Pratteln öffnet die Tore seiner Zivilschutzanlage, damit in Basel keine Flüchtlinge mehr auf der Strasse übernachten müssen.
Mehrere Dutzend Flüchtlinge überliess der Bund in den letzten Tagen ihrem Schicksal: Sie mussten auf der Strasse übernachten, weil es im Aufnahmezentrum in Basel keinen Platz mehr hatte, wie die SF-Sendung «10vor10» berichtete. das Zentrum ist seit Wochen überfordert, wie schon die TagesWoche in der Print-Ausgabe 50 berichtete. Almut Rembges, die in der Nähe einen Kulturraum betreibt, beobachtete, dass selbst Familien mit Kindern nicht ins Aufnahmezentrum gelassen wurden. «Eltern hätten mit ihren Kindern draussen übernachten müssen, wenn wir nicht interveniert hätten», sagt die Künstlerin, die sich auch für die Bewegung «Bleiberecht kollektiv» engagiert.
Wie viele Flüchtlinge wirklich auf der Strasse übernachten mussten, ist unklar. Das Bundesamt für Migration sprach noch am Montag von zehn bis zwanzig Fällen, musste aber schon einen Tag später eingestehen, dass das Amt nicht genau Buch führe, nachdem das Fernsehmagazin «10vor10» aufdeckte, dass in mindestens vierzig Fällen Flüchtlinge vom Bund ihrem Schicksal überlassen wurden.
Prattler Gemeinderat bot sofort Hand zu einer Lösung
Doch jetzt springt die Gemeinde Pratteln in die Bresche. Am Dienstagabend entschied der Gemeinderat einstimmig sofort zu handeln und die Zivilschutzanlage «Lachmatt» in Betrieb zu nehmen. «Wir müssen Flüchtlinge doch wie Menschen behandeln und ihnen warmes Essen und ein Dach über dem Kopf geben, ganz egal wo man politisch steht», sagt Gemeindepräsident Beat Stingelin. Schon einmal hatte die Gemeinde vor zwei Jahren die Anlage zur Verfügung gestellt und dabei gemäss dem Gemeindepräsident nur gute Erfahrungen gesammelt.
In der Zivilschutzanlage können bis zu hundert Flüchtlinge übernachten. Die Anlage wird maximal bis Ende März offen stehen. Gemäss Rolf Rossi von der Koordinationsstelle für Asylbewerber Baselland des kantonalen Sozialamtes, hatte der Bund bereits letzten Freitag einen Hilferuf nach Liestal geschickt. Der Baselbieter Regierungsrat habe diesem Gesuch an seiner Sitzung am Dienstag zugestimmt.
Zwei Tage vor heilig Abend kommen die ersten Flüchtlinge
26 Flüchtlinge sind heute Donnerstagnachmittag in der Zivilschutzanlage in Pratteln eingetroffen. Geplant ist, in der Anlage Einzelpersonen und nur vereinzelt Familien aufzunehmen. Damit erfüllt der Bund seine Pflicht wieder: Denn gemäss Bundesverfassung ist er verpflichtet, dafür zu sorgen, dass Menschen in Not ein Dach über dem Kopf und warmes Essen bekommen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Michael Glauser, Pressesprecher des Bundesamtes für Migration (BfM), erklärt, das BfM habe in den letzten Monaten bei der Armee nach möglichen Reserve-Unterkünften gesucht. Die Liste habe anfänglich 6000 Plätze umfasst. Wenn die Infrastruktur geeignet war, musste aber auch der Standort-Kanton und die Standort-Gemeinde einverstanden sein. Dort, auf der politischen Ebene, sei das BfM häufig auf Widerstand gestossen. «Wir sind jetzt gottenfroh, dass der Prattler Gemeinderat so unkompliziert Hand für eine Lösung bietet und wir keine Leute mehr in den Schnee schicken müssen», sagt Glauser.
Adrian Hauser, Mediensprecher der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, kritisiert den Bund: «Schon im Frühling war absehbar, dass die Kapazitäten nicht ausreichen werden. Der Bund ist schlicht seiner Verpflichtung nicht nachgekommen. Dafür gibt es keine Entschuldigung.» Dass die Zahl der Asylbewerber im Winter steigt, ist kein neues Phänomen, erklärt Moreno Casasola von Solidarité sans Frontières. «Es gibt aber zur Zeit keine Flüchtlingswelle. Der Notstand trat ein, weil der Bund es verpasst hatte, rechtzeitig für Reserven zu sorgen.»