deren Listen stehen die meisten ehemaligen «Regionalen». Keine der drei Parteien wird jedoch als politische Kraft bedeutsam sein. Insbesondere die Kommunistische Partei steht unter Druck: Im Juli löste Poroschenko die Parlamentsfraktion der Partei auf, ein Verbotsantrag wegen angeblicher Unterstützung der Separatisten liegt im Justizministerium.
Keine Wahlen auf der Krim
Vor der Wahl kam es immer wieder zu Gewalt, und zwar ausschließlich gegenüber Angehörigen des früheren Regimes. In Odessa wurde Nestor Schufritsch, Abgeordneter der «Partei der Regionen», vor der Regionalverwaltung von einem nationalistischen Mob brutal verprügelt. Mehrfach warfen militante Nationalisten frühere Angehörige des Regimes in Mülleimer. Verantwortlich zeichneten Angehörige des «Rechten Sektors», auch der Radikale Oleh Ljaschko legt gerne selbst Hand an.
In den von den Separatisten besetzten Gebieten im Osten des Landes und auf der Krim werden die Parlamentswahlen nicht stattfinden, das hat die ukrainische Wahlkommission schon eingestanden. Etwa 30 der 450 Sitze bleiben deshalb vakant. Die Führung der selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk organisiert am 2. November eigene Wahlen. Aus den Parlamenten der zwei Volksrepubliken soll dabei auch ein «Parlament Neurusslands» entstehen.
Beobachter erwarten, dass sich bei den Wahlen in den «Volksrepubliken» deren jetzige Führer durchsetzen werden. Konkurrenten droht die physische Ausschaltung. So wurde Mitte Oktober das Auto von Pawel Gubarjew, der sich im Frühjahr zum Volksgouverneur erklärt hatte, beschossen. Gubarjew überlebte schwer verletzt und liegt seitdem in einem Krankenhaus in Südrussland.
Präsident Poroschenko hat klargemacht, dass er diese Wahlen nicht anerkennen wird. Stattdessen bietet Kiew den beiden Gebieten Kommunalwahlen für den 7. Dezember. Eine Durchführung erscheint jedoch unwahrscheinlich.