Putins Prestige-Projekt im Schatten von Doping, Hooligans und Politik

Die Bauarbeiten für die Fussball-WM 2018 in Russland sind in vollem Gange. Das Ereignis wird allerdings von Doping, Hooligans und der schwachen Leistung der russischen Nationalmannschaft überschattet.

Früher war das Moskauer Olympiastadion nach ihm benannt, heute darf Lenin nur noch die Bauarbeiten überwachen.

(Bild: Krsto Lazarević)

Die Bauarbeiten für die Fussball-WM 2018 in Russland sind in vollem Gange. Das Ereignis wird allerdings von Doping, Hooligans und der schwachen Leistung der russischen Nationalmannschaft überschattet.

Eine grosse Leninstatue wacht über das Luschniki-Olympiastadion in Moskau. Bis 1992 trug das Stadion noch den Namen des Begründers der Sowjetunion, dann wurde es neutral nach dem Stadtviertel benannt, in dem es steht. Hier soll am 15. Juli 2018 das Finale der Fussball-Weltmeisterschaft stattfinden.

Jetzt wird noch Tag und Nacht in zwei Schichten fleissig gebaut. Arbeiter tragen Bauelemente über die Ränge und überall sprühen Funken. Die frisch angebrachten Sitze sind noch mit Plastiktüten überzogen. Wegen der bitteren Kälte verzögern sich die Arbeiten immer wieder. Der Vorarbeiter Murat Achmetow ist zufrieden mit dem Vorankommen. Er führt durch das Stadion und erklärt, wo noch was gebaut wird.



«Ich kein grosser Fussballfan. Aber ich hoffe, dass es ein schönes Stadion wird.» Murat Achmetow, Vorarbeiter im Luschniki-Stadion.

«Ich bin kein grosser Fussballfan. Aber ich hoffe, dass es ein schönes Stadion wird.» Murat Achmetow, Vorarbeiter im Luschniki-Stadion. (Bild: Krsto Lazarević)

«Ehrlich gesagt bin ich kein grosser Fussballfan», sagt er auf die Frage, wie er die Chancen für die russische Nationalmannschaft bei der WM einschätzt. «Aber ich hoffe, dass es ein schönes Stadion wird und die Menschen hier eine gute Zeit haben. Für mich ist das Belohnung genug.»

Die meisten Arbeiter auf der Grossbaustelle kommen wie Achmetow aus Zentralasien, verdienen umgerechnet rund 650 bis 750 Franken pro Monat und schicken einen grossen Teil ihres Gehalts in die Heimat. Das ist nicht viel, aber für russische Verhältnisse normal. Sklavereiähnliche Bedingungen wie in Katar herrschen hier nicht. Viele arbeiten wochenlang durch und machen dann einen Heimaturlaub, bevor es wieder auf die Baustelle geht.

Korruption treibt Kosten in die Höhe

Für die Fussball-Weltmeisterschaft greift die russische Föderation tief in ihre Taschen. Nicht nur Stadien müssen (um)gebaut werden, auch in die öffentliche Infrastruktur wird investiert. In Sankt Petersburg, Kaliningrad, Nischni Novgorod, Rostow am Don, Saransk und Samara wurden komplett neue Stadien errichtet. An den übrigen Austragungsorten werden bestehende Arenen saniert oder erweitert.



Die Kälte bremst die Arbeiten und «Trinkgelder» erhöhen die Kosten im russischen Bausektor um bis zu ein Fünftel.

Die Kälte bremst die Arbeiten und «Trinkgelder» erhöhen die Kosten im russischen Bausektor um bis zu ein Fünftel. (Bild: Krsto Lazarević)

Die russische Regierung hat das Gesamtbudget für die WM kürzlich um 19 Milliarden Rubel aufgestockt, was rund 320 Millionen Franken entspricht. Somit steigen die Kosten von knapp 10,5 Milliarden auf über 10,8 Milliarden Franken. Die hohen Kosten entstehen auch aufgrund der ausufernden Korruption im russischen Bausektor, wo «Trinkgelder» in Höhe von bis zu 20 Prozent der Baukosten nicht ungewöhnlich sind.

Die russische Tourismusbranche hofft, dass die Investitionen auch ihr zugutekommen. «Moskau ist eines der attraktivsten Touristenziele weltweit», sagt Alexey Konjuschkow von der staatlichen Agentur für die Förderung des Tourismus (Rostourism), bei einer Konferenz im Moskauer World Trade Center. Damit sich die ausländischen Gäste auch wohl fühlen, müssen Hotels einen Akkreditierungsprozess durchlaufen, um als für Touristen empfohlene Schlafstätten zu gelten.

Der Moskauer Minister für internationale Beziehungen und wirtschaftliche Zusammenarbeit, Sergej Cheremin, stimmt zu und sagt: «Wir wollen die WM auch nutzen, um auf unsere Arbeit bei der Entwicklung des wirtschaftlichen und touristischen Potenzials der Stadt aufmerksam zu machen.» Bislang krankt der Tourismus in Russland – auch wegen der strengen und bürokratischen Visaverfahren.

Erleichterte Einreise für Fans

Deswegen hat die Duma im Dezember 2016 eine Erleichterung der Einreise für die Zeit der Fussball-WM 2018 beschlossen. Spiel-Besucher brauchen kein Visum zu beantragen, sie können mit einer Fan-ID einreisen, für die man lediglich ein gültiges Spielticket braucht.

Mit dieser Fan-ID haben sie das Recht, sich über einen Monat lang in Russland aufzuhalten und zusätzlich die öffentlichen Verkehrsmittel an den Austragungsorten zu nutzen. Einreisen kann man mit der Fan-ID schon zehn Tage vor dem ersten Spiel. Spätestens zehn Tage nach dem Finale in Moskau muss man das Land wieder verlassen.

Der Verkaufsstart für die WM-Tickets beginnt nach dem Ende des Confederations Cup im Juli 2017. Die Tickets kosten für Ausländer zwischen umgerechnet 120 Franken für Vorrundenspiele und bis zu 1300 Franken für gute Plätze beim Finalspiel. Russische Staatsbürger zahlen je nach Ticket nur ein Fünftel davon.

Trotz erleichterter Visabestimmungen wird es aber nicht ganz ohne Kontrollen gehen. Schon vor Vergabe der Fan-IDs findet eine Kontrolle statt, denn ausländischen Hooligans soll die Einreise verweigert werden.

Hausgemachte Hooligan-Probleme

Hooligans gibt es aber auch in Russland genug. In Erinnerung sind vielen Zuschauern noch die Ausschreitungen bei der EM 2016, als russische Hooligans englische Fans im Stadion in Marseille attackierten und später in der Stadt weiter wüteten. Bei Spielen der Champions League fielen russische Hooligans wiederholt negativ auf und in der heimischen Liga ist selbst bei den grössten Vereinen üblich, dass die Zuschauer Affengeräusche imitieren, wenn ein schwarzer Spieler am Ball ist.

Für Russland waren die Ausschreitungen in Frankreich auch deswegen problematisch, weil einige der Hooligans beste Kontakte in die Politik haben. Einer der Inhaftierten war Alexander Schprygin, Sprecher des russischen Fanverbandes, der in den 1990er-Jahren Anführer der Dynamo-Moskau-Hooligans und ein bekanntes Gesicht in der Neonaziszene war. Aus diesen Zeiten kursieren Bilder von ihm auf denen er neben einer Person posiert, die sich als Adolf Hitler verkleidet hat. Auf anderen Fotos hebt er selbst die rechte Hand zum Hitlergruss.

Neben diesen Skandalen wurden zahlreiche Korruptionsvorwürfe gegen Schprygin erhoben. Trotz dieser Skandale schützten ihn lange Zeit seine guten Kontakte zu rechten Duma-Abgeordneten. Im September zeigten sich die russischen Behörden aber konsequent und verhafteten ihn, weil er verdächtigt wird, Kontakte zu Extremisten zu pflegen. Damit will die russische Justiz ein Zeichen setzen.

Dopingminister wird befördert

Neben dem Hooliganismus ist auch Doping ein grosses Thema im russischen Sport. Der Bericht der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) zeigt auf, dass Doping systematisch und staatlich verordnet stattfindet. Urinproben wurden von russischen Spezialeinsatzkräften gefälscht. Der im Oktober zurückgetretene Sportminister Witali Mutko wurde in dem Bericht namentlich genannt und soll von den Dopingfällen gewusst haben, was er bestreitet.

Die Vorwürfe der Wada prallen an dem 59-Jährigen einfach ab. Mutko wurde nicht aus der Regierung geworfen, sondern sogar zum Vizepremierminister der russischen Föderation befördert. In Zukunft soll er für Sport, Tourismus und Jugendpolitik verantwortlich sein. Ausserdem bleibt er Chef des russischen Fussballverbandes und Mitglied des Fifa-Exekutivkomitees. So überrascht es auch nicht, dass die Fifa keinen Grund dafür sieht, über einen alternativen Austragungsort nachzudenken.

Putin will Russland im Halbfinale sehen

Doch bei all diesen Problemen sorgen sich die russischen Fans vor allem um die Performance ihres Teams. Sie wollen beim Turnier im eigenen Land nicht wieder bereits in der Vorrunde ausscheiden wie bei der EM 2016. Doch Russland verlor kürzlich zwei Freundschaftsspiele gegen Costa Rica und Katar und konnte sich gegen Rumänien nur knapp mit einem 1:0-Sieg durchsetzen. 

Wladimir Putin höchstpersönlich ärgerte sich im November: «Wir haben seit langem kein schönes Spiel unserer Nationalmannschaft mehr gesehen.» Der Präsident hat die Spieler wissen lassen, sie sollten sich mehr Mühe geben und wenigstens das Halbfinale erreichen. Immerhin ist die Fussball-WM 2018 nicht zuletzt sein Prestigeprojekt.

Die Veranstalter versuchen Themen wie den Krieg in der Ukraine und in Syrien in den Hintergrund zu rücken und den Fokus der Öffentlichkeit auf den Sport und die Effekte für die Wirtschaft in den Austragungsstätten zu konzentrieren. Doch bereits bei den olympischen Winterspielen 2014 in Sotschi hat das nicht einwandfrei funktioniert.

Neben jedem Beitrag über die Spiele fanden sich Nachrichten über den Krieg in der Ostukraine, über Doping und Korruption im russischen Sport und autoritäre Strukturen in Russland. Die olympischen Spiele rückten die Aufmerksamkeit noch stärker auf die Probleme. Putins Prestigeprojekt könnte wieder nach hinten losgehen.

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Die Recherche erfolgte auf Einladung der Moskauer Stadtregierung.

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