Redeschlacht um Abzockerlöhne

Die Initiative «1 : 12 – für gerechte Löhne» fordert, dass der Chef in allen Unternehmen nicht mehr Monatslohn bezieht, als der am schlechtesten bezahlte Arbeiter pro Jahr. Im Nationalrat verteidigten die Bürgerlichen die Lohnexzesse erfolgreich – und lehnten die Initiative ab.

JUSO-Aktivistinnen und Aktivisten reichen am Montag, den 21. Maerz 2011, vor dem Bundeshaus in Bern die Volksinitiative «1 :12» ein. (Bild: Keystone)

Die Initiative «1 : 12 – für gerechte Löhne» fordert, dass der Chef in allen Unternehmen nicht mehr Monatslohn bezieht, als der am schlechtesten bezahlte Arbeiter pro Jahr. Im Nationalrat verteidigten die Bürgerlichen die Lohnexzesse erfolgreich – und lehnten die Initiative ab.

«Der höchste von einem Unternehmen bezahlte Lohn darf nicht höher sein, als das Zwölffache des tiefsten vom gleichen Unternehmen bezahlten Lohnes.»  Mit diesem neuen Artikel 110 a in der Bundesverfassung wollen die JungsozialistInnen (Juso) jenen Millionensalären einen Riegel schieben, die in den letzten Jahren im Finanzsektor und in der Pharmabranche immer mehr eingerissen haben. Am 14. April 2011 haben sie eine entsprechende Initiative namens «1 : 12» mit 113 000 Unterschriften eingereicht. Jetzt hat das Volksbegehren im Nationalrat für hitzige Debatten geführt. Und die bürgerliche Mehrheit lehnte die Juso-Initiative mit 110 zu 59 Stimmen klar ab.

Nur gegen «die schlimmsten Profiteure»

Linke und Grüne im Rat hatten sich zuvor vehement für das Volksbegehren engagiert. Fast die halbe SP-Fraktion war ans Rednerpult getreten. «Wenn ich zwölf mal mehr verdienen würde, als meine Sekretärin, könnte ich mich nicht mehr im Spiegel ansehen», sagte etwa die Zürcher Unternehmerin und SP-Nationalrätin Jacqueline Badran. Sie würde sich schämen. Sie verdiene nicht mal doppelt soviel, wie der kleinste Lohn in ihrer Firma. Und in den allermeisten KMU herrschten ähnlich anständige Verhältnisse. Die Initiative «1 : 12» richte sich nur gegen die schlimmsten Profiteure. Immerhin: In seiner Botschaft zur Initiative gibt der Bundesrat zu, dass sich die Zahl der Leute, die in der Schweiz mehr als 500 000 Franken jährlich verdienen, von 1997 bis 2009 von 2900 auf 10 700 mehr als verdreifacht habe.

In Chefetagen von Grossfirmen mache sich da «ein neuer Geld-Adel» breit, warnten andere Linke. Dessen Lohnexzesse  bedrohten die Freiheit und die Demokratie in unserem Land, sagte SP-Nationalrätin Jacqueline Fehr. Die Monstersaläre hätte «mit Leistung, Verantwortung oder Erfolg nichts mehr zutun – nur noch mit Gier». Da drohe ein neuer Feudalismus, eine Geldherrschaft. Fehr fragte die bürgerliche Mehrheit im Rat, ob sie mit ihrem Kampf gegen die Juso-Initiative «die Burgen dieser neuen Feudalherren verteidigen» wolle. Der SVP hielten die Linken vor, sie verbeuge sich «vor den neuen Gesslerhüten». SP-Nationalrätin Susanne Leutenegger-Oberholzer (BL) riet den Bürgerlichen: «Fragen Sie doch Ihre Wählerinnen und Wähler – eine Mehrheit ist für eine Lohn-Obergrenze!»

«Sehr gefährlich für die Schweiz»

Die Rechten wehrten sich dagegen, so gut es ging: Mit der Initiative hätten die Juso «einen tiefen Griff in die sozialistische Mottenkisten» getan, meinte etwa Lukas Reimann (SVP. SG). Aber nicht mal Karl Marx hätte dem Volksbegehren zugestimmt. Er warnte: Gerade KMU-Chefs könnten durch die neue Limite dazu verleitet werden, die tiefsten Löhne in ihren Firmen zu kürzen, bis sie nur noch einem Zwölftel ihres Cheflohnes entsprächen.

Auch FDP-Nationalrätin Doris Fiala (ZH) meinte, «1 : 12» sei «sehr clever und darum sehr gefährlich für die Schweiz». Die Linke habe mit dieser Initiative «den Klassenkampf im Hinterkopf». Aber 10 Prozent der Reichsten im Land zahlten hier 90 Prozent der Steuern. Auch bei den Sozialwerken erfolge eine «Umverteilung von oben nach unten».  Einzelne Bürgerliche beklagten sich aber auch über die Abzocker in den Chefetagen, «weil diese den Juso gute Argumente liefern». Anstand und Sozialkompetenz könne man jedoch nicht «per Gesetz erzwingen».  Darum sei die Initiative wirkungslos. Und sie setze die liberale Wirtschaftsordnung aufs Spiel. Diese Argumentation setze sich klar durch: Der Rat empfiehlt dem Volk, «1 : 12» an der Urne abzulehnen.

Vasellas Putzfrau im Rolls Royce

Kaum erwähnt worden war in der Debatte, dass die Initiative nicht explizit die Kürzung hoher Löhne fordert. Sie regelt nur das Verhältnis. Und «1 : 12» kann auch durch Anheben der untersten Löhne erreicht werden. So dürfte sich Daniel Vasella nach einem Ja des Volks zu «1 : 12» problemlos ein Salär von 50 Millionen im Jahr auszahlen lassen. Er müsste dann aber seiner Putzfrau 13 Monatslöhne à 320 000 Franken auszahlen.  Eine solche Putzfrau käme dann wohl im Rolls Royce mit Chauffeur zur Arbeit. Und dieser Chauffeur, ihr Angestellter, bekäme nach System 1 : 12 auch immer noch fast 27 000 Franken im Monat.

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