Sarkozy gerät zwischen die Fronten

Der französische Sozialist François Hollande hat den ersten Durchgang der französischen Präsidentschaftswahlen für sich entschieden und wird fortan von der Linken und den Grünen unterstützt. Präsident Nicolas Sarkozy verliert Stimmen an die rechtsnationale Marine Le Pen. 

Keine Rückkehr: Ex-Präsident Nicolas Sarkozy musste sich am Sonntagabend von seinem Wunsch verabschieden.

(Bild: Keystone)

Der französische Sozialist François Hollande hat den ersten Durchgang der französischen Präsidentschaftswahlen für sich entschieden und wird fortan von der Linken und den Grünen unterstützt. Präsident Nicolas Sarkozy verliert Stimmen an die rechtsnationale Marine Le Pen. 

Der Wahlabend in Frankreich sah zwei strahlende Sieger – aber es waren nicht beide Finalisten, die am 6. Mai das Rennen um den Elysée-Palast unter sich ausmachen werden, sondern nur einer davon: François Hollande erreichte nach den ersten Hochrechnungen rund 28 Prozent der Stimmen. Der 57-jährige Sozialist bezieht damit vor der Stichwahl eine klare Führungsposition. «Ich bin der Bestplatzierte, um nächster Präsident der Republik zu werden», meinte er am Abend selbstbewusst. Das Resultat, so fügte er an, sei in zweiter Linie «eine Desavouierung des amtierenden Präsident Nicolas Sarkozy.»

Krisenvotum oder Protestvotum?

Sarkozy liegt mit knapp 27 Prozent der Stimmen deutlich zurück. Es ist das erste Mal überhaupt in der 1958 gegründeten Fünften Republik, dass ein amtierender Staatschef nicht als Erstplatzierter in die Endrunde einzieht. Trotzdem meinte er, er ziehe «mit Zuversicht» ins Finale. Der erste Wahlgang sei ein «Krisenvotum» gewesen, da viele Franzosen Angst hätten und litten. Die 2007 gegen den Gaullisten unterlegene Sozialistin Ségolène Royal meinte hingegen, das schlechte Ergebnis des Präsidenten sei ein «Protestvotum».

Sicher ist: Hollande hat diesen persönlichen Etappensieg weniger seinem Charisma zu verdanken als seinem taktischen Feingefühl. Damit bodigte er nicht nur den gewieften Wahlkämpfer Sarkozy, sondern auch seinen auftrumpfenden Linksrivalen Jean-Luc Mélenchon, der rund 10 Prozent der Stimmen erhielt und seine Wähler dazu aufrief, im zweiten Wahlgang für Hollande zu stimmen: «Es geht darum, die Tendenz umzudrehen, die in Europa alle Völker unter dem Joch der Achse Sarkozy-Merkel unterdrückt.» Auch die deutlich unterlegene Kandidatin der Grünen, Eva Joly, hat Hollande ihre Unterstützung zugesichert.

Marine Le Pen übertrumpft ihren Vater

Fast noch spektakulärer ist allerdings das Abschneiden von Marine Le Pen: Die Rechtsnationale dürfte rund 19 Stimmenprozent erzielt haben – ein Spitzenergebnis für den Front National. Das wäre noch mehr als ihr Vater Jean-Marie Le Pen vor zehn Jahren erzielte; er stach damals im ersten Wahlgang den Sozialisten Lionel Jospin mit 17 Prozent aus, um erst in der Endwahl an Jacques Chirac zu scheitern.

Jetzt scheint nicht ein Sozialist, sondern Bürgerlicher ein Opfer des Schreckgespenstes Le Pen zu werden: Um auf Hollande aufzuschliessen, fehlen Nicolas Sarkozy genau die Stimmen, die Marine Le Pen zu den Umfrage-Prognosen hinzu gemacht hat.

Der Grund ist nicht weit zu suchen: Namentlich in der Merah-Affäre in Toulouse versuchte der amtierende Präsident dem Front National mit billiger Anbiederei Wähler abspenstig zu machen. Diese bevorzugen aber, um mit dem alten Fuchs Le Pen zu reden, das Original der Kopie.

Sarkozys Chancen sind stark geschrumpft 

Sarkozys Taktik für den ersten Wahlgang ist damit kläglich gescheitert. Er hätte den Spitzenplatz im ersten Wahlgang gebraucht, um seiner wankenden Kandidatur neue Dynamik zu verleihen. Jetzt gerät er zwischen die Fronten: Er müsste gleichzeitig Le Pen-Wähler wie die politische Mitte des Zentristen François Bayrou ansprechen – politisch ein Ding der Unmöglichkeit.
Laut vertieften Studien der Meinungsforscher scheint höchstens die Hälfte dieser zwei Wählergruppen bereit, zu dem teils geradezu verhassten Sarkozy überzulaufen. Damit steht der Staatschef arithmetisch auf verlorenem Posten. Um noch zu gewinnen, müsste er geradezu zaubern – und das wäre selbst vom Tausendsassa im Elysée etwas viel verlangt.

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