Die Baselbieter Regierung sagt Nein zur Fusionsinitiative und setzt auf eine «vertiefte Zusammenarbeit» mit Basel-Stadt. Ihre Idee mit dem Gegenvorschlag gibt sie auf, verkündete sie an einer Medienkonferenz. Es war «ein klares Bekenntnis» und ein «spezielles Outing» zugleich.
Die Regierung hat erst gezögert, später herum gedruckst, dann hat Justizdirektor Isaac Reber mit der Idee eines Gegenvorschlages zur Fusionsinitiative noch für zusätzlich Verwirrung gesorgt, nun wird Klartext gesprochen – endlich: Der Baselbieter Regierungsrat lehnt die Fusionsinitiative ab.
Es war eine ungewohnte Situation. Nicht wegen der Ablehnung der Fusion, nicht wegen der öffentlichen Stellungnahme, sondern weil der Regierungsentscheid nur knapp fiel – und sich die Regierungsräte einzeln outeten, wie sie zur Initiative stehen. Einer nach dem anderen nahm persönlich Stellung: Dagegen (Lauber), dafür (Reber), dafür (Wüthrich) – «die restlichen Stimmen sind folglich klar», sagte Sabine Pegoraro (die einzelnen Statements sind in der Box am Ende des Artikels). Der Entscheid fiel 3:2 für das Nein.
Ein «spezielles Outing», nannte Urs Wüthrich das Prozedere. Es solle aber die Offenheit und den gegenseitigen Respekt bezeugen. «Es bleibt aber die einzige öffentliche Stellungnahme zum Thema», sagte Wüthrich. Der Regierungsrat habe sich darauf verständigt, sich nicht in Abstimmungskomitees zu exponieren oder öffentlich gegeneinander anzutreten. Die Begründung für die Ablehnung der Initiative, hinter der nun auch die Befürworter einer Fusion stehen, ist in der Rede von Regierungspräsident Urs Wüthrich knapp ausgefallen:
«Der Baselbieter Regierungsrat nimmt die Befürchtung zahlreicher Baselbieterinnen und Baselbieter ernst, dass mit einer Fusion Eigenständigkeit, kulturelle Identität und politische Selbstbestimmung gefährdet wären. Es muss davon ausgegangen werden, dass ein Fusionsverfahren und die Einsetzung eines Verfassungsrates über Jahre Geld, Zeit und Personal binden würden, die für andere wichtige Projekte dann nicht oder nur ungenügend zur Verfügung stünden.»
Es klingt etwas nach den Gründen, die bereits Isaac Reber bei seiner Idee mit einem Gegenvorschlag äusserte: Es gehe darum den Kanton nicht zu spalten, den Frieden im eigenen Kanton zu bewahren. Nun soll aber nicht ein Gegenvorschlag der Initiative die Sprengkraft nehmen, sondern eine «zusätzlich vertiefte Zusammenarbeit mit Basel-Stadt». Der Regierungsrat will dazu den Kollegen in der Stadt «konkrete Vorschläge» unterbreiten.
Vertiefte Zusammenarbeit, aber noch nichts Konkretes
Welche das sein werden, oder in welchen Bereichen die Zusammenarbeit vertieft werde, liessen die Regierungsräte offen: «Ein Rahmen und Standards für eine Zusammenarbeit sind vorhanden, wir werden gemeinsam mit Basel innerhalb dieser Schranken mögliche Handlungsfelder identifizieren», sagte Wüthrich, «das ist unsere Einladung an den Regierungsrat in Basel-Stadt.» Und nicht nur an den Partnerkanton, sondern auch an die anderen Nachbarkantone, wie er nachschob.
Der Regierungsrat sei überzeugt, dass die Weiterentwicklung der Partnerschaft «der richtige, zukunftsweisende Weg ist». Da für dieses Vorgehen bereits in beiden Kantonsverfassungen die entsprechenden Grundlagen bestehen, verzichtet die Regierung auf einen Gegenvorschlag. Der Entscheid dazu fiel «nach gründlichen Erwägungen». Die Regierung hat erkannt, dass ein einseitiger Gegenvorschlag aus dem Baselbiet politisch und juristisch zu komplex werden würde. «Es war keine zweckmässige Lösung, wir wollen die Situation nicht komplizieren», so Wüthrich.
Morin: «Wir brauchen keine Lippenbekenntnisse, sondern Taten»
Klarheit hat der Regierungsrat nicht nur an der Medienkonferenz für die Öffentlichkeit geschaffen, sondern auch bei den Regierungskollegen in Basel – «bevor wir an die Medien traten». Regierungspräsident Wüthrich nahm damit die Kritik von Guy Morin auf, der sich beklagt hatte, dass Isaac Reber seine Idee für den Gegenvorschlag ohne Rücksprache mit Basel öffentlich gemacht hatte.
Das klare Bekenntnis der Regierung von Baselland gegen die Fusion ändert nichts an der Haltung der baselstädtischen Regierung, sagt Regierungspräsident Guy Morin: «Wir haben das heute Morgen im Kollegium kurz besprochen und wir sind immer noch einstimmig für die Fusionsinitiative – also eine Prüfung der Fusion und die Erarbeitung einer gemeinsamen Verfassung.» Formell ist die Regierung noch nicht angefragt worden vom Grossen Rat für eine Empfehlung, aber das solle in den nächsten Wochen geschehen. «Unsere Meinung ist schon länger bekannt, deswegen gibt es auch keinen Grund, sie zu verheimlichen.»
Vorlage zur Abstimmung soll im Januar 2014 stehen
Den Prozess erschwere das Bekenntnis der Kollegen im Baselbiet nicht, sagt Morin. «Das Volk muss letztlich entscheiden.» Froh ist Morin, dass der Gegenvorschlag vom Tisch ist, «das erleichtert den Prozess sehr.» Auch die «Einladung zur vertieften Partnerschaft» (Wüthrich) nahm Morin positiv auf: «Eine Einladung zur Zusammenarbeit besteht aber schon lange, sie steht sogar in der Verfassung beider Kantone. Was jetzt folgen muss, sind Taten.» Vorschläge und Projekte würden schon seit Jahren auf dem Tisch liegen: «Spitalkooperation, Herzstück Mitte, den Life-Sciences-Campus und, und, und», sagt Morin, «die Baselbieter Regierung kann also gleich Nägel mit Köpfen machen. Lippenbekenntnisse brauchen wir nicht, sondern Taten.» Die Regierung des Baselbiets steht folglich nach ihrem Bekenntnis gegen die Fusionsinitiative und für eine Partnerschaft nun unter Zugzwang.
Der nächste Termin auf dem Fahrplan der Baselbieter Regierung ist Januar 2014. Sie will dann eine Vorlage zur Fusionsinitiative unterbreiten, damit die Volksabstimmung im nächsten Jahr in beiden Kantonen stattfinden könne. «Es wird keine Kampfschrift geben – weder für, noch gegen die Fusion», kündigte Wüthrich an. Die Regierung wolle dem Volk und dem Parlament die «Chancen und Risiken aufzeigen» und einen «sorgfältigen politischen Meinungsbildungsprozess» ermöglichen. Und auch dabei nimmt sich die Regierung in die Pflicht, sie will für diesen Prozess «die Verantwortung übernehmen».
Dafür oder dagegen – die Regierungsräte gaben einzeln Auskunft
Dagegen: Für Finanzdirektor Anton Lauber (CVP) sprachen die fehlende Faktenlage, Eckwerte und Zielsetzungen gegen die Fusionsinitiative. Er habe – wie Isaac Reber – mit einem Gegenvorschlag geliebäugelt während des Wahlkampfes, der Entscheid müsse aber einfach und schnell kommen, deswegen sei die Partnerschaft nun der richtige Schritt. Die Zusammenarbeit liege in der Kompetenz des Regierungsrates und berücksichtige, «dass die Welt sich weiterdreht – wenn das Volk zustimmt, aber auch wenn nicht.»
Dafür: Sicherheitsdirektor Isaac Reber (Grüne) sorgte mit seiner Idee eines Gegenvorschlages für Schlagzeilen, nun sieht er einen Teil dessen «gelebt mit der Partnerschaft». Ihm ginge es darum, die Gegenwart nicht mit Grabenkämpfen zu blockieren. Persönlich sei er für die Fusionsinitiative und unterstütze diese: «Ich bin dafür Fakten zu schaffen, damit ein Entscheid gefällt werden kann.»
Dafür: Regierungspräsident Urs Wüthrich (SP) bekannte sich «früh und aus Überzeugung» zur Fusionsinitiativ, weil es ein Zeichen des Aufschwungs sei. «Vielfalt und Eigenständigkeit kann man auch innerhalb eines Kantons leben, wie das Baselbiet bereits jetzt zeigt.» Er sei zuversichtlich.
Dagegen: Baudirektorin Sabine Pegoraro (FDP) musste eigentlich gar nichts mehr sagen. Es war klar, dass die restlichen Regierungsräte dagegen waren. Sie hatte sich aber bereits früh gegen die Fusionsinitiative geäussert. Eine Partnerschaft bringe die Region weiter ohne Grabenkämpfe, sagte sie.
Dagegen: Der neue Gesundheitsdirektor Thomas Weber (SVP) machte während des Wahlkampfes bereits klar, dass er «Verfechter eines selbstständigen Baselbiets» ist. Er sagte: «Die Energie sollte nicht darauf verschwendet werden, Grenzen zu eliminieren oder zu zementieren, sondern möglichst die Grenzen zu ignorieren und in Partnerschaft zu investieren.»