Einbruchstouristen, Schlepper und Schmuggler: Die Nordwestschweiz ist mit ihren vielen Grenzübergängen nach Deutschland und Frankreich so belastet wie wenig andere Schweizer Regionen. Die Kantone fordern deshalb mehr Grenzwächter. Grenzwachtkommandant Roger Zaugg begrüsst das im Interview.
Schnell über die grüne Grenze, in ein ruhiges Einfamilienhaus einbrechen – und wieder ab: Kriminalitätstouristen sind in der Nordwestschweiz ein drängendes Problem. Gerade das Baselbiet mit seiner grünen Grenze zu Frankreich leidet daran. In der Kriminalitätsstatistik des Bundes von 2013 weist der Kanton den höchsten Anteil von Einbruchdiebstählen im Rahmen der Gesamtdelikte auf.
Zur Verstärkung arbeiten die Polizeibehörden verstärkt mit dem Grenzwachtkorps zusammen. Die Grenzwächter haben eine grosse Erfahrung mit grenzübergreifender Kriminalität und können die Polizeikorps massgeblich entlasten. Das Problem: Die Grenzwächter sind eine Bundesorganisation. Personell werden die Regionen nach Bedarf ausgestattet. Und der misst sich nicht am Personalbedarf der Kantonspolizei.
Die beiden Basel wollen deshalb mit Standesinitiativen für ein «schlagkräftiges Grenzwachtkorps» den Bund auffordern, den Bestand an Grenzwächtern zu erhöhen (Text der Baselbieter Standesinitiative auf der Rückseite des Artikels). Eine Zahl wird nicht genannt, der Bestand soll situativ erhöht werden. Die Standesinitiativen sind derzeit in Bern hängig und müssen erst noch im Parlament behandelt werden.
Roger Zaugg ist Kommandant der Grenzwachtregion 1, zu der die beiden Basel gehören. Er sagt im Interview, er habe nicht zu wenig Leute, um seinen Auftrag zu erfüllen. Dennoch ist er dankbar für jede Stelle, die er zusätzlich erhält.
Herr Zaugg, wie sicher ist die Grenze in der Region?
Aus meiner Warte ist die Grenze in der Nordwestschweiz sicher. Natürlich ist das auch eine Frage der Betrachtungsweise. Aber verglichen mit den umliegenden Ländern in Europa sind wir sicher.
Aber insbesondere der Kriminalitätstourismus ist in der Region immer noch ein quälendes Problem, gerade wegen der Einbruchdiebstähle. Welchen Stellenwert messen Sie dem zu?
Der Kriminalitätstourismus ist auch für uns ein grosses Thema. Natürlich gab es den in der Region schon immer. Was sich änderte, waren die Form und das Volumen. Wir haben heute zum grössten Teil Personen aus Osteuropa, insbesondere Rumänien, die uns viel Arbeit machen. Gerade die grössere Mobilität durch Grenzöffnungen und Visumserleichterungen vereinfachen Kriminalitätstouristen natürlich vieles. Aus wirtschaftlicher Sicht ist die Schweiz sehr attraktiv. An diesem Wohlstand möchten andere teilhaben, auch auf kriminelle Art und Weise.
Insbesondere die Region Basel kennt das Phänomen Einkaufstourismus durch die unmittelbare Nähe zum Euroland. Wie stark ist das Grenzwachtkorps dadurch belastet?
Der Einkaufstourismus ist etwas, das uns in der Region tatsächlich sehr beschäftigt. Verzollung und das Aufdecken von Gelegenheitsschmuggel: Das sind alles Arbeiten, die uns stark binden und uns natürlich neben der Kriminalitätsbekämpfung und der illegalen Migration stark auf Trab halten.
Wie viele Ressourcen wenden Sie für die Zollkontrollen auf, die Ihnen bei der Kriminalitätsbekämpfung fehlen?
Das kann ich so nicht zu sagen. Die Übergänge sind auch fliessend. Da kontrolliert man, findet ein paar Kilo Fleisch zu viel im Kofferraum und kontrolliert weiter, dann merkt man, die Person hat einen gefälschten Ausweis, und da niemand aus Spass mit einem gefälschten Ausweis durch Europa fährt, ist es vielleicht ein professioneller Schmuggler oder ein Schlepper – und schon sind wir wieder im Bereich der Kriminalität. Daher ist es schwer zu sagen, welche Ressourcen wir für welchen Bereich einsetzen. Das eine kann jederzeit zum anderen führen.
Und wie kontrollieren Sie die Einkaufstouristen?
Auch das darf ich nicht sagen. Aber es ist dieselbe Mischung, die zählt und die unsere Arbeit ausmacht – das Wissen, die Erfahrung, die Wachsamkeit, die Neugier und die Menschenkenntnis des Grenzwächters. Zusammenfassend kann ich es so formulieren: Wir haben mehr Aufgriffe wegen Kriminalität an der Grenze zu Frankreich und mehr Fälle von Schmuggel an der Grenze zu Deutschland.
2013 hatte die Grenzwachtregion Basel 4311 Fahndungen zu behandeln, das waren 1111 mehr als im Vorjahr. Ebenso stiegen die Einsätze zugunsten anderer Behörden von 758 auf 876. Die Medienmitteilung zur Jahresbilanz des Zollkreises und der Grenzwachtregion Basel steht auf der Rückseite des Artikels zum Download bereit.
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Mehr zum Thema: Am Mittwoch, 22. Oktober, 18.15 Uhr, sendet Telebasel einen Bericht über den «Kampf der Baselbieter Polizei gegen Kriminaltouristen».