Erste Umfragen geben Sarkozy für den zweiten Wahlgang am 6. Mai nur 44 Prozent, seinem Gegner Hollande hingegen 56 Prozent der Wählerstimmen. Sarkozys schärfste Gegnerin ist Marine Le Pen, die sich schon als «neue Chefin der Opposition» sieht.
Die Schweizer Zeitungen sind in ihren Analysen der französischen Präsidentenwahl ebenso zögerlich und unvollständig wie die meisten Politanalysten am Sonntag Abend auf allen TV-Kanälen Frankreichs: Sie orakeln, ob die 18,5 Prozent-Wählerschaft des Front National von Marine Le Pen dem klar geschlagenen Präsidenten Nicolas Sarkozy (UMP) im zweiten Wahlgang am 6. Mai doch noch zur Wiederwahl verhelfen könnten. Oder ob «Sarko» sich lieber der geschwächten Mitte um François Bayrou anbiedern sollte, dessen «MoDem» nur 8,7% erreicht hat. Tenor: Sarkozy stehe nun «zwischen den Fronten.»
Einzige Ausnahmen: Die NZZ, die zum Schluss kommt, dass die Sache für Sarkozy wohl gelaufen sei. Und Erik Izraelewicz, der Chefredaktor von «Le Monde», der schon am Sonntag Abend festhielt, mit Sarko sei es definitiv vorbei. Der Grund sei die überraschend stark da stehende Chefin des rechten Front National, die alles daran setzen werde, um Sarkozy am 6. Mai wegzufegen («balayer», wie es Französisch so schön heisst).
Diese Analyse ist absolut stringent. Und die Aussagen Le Pens in ihrer Siegesrede bestätigen diese: «Ich bin die neue Chefin der Opposition», sagte sie da unmissverständlich. Und: «Die Schlacht Frankreichs hat soeben erst begonnen.»
«Changement» – im Rechtsblock
Damit ist klar: Nach ihrem überraschenden Erfolge vom Sonntag plant Le Pen jetzt den Durchmarsch an die Spitze des Bürgerblocks in Frankreich. Und das geht halt nur, wenn als nächste Etappe am 6. Mai Sarkozy weggeputzt wird. «Le changement», jenen «Wechsel» in der Führung, den sich fast 75 Prozent der Französinnen und Franzosen am Sonntag wünschten, den will auch Marine Le Pen immer noch: Nach ihrem Ausscheiden aus dem Präsidentenrennen jedoch am 6. Mai erst mal einen Wechsel an der Spitze der Rechten in der Opposition.
Wenn Sarkozy mal weg ist, könnte Le Pen problemlos die neue Chefin der rechten Opposition werden. Und erst wenn er weg ist, kann sie ihre erfolgreiche Strategie fortführen: Die Öffnung und Ausweitung ihrer Partei gegen die Mitte. Rechts der Mitte nämlich gibt es nach Sarkozys Abgang dann keine wirkliche Prominenz mehr – ausser eben der flexiblen erst 43 Jahre alten Marine Le Pen, die sich längst schlau von ihrem extremistischen und rassistischen Vater und Vorgänger als Parteichef Jean-Marie Le Pen distanziert hat.
Neuer Parteiname, neuer Anlauf, neue Staatspräsidentin?
Erst am 1. Mai will Le Pen ihre Parole für den 6. Mai ausgeben. Es kann nur ein Aufruf zur Stimmenthaltung sein. Für sie ist Hollande oder Sarkozy ohnehin Hans was Heiri: Beiden wirft sie vor, Hampelmänner der EU-Bürokraten und Lakaien der internationalen Finanzmafia zu sein. Insgeheim wird sie jedoch in ihrem Front National für eine Wahl Hollandes weibeln – und sei es nur in Form eines Aufrufs zum «Changement». Gemäss ersten Umfragen wollen nur die Hälfte der FN-Anhänger am 6. Mai Sarkozy wählen – aber doch immerhin 17% für Hollande stimmen.
Wechseln will der «Front National» offenbar auch seinen rechtsextrem-militaristisch tönenden Namen. Auch das passt: Sobald Sarkozy weg ist, hat Le Pen dann fünf Jahre Zeit, die ganze Rechte Frankreichs im Oppositions-Kampf gegen Hollande und gegen die Linke unter neuem Namen zu einen. 2017 will sie es dann erneut versuchen. Sie wird dann 48 Jahre alt sein und rechnet sich jetzt schon gute Chancen aus, dann zur Staatspräsidentin gewählt zu werden.