Richter Rosa steht plötzlich selbst in der Kritik

Die Staatsanwaltschaft zu weich, die Strafen zu tief: Bis jetzt urteilte der Baselbieter Strafgerichtspräsident Enrico Rosa immer nur über andere. Nun gerät er selbst unter Druck, wegen der GPK.

Von der GPK ins Visier genommen: der Baselbieter Strafgerichtspräsident Enrico Rosa. (Bild: Dominik Plüss)

Die Staatsanwaltschaft zu weich, die Strafen zu tief: Bis jetzt urteilte der Baselbieter Strafgerichtspräsident Enrico Rosa immer nur über andere. Nun gerät er selbst unter Druck, wegen der GPK.

Als scharfer Richter hat sich Enrico Rosa schon einen Namen gemacht. Als grosser Kritiker der Baselbieter Staatsanwaltschaft.
Und als Kronzeuge der Basler Zeitung für die Behauptung, im Baselbiet würden die Ermittlungsbehörden selbst die hinterhältigsten Kriminaltouristen noch verhätscheln.

Nun gerät er plötzlich selbst unter Druck – wegen des Berichts der Geschäftsprüfungskommission (GPK) über die Umsetzung der neuen Strafprozessordnung. Namentlich genannt wird Richter Rosa darin zwar nicht. Doch das ist auch gar nicht nötig. Die Hinweise sind auch so deutlich genug.

Im Bericht geht es um einen namenlosen Richter, der eine fragwürdige Doppelrolle innehat. Oder besser gesagt: eine Dreifachrolle. Gemeint ist offensichtlich Rosa.

Die Arbeit der Staatsanwaltschaft erschwert

Erstens müsste er als Strafgerichtspräsident mit der Staatsanwaltschaft zusammenarbeiten. Zweitens berät er als Mitglied der Fachkommission die Regierung bei der Aufsicht der Staatsanwaltschaft. Und drittens leitete er bis im April 2012 vorübergehend auch das Zwangsmassnahmengericht (ZMG). Eine Funktion, in der Rosa die Arbeit der Staatsanwaltschaft wesentlich erleichtern oder auch erschweren konnte, wobei er offenbar eher auf Letzteres aus war. Die GPK äussert sich über seinen Abgang beim ZMG jedenfalls so: «Der Wechsel im Präsidium des ZMG im April 2012 bewirkte aus Sicht der Staatsanwaltschaft eine Verbesserung der Zusammenarbeit und wirkte sich positiv auf die Ermittlungsarbeit aus.»

Umso fragwürdiger wirkt Rosas Kritik an der Arbeit der Staatsanwaltschaft. Eine Kritik, mit der er sogar noch in die Medien drängte, was die «Problematik noch weiter verstärkte», wie die GPK feststellt. Wiederum ohne Namensnennung, versteht sich. Die Rede ist von Vorwürfen, die «aus dem Umfeld der Gerichtspräsidien» an die Öffentlichkeit gedrungen seien.

Der Spieler als Schiedsrichter

Auch an den anderen Stellen ist die Kritik im Bericht in Watte gepackt – aber deutlich. Wenn zum Beispiel Rosas Doppelrolle als Richter und Mitglied der Fachkommission mit einem Mitspieler im Sport verglichen wird, der gleichzeitig Assistenzschiedsrichter ist. Oder wenn die Anforderungen des Zwangsmassnahmengerichts bei der Anordnung von Untersuchungshaft im interkantonalen Vergleich als zu streng taxiert wird. Das führe dazu, dass Kriminelle laufen gelassen oder eigentlich nötige Verfahren gar nicht erst aufgenommen werden.

Entsprechend klar sind die Empfehlungen der GPK: die Anordnung der Zwangsmassnahmen nach dem Vorbild anderer Kanton zu vereinfachen. Und keine Richter mehr in die Fachkommission zu wählen. Schon fast mehr als eine Empfehlung ist der Hinweis, dass die Berichterstattung der Fachkommission an die parlamentarische Sicherheitskommission auf einem «gesetzgeberischen Lapsus» basiere, weil sie zu einer Vermischung von Aufsicht und Oberaufsicht führe, was die Gewaltentrennung verletze.

Die Fachkommission dürfte nach Ansicht der GPK eigentlich nur eine Hilfskommission der Exekutive sein. Gut möglich also, dass ihre Bedeutung bald stark schrumpft. Zur Kenntnis genommen wurde sie in der Öffentlichkeit bis jetzt vor allem aufgrund ihres kritischen Berichts zu Handen der Parlamentskommission.

Auch Sabine Pegoraro muss sich Kritik gefallen lassen

Überraschend gut kommt im Bericht dagegen die Staatsanwaltschaft weg. Sie wird von der sonst so kritischen GPK fast in Schutz genommen, weil sie mit der Einführung der neuen Strafprozessordnung und der damit verbundenen Reorganisation «ausserodentlich stark in Anspruch genommen worden» sei. Möglicherweise sei der Staatsanwaltschaft damit zu viel zugemutet worden, mutmasst die GPK. Erschwerend sei hinzugekommen, dass es keine Koordination mit der gleichzeitig durchgeführten Reorganisation der Polizei gegeben habe, keine Projektorganisation.

Verantwortlich dafür ist Regierungsrätin Sabine Pegoraro (FDP), die die Reorganisation plante, vor der Umsetzung und nach den Neuwahlen 2011 aber überraschend von der Bau- in die Sicherheitsdirektion wechselte. Lösen muss das Problem nun ihr Nachfolger Isaac Reber (Grüne), der dabei auch die Rolle eines Parteikollegen neu definieren muss – Richter Enrico Rosa.

Es wird kein einfacher Job – weder für den einen, noch den anderen.

In die Schlagzeilen kam Richter Enrico Rosa im vergangenen August, als er in einem Prozess die angeblich viel zu nachgiebige Staatsanwaltschaft scharf kritisierte und den angeklagten Einbrecher schliesslich zu einer deutlich höheren Gefängnisstrafe als beantragt verurteilte. Auf diesem Urteil baute die Basler Zeitung eine mehrtägige Kampagne wider die angebliche Kuscheljustiz auf. Danach wurde unter anderem in der TagesWoche die Frage aufgeworfen, ob Richter Rosa und sein Umfeld vielleicht sogar am Ursprung der Kampagne standen, weil es ihnen darum ging, auf die angeblichen Missstände in der Baselbieter Justiz aufmerksam zu machen und dabei eine möglichst grosse Aufmerksamkeit zu erzeugen. Womit sich gleich die nächste Frage aufdrängte: jene nach der Befangenheit des Gerichts. Der Fall war offenbar auch in der GPK ein Thema. Man entschied sich aber gegen eine Aufarbeitung, weil es sich um ein spezifisches Problem handelt. Auch weil das Gericht mit seinem Strafmass in den meisten Fällen unter den Anträgen der Staatsanwaltschaft liegt. Womit Rosas Vorwurf falsch ist.

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