Die bizarrste Liste der Basler Grossratswahl kommt von der BDP. Sie stellt drei Kandidaten zur Wahl mit ganz und gar nicht bürgerlichen Interessen.
Als Christoph Blocher Anno Domini an der Gründungsversammlung der Basler SVP seine Aufwartung machte, musste er zur Mässigung aufrufen. Die Gründerväter hatten eine gespenstische Truppe versammelt, die so unverhohlen gegen Ausländer wetterte, dass es selbst Blocher unwohl wurde und er gemahnte, die SVP sei kein Forum für Ausländerfeindlichkeiten jeder Spielart.
Die Basler BDP steht seit ihrer Gründung im letzten Sommer vor ähnlichen Herausforderungen wie die damals neue SVP: Sie muss den Filter justieren, wer rein darf und wer nicht, ohne dabei ein Wachstum der Partei allzufest zu behindern.
Listenfüller gesucht
Roland Weiner, Präsident der BDP Basel-Stadt, scheint vor allem das Zweite im Fokus zu haben. Die Not der Kleinpartei ist augenfällig: Es stehen die Grossratswahlen im Oktober an und noch sind die Kandidatenlisten dünn besetzt. Für die Parteiversammlung von letztem Donnerstag hatten Weiner und sein Vorstand «um etliche Listenfüller für die Grossratswahlen» gebeten, wie es auf der Einladung hiess. Man darf gespannt sein, was für Fachkräfte Weiner aus dem Hut zaubert und der bodenständigen, wertkonservativen BDP-Wählerschaft präsentiert.
Dass Weiner über ein Händchen für aussergewöhnliche Biografien verfügt, hat er bereits unter Beweis gestellt. Im Wahlkreis Grossbasel Ost tritt mit René Keller ein Mann an, dessen politischer Fokus eher auf Syrien, dem US-Wahlkampf und der jüdischen Weltverschwörung liegt als auf der Parkraumbewirtschaftung in den Quartieren.
Keller, bei den Gesundheitsdiensten Basel-Stadt, Abteilung Sucht, angestellt, platzierte auf seiner Seite Einträge, wonach seit dem Umsturz in Libyen nur noch Iran, Nordkorea und Kuba keine von den Rothschilds kontrollierte Zentralbank hätten. Er wies auf Freimaurer-Symbole hin an der olympischen Eröffnungsfeier. Er postete zur EU-Überwachung des Internets. Beiträge nach dem Motto: Na, klingelts jetzt?
Mit Herzblut für Assad
Zuletzt legte sich Keller vor allem für den syrischen Herrscher Baschar al-Assad und gegen die «Nato-Mafia» ins Zeug. «Mit der BDP und meiner möglichen künftigen Arbeit als Grossrat hat das aber nichts zu tun», sagt er. Er wolle als Politiker den Mittelstand stärken und sich gegen den EU-Beitritt engagieren. «Verschwörungstheorien sind nur ein Hobby von mir», sagt Keller. Heikel findet er seine Seite nicht.
Auch BDP-Basel-Präsident Weiner gibt sich gelassen. Weiner versichert, er habe von den Inhalten auf Kellers Seite gewusst. Er mache sich keine Sorgen, dass Kellers verwegener Facebook-Auftritt ein schlechtes Licht auf die BDP werfen könnte. Nach einem Telefonat zwischen ihm und Keller im Zuge der Recherchen ist die Seite aber plötzlich leergeräumt.
Stadtbekannter Aktivist
Die Frage, ob Weiner wirklich weiss, welchen Hintergrund die Kandidaten auf seiner Liste mitbringen, stellt sich auch bei Michel Wiederkehr, der im Kleinbasel antritt. Wiederkehr kennt in Basel fast jeder. Er ist ein eingefleischter Fasnächtler und Tattoo-Aktivist. Letzten Winter trat er öffentlich in Erscheinung, als er eine Selbsthilfegruppe für Adoptierte gründete.
2009 tingelte Wiederkehr als Vize-Präsident der Schweizer BDSM-Community durch die Medien. Auf 20 Minuten online klärte der Art Consultant in einer stündigen Ratgebersendung über das Wesen von Bondage- und Sadomaso-Sex auf. Heute mag er nicht darüber sprechen. Einen Gesprächstermin sagt er im letzten Augenblick unter Androhung rechtlicher Schritte ab. Wenn man die Sadomaso-Sache mit der BDP und seiner Kandidatur in Verbindung bringe, werde er strafrechtlich vorgehen. Wiederkehrs letztes Wort ist ein Klickton. «Klick» macht es, als er mitten im Gespräch den Hörer auflegt.
BDP-Basel-Präsident Weiner sagt dazu: «Wir haben keine negativen Meldungen bekommen. Was bei einem Kandidaten privat geht, ist nicht relevant.» Auf die Frage, ob ein Sadomaso-Vize der richtige Mann für die BDP ist, um Stimmen im rechtsbürgerlichen Spektrum zu gewinnen, sagt Weiner: «Die BDP bietet eine breite Palette an Profilen. Alle unsere Kandidaten teilen die Werte und Überzeugungen der Partei, darauf kommt es an.»
Quereinsteiger und Querschläger
Er räumt jedoch ein, dass es schwierig ist, geeignetes Personal zu finden. Zumal er Leute suche, die etwas bewirken können: «Es ist Qualität, die wir brauchen, nicht Quantität.» Ein Blick auf die Wahllisten lässt auch einen anderen Schluss zu: Die Basler BDP zieht vor allem Quereinsteiger und Querschläger an. Entsprechend klein sind die Ambitionen, mit denen die Partei in den Wahlkampf um den Einzug in den Grossen Rat zieht. Geld für Plakate fehlt, man setzt auf Standaktionen und eine Broschüre. Ziemlich steif für eine derart windschiefe Mannschaft.
Zur BDP-Extravaganz zählt auch Kandidat Martin Krumm aus dem Gundeli, der auf seiner Wahlpromoseite unter dem Künstlernamen Flexmaster Dee firmiert. Lastwagenfahrer Krumm hat sich lange Jahre als HipHop-DJ versucht. Seine politischen Einsichten behielt er für sich: «Ich war immer auf SVP-Linie. Doch als Künstler bekommt man Probleme, wenn man sich politisch outet.» Nach dem Polit-Melodrama bei der Wahl von Eveline Widmer-Schlumpf zur Bundesrätin ist er zur BDP umgeschwenkt.
The Swiss Heavyweight, wie sich Krumm auch nennt, will sich gegen den hohen Durchflussverkehr in seinem Quartier und im weiten Feld der Migrationspolitik einsetzen.
Dem Hip-Hop habe er abgeschworen, versichert er: «Ich habe mich für die Familie entschieden.» Deshalb komme er auch für den BDP-Wähler infrage. Krumm gibt unumwunden zu, bis vor Kurzem von der Basler Politik keine Ahnung gehabt zu haben. «Ich habe fünf, sechs Monate geschaut, wie der Grosse Rat funktioniert», sagt er. Dann habe er sich gesagt: «Es muss doch möglich sein, dass einer, der von unten kommt und nicht studiert hat, mitgestalten kann.»
Sympathiebonus
Zumindest ist es für Krumm möglich, bei der BDP mitzugestalten. Dass es für den Einzug ins Kantonsparlament reicht, ist recht unwahrscheinlich. Bei den vergangenen nationalen Wahlen kam die Basler BDP auf 2,2 Widmer-Schlumpf geschuldete Sympathieprozente. Eines hat die Basler BDP immerhin geschafft: Sie hat uns zum Lachen gebracht.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 17.08.12