SBB verzichten auf Schadstoff in Tickets

Noch ist Bisphenol-A nicht generell verboten. Der hormonaktive Umweltschadstoff ist jedoch schon seit einigen Jahren aus Babyschoppen und Ähnlichem verschwunden. Nachdem Migros und Coop in diesem Jahr bereits ihre Kassenzettel auf Bisphenol-A freies Papier umgestellt haben, zieht nun auch die SBB nach.

(Bild: Nils Fisch)

Noch ist Bisphenol-A nicht generell verboten. Der hormonaktive Umweltschadstoff ist jedoch schon seit einigen Jahren aus Babyschoppen und Ähnlichem verschwunden. Nachdem Migros und Coop in diesem Jahr bereits ihre Kassenzettel auf Bisphenol-A freies Papier umgestellt haben, zieht nun auch die SBB nach.

Bisphenol-A oder BPA ist einer der derzeit meistdiskutierten Umweltschadstoffe. Was im Wesentlichen an zwei Dingen liegt: BPA kann im menschlichen Körper wirken wie Östrogen. Und es ist einfach überall.

Bisphenol-A steckt in vielen Kunststoffen, in CDs und DVDs, in Flammschutzmitteln, Baustoffen und Epoxidharzen. Computergehäuse enthalten Bisphenol-A genauso wie Plastikschüsseln, Wasserkocher und Motorradhelme. Konservendosen sind mit BPA-haltigen Kunstoffen beschichtet und in der Sofafüllung findet es sich auch. Besondere Beachtung fand in den vergangenen Jahren die Verwendung in Thermopapier von Kassenzetteln und Fahrkarten.

Nach Ansicht der meisten Umweltschutzorganisationen sollte es verboten werden. In den EU-Ländern ist dies zumindest in Babyflaschen bereits überall der Fall. Der Schweizer Bundesrat lehnte ein Verbot der Chemikalie im Juni vorerst ab.

Wärme fördert die Freisetzung von BPA aus Kunststoffen

Seinen derzeit hohen Rang in der Hierarchie der Umweltschadstoffe verdankt der chemische Stoff Bisphenol-A seiner Entstehungsgeschichte. In den 1930er-Jahren wurde er als Ersatz für natürliches Östrogen erfunden, das bis dahin nur durch aufwendige Extraktion aus Stutenurin zu gewinnen war. Die östrogene Wirkung von Bisphenol-A war im Vergleich zu anderen synthetischen Stoffen zu schwach, Bisphenol-A trat aber in Folge einen Siegeszug durch die Kunststoffindustrie an.

Aus Kunststoffen kann Bisphenol-A auch wieder freigesetzt werden. Menschen kommen vor allem durch verunreinigtes Wasser oder Lebensmittel mit der Chemikalie in Kontakt, BPA kann jedoch auch durch die Haut in den menschlichen Organismus gelangen. Wärme oder Aufheizen und der Kontakt mit Säuren und Laugen fördern den Freisetzungsprozess. In die Umwelt gelangt BPA meist über Abwässer. Trinkwasser ist bei geeigneter Klärung so gut wie BPA-frei.

Durch Kontakt mit heissem Wasser erhöht sich die an die Umwelt freigegebene Menge an Bisphenol-A um ein Vielfaches. Im Haushalt gilt das vor allem beim Reinigen von Polycarbonat-Kunststoffen (PC) in Spülmaschinen und der Erhitzung in Wasserkochern sowie beim Erwärmen von Plastikflaschen und beim Erhitzen von Kunststoffen in der Mikrowelle. In den Körper gelangt Bisphenol-A meist durch Nahrungsmittel, die den Schadstoff aus der Verpackung aufgenommen haben. Die grössten Mengen an BPA befinden sich in Fleisch- oder Fischkonserven. Einer der Gründe, weshalb man Konservendosen nicht erwärmen sollte.

BPA galt lange als harmlos

Die Bewertung möglicher gesundheitlicher Risiken durch Bisphenol A wird seit Jahren kontrovers diskutiert. Beweise für die hormonaktive Wirkung von BPA gibt es reichlich. Untersuchungen zeigen, dass Bisphenol-A die Wirkung weiblicher Sexualhormone verstärkt und die männlicher Sexualhormone hemmt.

In Tierversuchen belegt hat beispielsweise ein französiches Forscherteam um Jaques Auger die Verweiblichung männlicher Rattenembryos durch Bisphenol-A. In anderen Studien wurden Fehler bei der Entwicklung des Gehirns, Nervenschäden und Fortpflanzungsstörungen beobachtet. Allerdings sind die in Tierversuchen verwendeten Konzentrationen des Schadstoffs relativ hoch. Bei Menschen gibt es ebenfalls Anzeichen für Verweiblichung und Fruchbarkeitsstörungen, wenn sie höheren Dosen von BPA ausgesetzt waren.

In Verbindung gebracht wird BPA auch mit Stoffwechselstörungen wie Übergewicht und frühkindlichen Verhaltensstörungen. Eine Rolle beim Entstehen hormonabhängier Krebsarten wie Brust- und Eierstockkrebs ist ebenfalls nicht auszuschliessen. BPA wurde im Nabelschnurserum ungeborener Kinder gefunden, das bedeutet, es durchdringt die Blut-Planzenta-Schranke und ist damit theoretisch in der Lage, Schäden bei Ungeborenen auszulösen. Welcher Grenzwert für den Menschen noch unschädlich ist, wird derzeit diskutiert. Zu beachten ist dabei, dass Grenzwerte in «µg» Substanz pro Kilogramm Körpergewicht angegeben werden. Babys und Kleinkinder sind also aufgrund ihres geringen Körpergewichts einer höheren Gefährdung ausgesetzt.

Einige Länder haben bereits reagiert

Trotz der bekannten Risiken galt BPA für die Gesundheitsbehörden bis Anfang des Jahrtausends noch als relativ harmlos. Als sich vor einigen Jahren die Hinweise verdichteten, dass die Chemikalie auch in geringen Konzentrationen schädlich sein könnte, begann ein Umdenken. Sowohl die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA wie auch die europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA regten eine Neubewertung an. In der EU soll diese etwa Ende 2013 abgeschlossen sein.

Kanada und einige Staaten der USA haben Bisphenol A-haltige Babyflaschen vor mehreren Jahren vorsorglich verboten, Dänemark folge 2010 mit einem weitergehenden Verbot, das alle Gegenstände einschliesst, die Kontakt zu Lebensmitteln für Kinder haben. In 2011 wurde die Verwendung von BPA-haltigen Polycarbonat-Kunststoffen in Babyflaschen in der EU eingeschränkt. In Frankreich soll der chemische Stoff bis 2015 auch aus allen Lebensmittelverpackungen verschwunden sein.

In der Schweiz gibt es seit 2011 auf freiwilliger Grundlage praktisch keine Babyflaschen mehr, die Bisphenol-A enthalten. Auch andere Hersteller wie Sigg änderten bereits die Beschichtungen ihrer Behälter. In diesem Jahr stellen Coop und Migros ihre Kassenzettel auf BPA-freies Papier um. Bis zum Fahrplanwechsel im Dezember 2013 werden nun auch die SBB überall BPA-freie Fahrkarten anbieten können, wie sie auf Nachfrage erklären.

Hautkontakt mit Kassenzetteln, Parkscheinen und Fahrkarten, die noch Bisphenol-A enthalten, lässt sich kaum vermeiden, dennoch lässt sich einiges tun, um das Umweltgift zu vermeiden.

Vorbeugen

Vorsichtig sein im Umgang mit BPA-haltigen Kunststoffen sollten vor allem Kleinkinder und Frauen in der Schwangerschaft. Babyflaschen enthalten seit 2011 nur noch wenig oder gar kein Bisphenol-A mehr. Das gilt jedoch nicht für andere Gegenstände, die Kontakt zu Nahrungsmitteln für Kinder haben, sofern sie nicht anders bezeichnet sind. Also Vorsicht, wenn das Baby am Handy nuckelt.

BPA ist vor allem in Polycarbonat-Kunststoffen (PC) enthalten. Polypropylen (PP) und Polyethylen (PE), die zu den am häufigsten verwendeten Kunststoffen für Lebensmittelverpackungen und Einkaufstüten zählen, enthalten kein Bisphenol-A.

Für diejenigen, die vorbeugen möchten, ist es ausserdem generell ein guter Rat, Neuanschaffungen bei der ersten Benutzung «leer» zu betreiben, wie das zum Beispiel bei Backöfen, Kaffeemaschinen und Teflonpfannen vom Hersteller empfohlen wird. Dieses Vorgehen dient generell zum Entfernen oder zur Reduktion unerwünschter Stoffe, die auch aus dem Herstellungsprozess übrig sein können.

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