Religion darf nicht politisch sein

Nach dem Putschversuch in der Türkei tritt die enge Verbindung von AKP-Regierung und Religion deutlich zutage. Der Einfluss des politischen Islam vom Bosporus reicht bis in die Schweiz. Eine Übersicht.

Minaret on the roof of the Turkish Cultural Association in Wangen near Olten in the canton of Solothurn, Switzerland, pictured on October 5, 2009. (KEYSTONE/Alessandro della Bella) Das Minarett auf dem Dach des Tuerkischen Kulturvereins in Wangen bei Olten im Kanton Solothurn, aufgenommen am 5. Oktober 2009. (KEYSTONE/Alessandro della Bella)

(Bild: ALESSANDRO DELLA BELLA)

Nach dem Putschversuch in der Türkei tritt die enge Verbindung von AKP-Regierung und Religion deutlich zutage. Der Einfluss des politischen Islam vom Bosporus reicht bis in die Schweiz. Eine Übersicht.

Die Schweiz garantiert als säkularer Staat Religionsfreiheit. Da ist es stossend, wenn Drittstaaten Einfluss auf Glaubensgemeinschaften in der Schweiz nehmen. Neben Saudi-Arabien ist es vor allem die Türkei, die über ihre Religionsbehörde Diyanet versucht, ihre konservative Lesart des Islam im Ausland zu verbreiten. Damit torpediert sie auch die Glaubensfreiheit der rund 450’000 Muslime hierzulande.

Die NZZ beleuchtet die türkische Einflussnahme auf Schweizer Moscheen

Aufgezeichnet werden die Verbindungen zwischen Diyanet und der Türkisch-Islamischen Stiftung für die Schweiz (Tiss). Diese vereint unter ihrem Dach 50 Moscheen. Gemäss NZZ stellt die Stiftung in Abrede, ein Ableger von Diyanet zu sein oder überhaupt in Verbindung mit der türkischen AKP-Regierung von Recep Tayyip Erdogan zu stehen. Eine fadenscheinige Beteuerung: Tiss-Präsident Mehmet Görmez ist gleichzeitig Präsident von Diyanet und Imame, die in die Schweizer Tiss-Moscheen entsandt werden und ihren Lohn von der türkischen Botschaft erhalten.

«Im undurchsichtigen Netz der Moscheen»

In einem Gastbeitrag für das deutsche Magazin «Focus» zeichnet die Sozialwissenschaftlerin Necla Kelek fast das gleiche Bild

Auch in Deutschland will der türkische Dachverband der Moscheevereine nicht mit der Erdogan-Regierung in Verbindung gebracht werden. Seine Beteuerungen sind allerdings ebenfalls hoffnungslos: Der Vorsitzende der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (Ditib) ist gleichzeitig Botschaftsrat der Türkei. Die Fast 900 Imame der angeschlossenen Moscheen würden von Diyanet in Ankara ausgewählt und nach Deutschland entsandt, schreibt Kelek.

«Ditib wird aus Ankara gesteuert – Deutschland gibt Souveränität auf»

NZZ-Autor Daniel Gerny fordert in einem Kommentar mehr Transparenz in muslimischen Vereinen und Moscheen

Insbesondere bei der Finanzierung sei Transparenz wünschenswert. Kirchliche Stiftungen unterstehen in der Schweiz keiner behördlichen Aufsicht, und würden weder gefordert noch gefördert. Das erleichtere ein «Abdriften des Islams in die Unsichtbarkeit». Dazu habe aber nicht nur das Fehlen von Kontrollinstrumenten beigetragen, sondern auch das Minarettverbot beigetragen, «der augenfälligste Versuch, den Islam aus dem Blickfeld zu verbannen».

«Der unsichtbare Islam»

In Deutschland bezieht eine Gruppe von Islamkritikern via Humanistischen Pressedienst Stellung

Die Autoren fordern die deutsche Regierung auf, nicht nur den islamistischen Terrorismus, sondern auch «die dahinterstehende Ideologie des politischen Islam» entschieden zu bekämpfen. Dessen Vertreter würden sich anmassen, für vier Millionen Muslime in Deutschland zu sprechen, wodurch ein falsches Bild einer Gruppenidentität entstehe. Die einzige Lösung sei der Säkularismus.

«Säkulare Erklärung zum politischen Islam – Islamkritiker beziehen gemeinsam Stellung»

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