Richter Rosa verstrickt sich in Widersprüche

Enrico Rosa liess sich als harter Richter inszenieren. Es schien schon, als hätte er triumphiert in der langwierigen Auseinandersetzung mit der Staatsanwaltschaft. Doch nun hat Rosa selbst ein Problem – mit der Wahrheit. 

Versucht sich zu erklären: Enrico Rosa, Richter. (Bild: Dominik Plüss)

Enrico Rosa liess sich als harter Richter inszenieren. Es schien schon, als hätte er triumphiert in der langwierigen Auseinandersetzung mit der Staatsanwaltschaft. Doch nun hat Rosa selbst ein Problem – mit der Wahrheit. 

Auf eine solche Gelegenheit hat Enrico Rosa wahrscheinlich gewartet. Nun konnte er vorführen, wie schlampig die Baselbieter Staatsanwaltschaft arbeitet. Wie nachsichtig sie gegenüber sogenannten Kriminaltouristen ist. Und die ganze Region sollte davon erfahren.

Rosa ärgert sich schon seit Längerem über die Arbeit der Staatsanwaltschaft. Und das in wechselnden Rollen. Mal als Haftrichter, dann als Strafgerichtspräsident und zeitweise auch als Teil des dreiköpfigen Aufsichtsgremiums über die 2011 vollständig reorganisierte Staatsanwaltschaft.

Grosses Theater

Am Dienstag, 14. August, war die Gelegenheit da. Vor Gericht stand ein 21-jähriger Roma aus Frankreich, ein «ganz gewöhnlicher Dieb», wie es in den Zeitungen hiess. Überhaupt war es ein Allerweltsfall: zwei wenig erfolgreiche Einbrüche. Rosa wusste aber, wie sich etwas Spezielles aus dem Ding drehen liess. «Ein Schauspiel», wie die «Basler Zeitung» genüsslich schreiben sollte. Rosa tadelte die Staatsanwältin, fragte beim Angeklagten unerbittlich nach, belehrte beide. Schliesslich das Urteil: 20 Monate unbedingt – statt 10 Monate, wie die Staatsanwältin beantragt hatte.

Die öffentliche Aufmerksamkeit hatte Rosa auf sicher. Der ganze Prozess wurde nicht nur von Telebasel verfolgt, sondern auch von einem Reporter der «Basler Zeitung». Zur Urteilsverkündung kam dann sogar noch der Chef persönlich vorbei, Markus Somm. Derart präsent ist die BaZ sonst wohl nicht einmal bei einem Jahrhundertfall.

Doch das Kommen lohnte sich; das BaZ-Duo war so begeistert vom «Schauspiel», dass das harte Urteil und die Kritik an der Staatsanwaltschaft im Blatt tagelang ausgewalzt wurden. Erst mit dem Prozessbericht, dann mit einem ausführlichen Interview mit Richter Rosa, dazu einem Frontstück («Richter fordert härtere Gangart»), einem Kommentar («Da ist was faul im Staate»), weiter mit mehreren Reaktionsstücken und schliesslich dem Höhepunkt: Somms Geschoss, ein Leitartikel, in dem er sich über den Angeklagten («Kriminalschauspieler») ebenso lustig machte wie über die Ankläger («Wer von der Baselbieter Staatsanwaltschaft angeklagt wird, braucht keinen Verteidiger»).

Der Richter windet sich

Es war eine perfekte Kampagne gegen die angebliche Kuscheljustiz. Ganz im Sinne der rechten Hintermänner der BaZ. Etwas zu perfekt vielleicht sogar, wie wir bereits in einem ersten Artikel feststellten.

Richter Rosa hatte nämlich schon vor dem Prozess Kontakt zur BaZ gehabt und sie dabei auf den Fall aufmerksam gemacht – auch wenn er nach dem Urteil erst einmal nichts mehr davon wissen wollte, als die TagesWoche bei ihm nachfragte.

Nach mehrmaligem Nachhaken liess er uns dann folgende Erklärung zukommen: «Auf mehrfache Anfrage der Presse zu diesem Thema (der Einbruchdiebstähle; Anmerkung der Redaktion) habe ich auf die entsprechenden anstehenden Verhandlungen gemäss Verhandlungskalender verwiesen.» Auch das ist möglicherweise noch etwas geschönt. Die Wahrheit ist wohl, dass Rosa oder weitere Personen aus seinem Umfeld bestimmte Medien unbedingt dabei haben wollten. «Die Öffentlichkeit war gesucht. Regionale Medien waren aus Gerichtskreisen eigens auf den Prozess aufmerksam gemacht worden, bei dem das Strafgericht eine deutlich höhere Strafe aussprach als (…) gefordert», schrieb die BaZ erstaunlich offen.

Für Rosas Gedruckse gibt es nämlich eine gute Erklärung. Als Richter müssten er und seine Kollegen einem Angeklagten einen fairen Prozess garantieren, mit einem offenen, nicht vorher bestimmten Urteil. «Ein Gericht darf darum keinesfalls schon im Voraus wissen, dass das Urteil besonders hart oder besonders mild sein wird, und darum gewisse Medien auf den Prozess aufmerksam machen», sagt Markus Schefer, Professor für Staats- und Verwaltungsrecht.

Und von einem harten Urteil ist Rosa ganz offensichtlich ausgegangen. Auch wenn er gegenüber der TagesWoche zu dem Fall nun gar nichts mehr sagen will, lässt sich das rekonstruieren.

Am 27. Juni wurden ihm von der Staatsanwaltschaft die Akten zugestellt inklusive Strafantrag: zehn Monate. Daraufhin entschied er, den Fall nicht wie vorgeschlagen nur dem Präsidium, sondern einem Dreiergericht zuzuweisen. Das ermöglichte es, den Angeklagten zu einer harten Strafe zu verurteilen (zu drei Jahren anstatt nur zu einem Jahr maximal).

Im Widerspruch dazu behauptet nun Rosa im Tages-Anzeiger/Newsnetz, es sei ihm gar nicht möglich gewesen, sich im Vor­aus auf ein schlagzeilenträchtiges Urteil vorzubereiten: «Konkret, was den Gerichtsfall angeht, konnte man gar nicht wissen, welche Strafanträge die Staatsanwaltschaft stellen wird.»

Isaac Reber will reden

Dieser Widerspruch ist nicht der einzige Grund, warum der Fall für ihn auch mit dem Urteil noch längst nicht abgeschlossen ist. Verteidigerin Sonja Ryf hat in Justizkreisen jedenfalls bereits angekündigt, das Urteil anzufechten. Öffentlich will sie dazu allerdings nichts sagen. «Weil ich mich nicht auf diese politisch motivierten Ränkespiele einlassen will», wie sie erklärt. Fest steht, dass sie auch jetzt noch Befangenheit geltend machen könnte – wie in Zukunft alle Anwälte bei vergleichbaren Fällen, die Rosa beurteilen sollte.

Und das ist nicht sein einziges Problem. Zum Thema wird wohl auch sein Einsitz in der Aufsichtskommission über die Staatsanwaltschaft, aus der es, Zufall oder nicht, ebenfalls schon gezielte Indiskretionen gab. Sicherheitsdirektor Isaac Reber kündigt für die nächsten Wochen jedenfalls Gespräche an. Thema: Die schwierigen «Schnittstellen» in der Baselbieter Justiz. Und damit wohl auch über Rosa.

 

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 24.08.12

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