Die SBB möchten, dass der Preisüberwacher bei Preisaufschlägen im Fernverkehr nicht mehr eingreifen kann. Damit könnte die Bahn die Billettpreise nach eigenem Gusto erhöhen.
Die Verhandlungen mit Preisüberwacher Stefan Meierhans zählte für die SBB-Delegation noch nie zu den angenehmen Terminen. Obwohl Meierhans gemäss Verhandlungsteilnehmern stets fair verhandelt habe, bremste er die Bahn doch immer wieder beim Abschöpfen von Gewinn. Konkret geht es um insgesamt rund 300 Millionen Franken, die der Fernverkehr der SBB jährlich abwirft. Der Preisüberwacher kontrolliert bei geplanten Aufschlägen jeweils, ob die Bahn ihre marktbeherrschende Stellung missbraucht und die Preise übermässig erhöht. In den letzten Preisrunden konnte er den Anstieg zumindest dämpfen.
Damit tun sich die SBB schwer; so schwer, dass sie in einer Sitzung der Verkehrskommission zur Bahnreform 2 den Vorschlag lancieren liessen, den Preisüberwacher zu entmachten. Statt des Preisüberwachers sollte nur noch der Bundesrat festlegen dürfen, welchen Gewinn er von den SBB im Fernverkehr erwartet. Die Verkehrskommission des Ständerats stimmte zu, die Kommission des Nationalrats lehnte die Bestimmung später ab.
Jetzt berät die Ständeratskommission zum zweiten Mal über die zukünftige Funktion des Preisüberwachers bei den Billettpreisen. Inzwischen liegt ein so genannter «Kompromissvorschlag» auf dem Tisch. Der Preisüberwacher soll nur noch angehört werden, wenn die Verkehrsunternehmen ihre finanziellen Ziele festlegen. Kein echter Kompromiss, denn auch dieser Vorschlag kommt einer Entmachtung des Preisüberwachers gleich, weil er nicht mehr eingreifen dürfte. Die Verkehrskommission des Ständerats wird voraussichtlich am Dienstag, 10. Januar 2012, über diesen Vorschlag beraten.
«Billettpreise drohen zu explodieren»
Sara Stalder, Geschäftsleiterin der Stiftung für Konsumentenschutz, spricht von einer «fiesen Masche», den Preisüberwacher zu entmachten: ohne Vernehmlassung durchs Hintertürchen, im Rahmen einer Gesetzesvorlage. «Ohne Kontrolle des Preisüberwachers kann der Bundesrat völlig frei vorgeben, wie viel Gewinn die SBB im Fernverkehr machen sollen. Dann drohen die Billettpreise zu explodieren.» Dies vor allem deshalb, weil sowieso Kosten auf die Reisenden abgewälzt werden. Der Verband für öffentlichen Verkehr prognostiziert einen Preisanstieg von zwanzig Prozent in den nächsten Jahren.
Wie begründet Stalders Befürchtung ist, zeigt, dass der Bund der SBB für die nächsten Jahre vorgibt, im Fernverkehr einen Gewinn von 276 Millionen Franken zu erzielen. SBB-Sprecher Reto Kormann betont, dass die SBB gar keine Einwände gegen den Preisüberwacher hätten. Es gehe der Bahn lediglich darum, dass vom Bund eindeutige Signale kämen und nicht der Bundesrat auf der einen Seite Gewinnziele festlege und der Preisüberwacher auf der anderen Seite die Höhe eben dieser Gewinne wieder in Frage stelle. Doch auf welche Seite sich die SBB schlagen, machte SBB-Verwaltungspräsident Ulrich Gygi vor kurzem in der SBB-internen «SBB-Zeitung» klar: Die SBB müssten ihre Ertragskraft steigern, schrieb er. «Deshalb brauchen wir Tariferhöhungen. Und deshalb können wir uns mit dem Preisüberwacher nur schwerlich darauf einigen, was ein angemessener Gewinn ist.» (PDF-Datei der Ausgabe auf der Rückseite dieses Artikels)
Teurere Schellzugs-Billette
Auch dem Verkehrs-Club der Schweiz stösst das Vorgehen der SBB sauer auf. Caroline Beglinger, Leiterin Verkehrspolitik, befürchtet, dass der Bundesrat versuchen werde, im Fernverkehr möglichst viel abzuschöpfen. Unter die Räder kämen dabei die volkswirtschaftlichen und ökologischen Anliegen, wenn es nicht mehr darum gehe, günstig und ökologisch möglichst viele Menschen zu transportieren, sondern möglichst viel Gewinn abzuschöpfen. Vor allem droht dann das Ende des heutigen Preissystems: Die Bahn wird kaum darum herum kommen, die Preise für den Fernverkehr übermässig zu verteuern. Und dies wiederum geht nur, wenn sie eine spezielle Billettkategorie für den Fernverkehr schafft. Ein Billett von Olten nach Basel im Schnellzug wäre dann teurer als im Regionalzug. «Damit würden wir einen der grössten Vorteile überhaupt aufgeben: den freien Zugang zum öffentlichen Verkehr», sagt Caroline Beglinger.