Präsident Sisi versucht den Korruptionssumpf auszutrocknen

Auf Geheiss des Präsidenten musste der ägyptische Landwirtschaftsminister den Hut nehmen und wurde wegen Korruptionsvorwürfen verhaftet. Der Fall ist nur die Spitze des Eisberges. Korruption am Nil ist allgegenwärtig und eines der wichtigsten Hemmnisse für die Entwicklung.

epa04863000 A handout picture provided by the Office of the Egyptian Presidency shows the Egyptian President, Abdel Fattah al-Sisi, gazing out of a window at the new extension to the Suez Canal, Egypt, 27 July 2015. According to reports the 72 kilometer (44 mile) additonal lane to the Suez canal, completed in under a year at an estimated cost of 8.5 billion US dollars, is set to be inaugurated 06 August, and will cut journey times from 22 hours to 11 hours, making it the fastest shipping lane of its kind worldwide. EPA/OFFICE OF THE EGYPTIAN PRESIDENT / HANDOUT HANDOUT EDITORIAL USE ONLY/NO SALES

(Bild: OFFICE OF THE EGYPTIAN PRESIDENT / HANDOUT)

Auf Geheiss des Präsidenten musste der ägyptische Landwirtschaftsminister den Hut nehmen und wurde wegen Korruptionsvorwürfen verhaftet. Der Fall ist nur die Spitze des Eisberges. Korruption am Nil ist allgegenwärtig und eines der wichtigsten Hemmnisse für die Entwicklung.

Wer in Ägypten Behördengänge zu erledigen hat, weiss dass die Mühlen ohne Schmiermittel nur langsam oder gar nicht mahlen, egal ob für die Verlängerung des Führerscheins oder die Registrierung einer Wohnung. Bakshish in kleinen Scheinen für normale Angestellte, grosse Scheine oder noch besser ganze Bündel für leitende Beamte – etwa von Firmen für die Erteilung von Bewilligungen – sind so etwas wie eine inoffizielle Gebühr für staatliche Dienstleistungen.

Dabei gibt es von Behörde zu Behörde nur graduelle Unterschiede. Die administrative Korruption ist allgegenwärtig. Die neueste Statistik der «Partner für Transparenz», einer ägyptische NGO die Korruptionsfälle sammelt, zeigt, dass die «Spitzenpositionen» wechseln. Notorisch korrupt sind das Gesundheits- und das Landwirtschaftsministerium, wo auch die Entwicklung und Vergabe der riesigen Landreserven in den Wüsten angesiedelt ist.

Der Fall Hilal könnte nun eine ganze Lawine auslösen

Im Landwirtschaftsministerium hat Präsident Abdelfattah al-Sisi jetzt ein Exempel statuiert. Der Minister wurde gezwungen zurückzutreten. Salah Hilal wurde dann sofort zusammen mit mehreren hohen Funktionären verhaftet. Ihnen wird vorgeworfen, von einem Geschäftsmann Schmiergeldzahlungen verlangt zu haben, um ihm als Gegenleistung den illegalen Kauf eines grossen Landstückes zu legalisieren. Über die Details des Falls haben die Behörden eine Nachrichtensperre verhängt, bis die Untersuchungen abgeschlossen sind.

Viele Ägypter sind sich einig, dass es den Richtigen erwischt hat. Im Landwirtschaftsministerium arbeiten mehrere Hunderttausend Beamte, die den weitreichenden staatlichen Einfluss im Agrar-Sektor von der Düngerzuteilung bis zur Landvergabe organisieren. Es gibt viele Fälle, wo Agrarland unrechtmässig in Bauland umgewandelt wurde. Der Fall Hilal könnte nun eine ganze Lawine auslösen, denn jetzt sollen alle Landverkäufe der letzten Jahre – möglicherweise bis zurück in die 1990er-Jahre – aufgerollt werden.

Auch internationale Firmen werden von Beamten dieses Ministeriums regelmässig um Gefälligkeiten angegangen, wissen Betroffene. Sie unterliegen aber meist strikten Verhaltensvorschriften (compliance). Ein Ausweg ist nicht selten ein Angebot für Ausbildungsmassnahmen, die immerhin finanzielle Anreize wie Taggelder und Reisen enthalten.

Auslöser für die Revolution und selbst beim Bau des neuen Suez-Kanal möglich

Die grassierende Korruption war einer der Gründe für den Ausbruch der Revolution im Jahr 2011. Sie ist eine Facette der sozialen Ungerechtigkeiten. Damals waren die Hoffnung gross, dass mit tief greifenden Reformen in Staat und Verwaltung, dieses Problem angegangen, dass Transparenz und Verantwortlichkeit verbessert würden. Passiert ist nicht viel. Die meisten Gerichtsverfahren gegen Funktionäre aus der Mubarak-Ära und die mit ihnen verhängten Geschäftsleute endeten mit Freispruch oder nur geringen Strafen.

Transparency International sieht in ihrem Korruptionsindex für das Jahr 2014 Ägypten auf Platz 94 von 175 untersuchten Ländern und kommt zum Schluss, dass sich die Verantwortlichkeit in den vergangenen Jahren eher noch verschlechtert hat. Von einem solchen Klima fühlen sich ausländische Investoren nicht angezogen.

Sogar beim gigantischen Prestigeprojekt des neuen Suez-Kanals war mangelnde Transparenz ein Thema. Während bei den Grossaufträgen an der Spitze der Pyramide keine Klagen zu hören waren, wussten ägyptische Vertreter der Baubranche zu berichten, dass bei den vielen Sub- und Sub-Sub-Unternehmen die gängige Praxis herrschte; das heisst, wer einen Teil vom Kuchen wollte, musste zahlen.

Verhaftung könnte auch nur der Popularität dienen

Sisi reiht in fast allen seinen Reden den Kampf gegen die Korruption unter seine Prioritäten ein und die Regierung hat vor einigen Monaten eine Nationale Anti-Korruptionsstrategie auf den Weg gebracht. Konkrete Entscheide oder Aktionen zur Umsetzung seien allerdings keine erfolgt, stellte die One World Foundation kürzlich fest. Tatsächlich fehlt es nicht an Gesetzen und es gibt über zwei Dutzend Überwachungseinrichtungen.

Die Probleme liegen in der fehlenden Koordination und dem mangelndem Durchsetzungswillen. Sisi hat zudem im Juli ein umstrittenes Dekret erlassen, als er sich selbst die Kompetenz einräumte, die Chefs der wichtigsten Aufsichtsbehörden zu entlassen und damit ihre Unabhängigkeit einschränkte. Ob mit der Verhaftung Hilals wirklich ein systematisches Aufräumen beginnt oder nur ein Bauernopfer gesucht wurde, um die Popularität des Präsidenten hochzuhalten, wird sich deshalb erst noch zeigen müssen.

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