Der militärische Putschversuch ist gescheitert, ruhig wird es in der Türkei deswegen noch lange nicht. Die Spannungen im Land betreffen auch Türkinnen und Kurden, die in der Schweiz leben. Eine Übersicht.
Die türkische Regierung hat infolge des gescheiterten Versuchs, Präsident Recep Tayyip Erdogan zu stürzen, 6000 Personen festnehmen lassen. Was mit ihnen geschieht, ist ebenso unklar, wie die Frage, wer tatsächlich am gescheiterten Putsch beteiligt war. «Zeit Online» arbeitet laufend an einem Überblick, was gesicherte Fakten sind – und was nicht.
Warum ist der Putsch gescheitert? Wer profitiert? Und was bedeutet das alles für die Beziehung zur EU? Die NZZ beantwortet die fünf wichtigsten Fragen zum Putschversuch in prägnanter Kürze.
Der Mann, der laut Erdogan für den Putsch hauptverantwortlich sein soll, ist der Prediger und Kopf einer einflussreichen islamischen Bewegung, Fethullah Gülen. Historiker und Türkei-Kenner Nikolaus Brauns hält das für ausgeschlossen, wie er gegenüber «SRF News» sagt.
Gülen selbst weist den Vorwurf Erdogans deutlich zurück. Das Magazin «Bento» hat ihn in der bewachten Anlage in der Nähe von New York besucht, wo er im Exil lebt.
Futter für Verschwörungstheoretiker liefert Gülen gleich mit. Dies, indem er zumindest angedeutet hat, Erdogan selbst könnte den Aufstand inszeniert haben. Dies halten im Netz viele für glaubwürdig, da Erdogan vom Putsch am meisten profitieren dürfte. Er bezeichnet den gescheiterten Putsch als «Geschenk Gottes». Warum der «üble Verdacht» (welt.de) hängen bleibt, aber letztlich wohl doch eine Verschwörungstheorie bleibt, versucht die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» schlüssig aufzuzeigen.
Damit zurück zu einer konkreten Frage: Wie will die türkische Regierung die Putschisten bestrafen? Diesbezüglich sind derzeit harte Aussagen zu vernehmen. Seit 1984 hat die Türkei keine Todesstrafe mehr vollstreckt. Infolge der Ereignisse steht deren Wiedereinführung jedoch erstmals wieder zur Debatte. Ministerpräsident Binali Yıldırım hat vor einer Menge Demonstranten, die diese forderten, bekundet: «Wir haben eure Botschaft erhalten.» Mehrere EU-Staaten haben zu dieser Debatte bereits Stellung bezogen. Ein EU-Beitritt der Türkei würde damit «abgewürgt», so der Tenor. Experten glauben denn auch nicht, dass die Wiedereinführung der Todesstrafe ein realistisches Szenario sei.
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Besorgt zeigt sich die deutsche Bundesregierung nichtsdestotrotz. Sie befürchtet, dass Erdogan den demokratischen Rechtsstaat weiter aushöhlt, dass die Deutsch-Türkische Partnerschaft im Allgemeinen und der EU-Türkei-Deal im Besonderen noch schwieriger werden – und ausserdem, dass die Konflikte zwischen Erdogan-Anhängern, Oppositionellen und Kurden dereinst auch in Deutschland ausgetragen werden könnten.
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In der Schweiz, wo 70’000 Türkinnen und Türken die Ereignisse in ihrer Heimat gebannt verfolgen, sei diese Furcht vor Auseinandersetzungen trotz verschärfter Polarisierung nur bedingt vorhanden, schliesst «SRF Rendez-vous» aus Gesprächen mit Cebrail Terlemez, als Beirat des Dialog-Instituts in Zürich Teil der Gülen-Bewegung, und Edibe Gölgeli, Präsidentin der schweizerisch-kurdischen Gemeinschaft.