Terror von Jemen bis Libyen und Bedrohungen für internationale Wasserstrassen wie den Suezkanal haben den Ruf nach einer Arabischen Armee laut werden lassen. Am Wochenende befasst sich die Arabische Liga mit diesem Thema. Die Idee findet Anklang – einer schnellen Umsetzung stehen allerdings viele Einzelinteressen im Weg.
Einige Dutzend Demonstranten haben in der libyschen Stadt al-Badya am letzten Wochenende für die Aktivierung des gemeinsamen Arabischen Verteidigungspaktes demonstriert. Die Idee einer «Arabischen Armee» hat in den vergangenen Monaten in der Region viel Zuspruch gefunden. Am Gipfel der Arabischen Liga (AL) am kommenden Wochenende im ägyptischen Badeort Sharm el-Sheikh wird sie das beherrschende Thema sein. Wichtigster Promotor ist Ägyptens Präsident Abdelfattah al-Sisi.
Sisi hat den Vorschlag in den letzten Wochen bereits mit mehreren arabischen Führern diskutiert. In den Satzungen der Arabischen Liga gibt es zwar einen Arabischen Verteidigungspakt, der ist aber bisher toter Buchstabe geblieben. Mit der zunehmenden Gefahr durch den Terror des Islamischen Staates (IS), der auch eine Bedrohung für strategisch wichtige Wasserstrassen wie den Suez-Kanal oder Bab al-Mandab, die Meerenge zwischen Jemen und Afrika werden könnte, kam nach Ansicht vieler Kommentatoren die Idee einer arabischen Anti-Terror-Truppe zur richtigen Zeit.
Die Gefahr ist grenzüberschreitend und Experten befürchten, dass es in Nordafrika bald eine Nahtstelle zwischen IS und Boko Haram geben könnte. Der Vorschlag einer «Arabischen Armee» ist auch eine Reaktion auf Rufe nach einer ausländischen Intervention in Libyen und im Jemen.
Die Idee einer arabischen Anti-Terror-Truppe kommt zur richtigen Zeit.
Unterstützung für eine multi-funktionale schnelle Eingreiftruppe kam bisher insbesondere aus Saudi-Arabien, Kuwait, den Arabischen Emiraten und Jordanien. Wie dieser kollektive arabische Sicherheitsmechanismus aussehen könnte, darüber gibt es bisher allerdings recht unterschiedliche Vorstellungen. Den Kern würden wahrscheinlich ägyptische, jordanische und Kräfte aus den Emiraten bilden.
Ägypten, das in den letzten Monaten umfangreiche Waffenkäufe in Frankreich und Russland getätigt hat, hat mit einer bis eineinhalb Millionen die weitaus grösste Truppenstärke in der Region. während die Armeen in den Golfstaaten vor allem über modernste Militärtechnologie verfügen. Kairo ist als Kommandozentrale im Gespräch. Für den ägyptischen Präsidenten ist der Vorstoss auch ein Mittel, um die strategische Bedeutung seines Landes für die Region zu unterstreichen.
Skepsis aus dem Westen
Westliche Militärexperten zeigen sich im Gespräch allerdings skeptisch, ob sich das Projekt einer derartigen gemeinsamen Truppe schnell realisieren lässt. Die Armeen der einzelnen Ländern sind nicht interoperabel, das heisst Ausrüstung, Ausbildung, Strategie und Führungskultur sind völlig verschieden. Es fehlt an gemeinsamen Kommunikationseinrichtungen.
Die heikelste Frage ist wohl jene nach dem Kommando. Es gibt begründete Zweifel, dass Soldaten und Militärführung aus einem Land Befehle von Kommandanten eines andern Landes akzeptieren würden. Heikel ist auch die Regelung, wer das Mandat und den Einsatzbefehl erteilt. Auf der politischen Ebene sollte in der Theorie die AL für das Mandat verantwortlich sein. Tatsächlich gehen aber tiefe Gräben durch die arabische Dachorganisation, die in diesem Jahr ihr 70-jähriges Bestehen feiert. Es würden viele lokale Empfindlichkeiten bestehen, bemerkte der Analyst einer grossen arabischen Tageszeitung.
Zusammenarbeit in einzelnen Teilbereichen, etwa gemeinsame Seemanöver von ägyptischen und saudischen Einheiten im Roten Meer, um Spezialkräfte zu trainieren, gibt es schon heute. Die Staaten des Golfkooperationsrates haben zudem bereits seit 1982 mit den Peninsula Shield Forces eine gemeinsame Eingreiftruppe. Ende 2013 haben Bahrain, Kuwait, Oman, Katar, Saudi-Arabien und die Emirate beschlossen, die militärische Kommandostruktur der See- Land- und Luftstreifkräfte zu vereinheitlichen. Das Militärkommando wird 100’000 Mann zur Verfügung haben, die Hälfte davon aus Saudi-Arabien. Peninsula Shield Kräfte haben während des Arabischen Frühlings 2011 geholfen, die Demonstrationen gegen den König von Bahrain niederzuschlagen.
Strategische Differenzen
Eine viel diskutierte Variante ist deshalb eine «golf-ägyptische» Truppe, die eine Erweiterung von Peninsula-Shield um Ägypten vorsieht. Aber auch eine solche Lösung, werde nicht schnell zu realisieren sein, weil erst viele Details geklärt werden müssten, sagen Militärexperten voraus. Trotz der neuen Bedrohungslage wird eine neue Sicherheitsarchitektur in der Region nicht so bald stehen. Zentrale Akteure wie Saudi-Arabien und Ägypten haben ganz unterschiedliche Prioritäten.
Das Königreich möchte vor allem die sunnitischen Länder – inklusive die Türkei – in einer Allianz zusammenbringen, um den Iran und seine regionalen Stellvertreter in die Schranken zu weisen. Für Ägypten steht dagegen der Kampf gegen den Terror im eigenen Land und in Libyen im Vordergrund.