Ägypten hat ein neues Parlament ohne Opposition, das wie ein Mann hinter Präsident Abdelfattah al-Sisi steht. Die Bürger haben wenig Vertrauen in diese Volksvertretung. Sie sorgen sich um die ökonomische Entwicklung.
Der siebenwöchige Wahlmarathon ist zu Ende. Ägypten hat nach dreieinhalb Jahren wieder ein gewähltes Parlament. In der Zwischenzeit hatte das Staatsoberhaupt mit Dekreten regiert. Mehrere Hundert sind erlassen worden, mit denen das legale Gerüst des Regimes von Präsident Abdelfattah al-Sisi zementiert worden ist.
Eine ganze Reihe dieser Gesetze hatten die Einschränkung von Grundfreiheiten zur Folge, etwa das drastische Demonstrationsgesetz. Überraschungen bei den Wahlen sind ausgeblieben, sämtliche Prognosen eingetroffen. Das Wahlgesetz war so geschneidert, dass Geld und gesellschaftlicher Einfluss den Ausschlag gegeben haben.
Kopie des Mubarak-Parlamentes
Im neuen Repräsentantenhaus sind die Kräfte der Revolution des 25. Januar 2011 praktisch verschwunden, genauso wie die Vertreter des politischen Islam, die bei den ersten Wahlen nach der Revolution 2012 noch 70 Prozent der Sitze gewonnen hatten. Nur ein knappes Dutzend Salafisten der al-Nour-Partei haben Mandate errungen. Auch die Linke ist auf eine Handvoll Abgeordnete zusammen geschrumpft. Die überwiegende Mehrheit wird von moderaten Kräften ohne klares politisches Profil besetzt. Ein Parlament ohne Farbe, Geschmack und Geruch, befand der Politologe Hassan Nafaa von der Kairo-Universität.
Sein Charakter gleicht dem Parlament unter Hosni Mubarak. Angefangen bei der grossen Zahl von Wahlgewinnern – mindestens ein Viertel –, die früher in der inzwischen aufgelösten Mubarak-Partei (NDP) aktiv waren; Geschäftsleute, Politiker und Abgeordnete. Darunter sind auch hochkarätige Figuren wie ehemalige Minister und oder Business-Tycoons, die zum Netzwerk um Mubarak-Sohn Gamal gehörten.
Es sieht nicht so aus, als ob dieses Parlament seine Kontrollfunktion ausüben wird.
Die NDP-Leute traten nicht nur als Unabhängige an, sämtliche Parteien schmückten sich mit diesen bekannten Namen, die vor allem Partikluarinteressen vertreten. Deshalb sagt auch das Ergebnis der drei erfolgreichsten Parteien – alle im ägyptischen Sinn liberal – nichts über ihre tatsächliche Stärke oder ihre Verankerung in der Bevölkerung aus. Keine hat ein klares politisches Profil oder Programme zur politischen, gesellschaftlichen und ökonomischem Entwicklung. Viele Kandidaten traten erst kurz vor dem Urnengang einer Partei oder einer Listenverbindung bei. Stimmenkauf war wieder weit verbreitet.
Sämtliche Kräfte im neuen Parlament teilen die vorbehaltlose Unterstützung des Präsidenten und seiner deklarierten Absicht, den Terror zu bekämpfen und Stabilität zu garantieren. Graduelle Unterschiede gibt es noch am ehesten in ökonomischen Fragen. Nicht alle der gewählten Geschäftsleute schätzen, dass Staat und Armee sich in der Wirtschaft zunehmend breit machen. Die Koalition «Aus Liebe zu Ägypten» – ein dezidiertes Pro-Sisi-Bündnis – wird versuchen, im Parlament eine Zweidrittelmehrheit zu zimmern, nicht nur um die Regierung zu benennen, sondern auch um auch in der Lage zu sein, die Verfassung zu ändern, etwa die Befugnisse des Präsidenten zulasten des Parlamentes wieder auszubauen. Es sieht nicht so aus, als ob dieses Parlament seine Kontrollfunktion ausüben wird.
Deutliches Murren in der Bevölkerung
Vor allem die jungen Leute haben kein Vertrauen in die Volksvertretung und den politischen Prozess, der nach der blutigen Entmachtung der Muslimbrüder im Sommer 2013 von der Armee festgeschrieben wurde und mit dieser Wahl abgeschlossen ist. Er hat ein Regime hervorgebracht, das immer autoritärere Züge zeigt. Junge waren an den Urnen kaum auszumachen, wie überhaupt sich der Enthusiasmus bei einer Wahlbeteiligung von unter 30 Prozent in Grenzen hielt.
Die Menschen beschäftigt vor allem die andauernde Wirtschaftskrise mit rasant steigenden Preisen und einer hohen Arbeitslosigkeit. Nach dem neuerlichen Einbruch im Tourismus nach dem Absturz der russischen Chartermaschine werden wieder Tausende junge Leute ihren Job verlieren. In der Bevölkerung ist bereits ein deutliches Murren zu vernehmen.
Noch wird keine laute Kritik geübt, etwa an der Tatsache, dass Sisis Mammutprojekte wie der Suez-Kanal noch nicht die versprochene Wirkung gezeigt haben. In diesen Tagen lässt der Präsident im ganzen Land in grossem Stil aus Dutzenden Lastwagen verbilligte Lebensmittel aus Armeebeständen verkaufen. Diese Pflästerchen werden aber nicht mehr lange ausreichen, um den verbreiteten Unmut vor allem unter den hoffnungslosen und frustrierten Jugendlichen zu besänftigen.