Präsident Sisis Propaganda-Maschine fährt mit Volldampf voraus

Mit grossem Pomp, viel Pathos und Gästen aus der ganzen Welt wird am Donnerstag der erweiterte Suezkanal eröffnet. Das Prestige-Projekt hat neben seiner ökonomischen Bedeutung vor allem den Zweck, das Ansehen von Präsident Sisi und seiner Armee zu stärken.

Zehn Prozent des Welthandels gehen durch den Suezkanal.

(Bild: Astrid Frefel)

Mit grossem Pomp, viel Pathos und Gästen aus der ganzen Welt wird am Donnerstag der erweiterte Suezkanal eröffnet. Das Prestige-Projekt hat neben seiner ökonomischen Bedeutung vor allem den Zweck, das Ansehen von Präsident Sisi und seiner Armee zu stärken.

Kaum ein Superlativ reicht aus. Als Wunder wie der Pyramidenbau, Zeitwende oder Game Changer bezeichnen ägyptische Politiker und Journalisten den «neuen Suezkanal» regelmässig. Der «neue Suezkanal» ist vor allem eine Erweiterung der 72 Kilometer langen internationalen Wasserstrasse auf einen kreuzungsfreien Betrieb.

Auf Befehl von Präsident Abdelfattah al-Sisi wurden die Arbeiten in einem statt in drei Jahren ausgeführt, planmässig beendet und der Probebetrieb aufgenommen. Am Donnerstag geht die pompöse Eröffnungsfeier in Ismailia, dem Sitz der Suezkanal-Behörde, über die Bühne. Mit mehreren Tausend Gästen aus der ganzen Welt und Reminiszenzen ans Eröffnungsjahr 1869 wie einer Arie aus der Oper «Aida» und der königlichen Yacht Mahroussa. Wo einst Kaiserin Eugénie die Schiffsparade anführte, steht jetzt Präsident Sisi.

Erfolgserlebnis stärkt Nationalstolz

Der Suezkanal zwischen dem Roten Meer und dem Mittelmeer.

Der Suezkanal zwischen dem Roten Meer und dem Mittelmeer. (Bild: Wikipedia/CC)

Aus «Aida», die für die Eröffnung vor 1969 komponiert, aber nicht rechtzeitig fertig geworden war, wird die Siegesszene aus dem zweiten Akt aufgeführt. Sie reflektiere die Stärke und Entschlossenheit der grossen, ägyptischen Armee angesichts brutaler Kräfte, die versuchen die Sicherheit des Landes zu kompromittieren und es zu beschmutzen, erklärte Operndirektorin Ines Abdel Dayem diese Auswahl. Bezahlt wurde das 30 Millionen Dollar teure Spektakel unter dem Motto «Ein Geschenk Ägyptens an die Welt» aus Spenden der am Bau beteiligten in- und ausländischen Firmen.

Mit dieser geschichtlichen Verknüpfung will Sisi die Bedeutung dieses Mega-Projektes unterstreichen. Für den ägyptischen Nationalstolz spielt der Suezkanal eine herausragende Rolle. Den Stolz auf diese ausserordentliche Leistung spürt man in diesen Tagen bei allen Ägyptern.

Die Idee, den Suezkanal auszubauen und entlang dieser Achse zwischen dem Roten Meer und dem Mittelmeer eine Wirtschaftszone einzurichten, hatten vor Sisi schon mehrere Präsidenten verfolgt. Bei den Muslimbrüdern war das ein zentrales Vorhaben ihres Wirtschaftsprogrammes, aber die Armee hatte sich quergestellt. Unter Sisi ist sie jetzt in dieser sensiblen Region selbst Bauherrin, hat die technische Oberaufsicht und bestimmt etwa, dass die Strassentunnels unter dem Kanal so breit sein müssen, dass sich auch zwei Panzer problemlos kreuzen können.

Der Präsident als erfolgreicher Macher

Gefeiert wird im ganzen Land mit Dutzenden von Veranstaltungen, etwa auch am Fuss der Pyramiden, mit Sondermarken, goldenen Gedenkmünzen und viel Feuerwerk. Die Regierung hat den Donnerstag zum Feiertag erklärt. Nicht nur, um den Menschen eine Freude zu bereiten, sondern vor allem auch um den 10’000 Polizisten und 230’000 Soldaten, die für die Sicherheit verantwortlich sind, ihre Aufgabe zu erleichtern. In ganz Ägypten herrscht aus Angst vor Anschlägen die höchste Sicherheitsstufe. Die Islamisten wollten Sisi diesen Triumph nicht gönnen, begründete in Kairo ein Geschäftsmann diese Befürchtungen.

In der Frage, ob die Suezkanal-Erweiterung ökonomisch Sinn macht und die geschätzten 8,5 Milliarden Dollar gut investiert sind, setzen Ökonomen ein Fragezeichen. Sisi wollte vor allem beweisen, dass er in der Lage ist zu liefern und etwas zu bewegen, und zwar schnell. Am Freitag wird dann auch in allen Moscheen die Predigt unter dem Motto «Der Suezkanal-Erfolg – ein Modell von Willenskraft und harter Arbeit» stehen.

Mit der Erweiterung – die Hälfte der 72 Kilometer wurden neu gebaut, der Rest ausgebaut – wird die Kapazität von 49 auf 97 Schiffe pro Tag verdoppelt und die Fahrzeit von 22 auf 11 Stunden halbiert. Die Einnahmen sollen sich laut Prognosen bis ins Jahr 2023 von heute jährlich 5,5 Milliarden auf 13,5 Milliarden Dollar mehr als verdoppeln. Dazu muss aber der Welthandel entsprechend wachsen. Heute nehmen etwa zehn Prozent des Welthandels und 22 Prozent aller Container den Weg durch diese internationale Wasserstrasse.

Schwung für neue Mega-Projekte

Der neue Kanal ist aber nur das Herzstück einer gigantischen Wirtschaftszone, die zwischen Suez und Port Said geplant ist. Hier soll ein weltweit führendes Logistikzentrum entstehen und sich Produktionsbetriebe aus den verschiedensten Branchen niederlassen, um bis 2030 eine Million Arbeitsplätze zu schaffen. Dazu müssten internationale Interessenten viele Dutzend Milliarden investieren.

Ägypten soll zurück auf die Weltkarte der Investoren, lautet die Devise. Das lässt sich nicht mehr einfach befehlen, da müssen die ökonomischen Voraussetzungen stimmen und andere Hemmnisse wie politische Instabilität, Sicherheitsprobleme, mangelnde Rechtssicherheit, lähmende Bürokratie oder Korruption beseitigt werden.

Der Schwung und die Euphorie aus dem Kanalbau sollen aber mitgenommen werden. Deshalb wird der Präsident am Donnerstag gleich weitere Mega-Projekte und die ersten Schritte zur Umsetzung der Kanal-Wirtschaftszone ankündigen.

Der Suez-Kanal in Zahlen (Quelle: statista.com)

  • Länge: 193,3 Kilometer
  • Breite (Süd): 280 Meter
  • Breite (Nord): 345 Meter
  • Tiefe: 24 Meter
  • Schiffspassagen (2010): 17’993
  • Schiffspassagen pro Tag (2010): 49
  • Fracht in Millionen Tonnen (2010): 846

Eine schöne Auswahl an Bildern, alten Karten und alten Plänen sind bei Wikipedia einsehbar.

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