Rheinhattan muss schneller her

Das Wohnen auf der Klybeckinsel soll bereits ab 2013 möglich sein. Die Forderung der Grünliberalen löst bei den Zwischennutzern Unverständnis aus.

Das Migrol-Areal wird derzeit zurückgebaut. Die GLP will dort bereits ab 2013 Wohnungen sehen. (Bild: Alexander Preobrajenski )

Das Wohnen auf der Klybeckinsel soll bereits ab 2013 möglich sein. Die Forderung der Grünliberalen löst bei den Zwischennutzern Unverständnis aus.

Sie hat begonnen, die neue Ära am Hafen. Als erstes Zwischennutzungs-Projekt hat die Buvette Marina ihren Betrieb am Klybeckquai eröffnet. Rund 300 Personen strömten am Dienstagabend auf die frühere Esso-Parzelle, um Basels neuen Freiraum einzuweihen. Die beiden Container von Frame und Neubasel starten Ende August mit Kulturprojekten und Workshops, die Skateboard-Anlage wird Ende September eröffnet. Ein schönes Fleckchen Stadt haben sich die Zwischennutzer nach langem Hin und Her mit dem Kanton und der Hafenverwaltung errungen. Bis 2015 zumindest. Dann beginnt das Mammutprojekt, die sogenannte Aufwertung des Areals.

Noch ist es nur schwer vorstellbar, aber in den nächsten 20 bis 30 Jahren soll die Klybeckinsel zu einem neuen Stadtteil aufgemotzt werden. Rheinhattan nennt sich das jüngste Baby der Stadtplaner. Das 3Land-Projekt von Basel-Stadt, Weil am Rhein und Huningue soll Platz für 10 000 Einwohner und ebenso viele Arbeitsplätze schaffen. Bis die ersten Hochhäuser in den Himmel ragen, dauert es aber noch eine Weile.

Voraussichtlich 2014 wird der Grosse Rat über einen Bebauungsplan entscheiden. Die ersten Wohnungen auf dem Ex-Esso-Areal könnten frühestens in fünf Jahren bezogen werden. Die Baurechtsverträge am Westquai hingegen laufen erst im Jahr 2029 aus – für zwei weitere Parzellen am Klybeckquai gar erst 2049. Viel zu langsam geht das den Basler Grünliberalen. Gemäss Informationen der TagesWoche reichen sie nach den Sommerferien einen Vorstoss bei der Regierung ein, der das Wohnen am Hafen rasch ermöglichen soll – und zwar bereits ab 2013 (siehe Hintergrund zum Artikel).

Zuerst Kreative

Geht es nach der GLP, sollen die ersten Wohnungen auf dem früheren Migrol-Areal erstellt werden. Die Hafenverwaltung hat jedoch anderes damit vor: Sie will die Parzelle, die momentan rückgebaut und von Altlasten befreit wird, zwischennutzen lassen – voraussichtlich gewerblich. Das passt GLP-Präsident David Wüest-Rudin nicht. «Es ist eine Illusion zu glauben, man könnte in 20 Jahren auf einen Schlag am Hafen mehrere Klötze hinstellen und dann würden die Leute alle sofort dorthin ziehen. Alles muss Stück für Stück entwickelt werden. Man muss das Wohnen früher ermöglichen und sich überlegen, welche Bevölkerungsschicht man dort haben möchte.»

Der GLP-Chef hat denn auch schon Vorstellungen, welche Personen künftig am Hafen leben sollen: Den Anfang machen sollen junge Leute – etwa aus der Kreativwirtschaft. Diese würden sich nicht am Hafenlärm stören und die Zwischennutzungs-Projekte befruchten. Wüest-Rudin zweifelt nämlich daran, dass die Buvette und die anderen Projekte sich als Publikumsmagnet erweisen können. «Wer geht für ein Bier schon regelmässig an den Hafen? Die meisten bleiben doch in der Stadt. Deshalb sollen Pioniere zuerst auf der Klybeckinsel wohnen – sie können nicht nur die Zwischennutzungs-Projekte beleben, sondern auch die angrenzenden Quartiere Klybeck und Kleinhüningen.»

Nach dieser Phase sollen Wohnungen für Hochqualifizierte – beispielsweise für Mitarbeiter der Novartis – entstehen, am Schluss sollen Familienwohnungen für den Mittelstand gebaut werden. Denn ein Beispiel von misslungener Stadtenwicklung stellt für den GLP-Grossrat die Situation auf der Erlenmatt dar. Dort wurden mit der Siedlung Erlentor zuerst Familienwohnungen gebaut. Kinder sieht man dort allerdings fast keine, es dominieren eher Expats.

«Ein Schnellschuss»

Der Kantons- und Stadtentwickler Thomas Kessler kann die Idee hinter dem Vorstoss «gut verstehen», schlägt aber gerade deshalb vor, den Fahrplan der Behörden zu unterstützen. «Die Quartierbevölkerung ist darin einbezogen. Wenn alle mitziehen, könnte so schon ab 2017 der erste Mischbau entstehen. Neue Varianten würden das Risiko für Verzögerungen eher erhöhen.» Man wolle die Insel sorgfältig und etappenweise erneuern, in enger Abstimmung mit der Entwicklung der wichtigen Hafenlogistik und der angrenzenden Stadtteile, sagt Kessler.

Nicht viel vom Vorstoss der GLP hält Fabian Müller, Sprecher der IG Zwischennutzung Klybeckquai und des Vereins Neubasel. Er bezeichnet die Idee als wahltaktischen Schnellschuss. «Das ist nicht in unserem Sinne. Wenn jetzt bereits Wohnungen gebaut werden, bedeutet das unser Ende. Die Bewohner würden Zwischennutzungen nebenan nicht tolerieren – das hat man auf dem nt/Areal gesehen.»

Komisch sei auch, dass die GLP davon ausgehe, dass diese Massnahme die Zwischennutzungen beflügeln würde. «Ohne jemals den Kontakt mit uns gesucht zu haben, wird das behautptet. Es geht nur um Eigeninteressen», sagt Müller.

 

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 03.08.12

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