Künftig ist ein HIV-Bluttest für Rekruten obligatorisch, die sich für den Gesundheitsdienst entscheiden. Aids-Fachleute haben für diese Neuerung kein Verständnis.
Ab 2014 müssen sich angehende Sanitäts- oder Spitalsoldaten sowie Einheitssanitäter einem Bluttest unterziehen. Dies hat die Armee kürzlich in einer Medienmitteilung bekannt gegeben. Somit würde die Armee als erste Institution in der Schweiz einen obligatorischen Bluttest von ihren «Mitarbeitern» verlangen. HIV-Infizierte würden somit kategorisch von gewissen Funktionen ausgeschlossen.
Für Harry Witzthum, Mediensprecher und Mitglied der Geschäftsleitung von «Aidshilfe Schweiz», ist dies eine beunruhigende Entwicklung. Auch Jurist Sascha Moore (groupe sida genève) sagt: «Wir sind damit gar nicht zufrieden.» Die Fachleute begrüssten zwar die erhöhte Zugänglichkeit von Aids-Tests, aber nicht auf obligatorischer Basis. «Die Präventionsarbeit ist schweizweit auf freiwilligen HIV Tests aufgebaut. Dies funktioniert gut – wir haben also keinerlei Verständnis, weshalb nun in bestimmten Bereichen ein Obligatorium bestehen soll», sagt Moore.
«Wir wollen alles in unserer Macht stehende tun, damit die Leute gesund vom Militärdienst zurückkehren.»
Die Begründung, dass man mit dem Obligatorium der Ansteckung vorbeugen wolle, sei schwach, so Moore. Medizinisch seien die Ängste grundlos: «Wenn die gewöhnlichen Richtlinien in Hygiene und Vorsicht, die für das ganze Gesundheitswesen gelten, auch im Militär eingehalten werden, besteht überhaupt kein Grund zur Sorge.»
Franz Frey, Leiter des militärärzlichen Diensts, sieht dies anders. Ihm zufolge habe das Militär als «Zwangsgemeinschaft» ein «anderes medizinisches Sicherheitsdenken». Die Rekruten könnten sich nicht aussuchen, wo und mit wem Sie ihrem Dienst absolvierten: «Daher müssen wir alles in unserer Macht stehende tun, damit die Leute wieder gesund nach Hause zurückkehren.»
Die rechtlichen Grundlagen sind umstritten
Laut Frey sei bisher zwar noch kein Fall von HIV-Ansteckung im Militärdienst bekannt; es bestehe aber eine «potenzielle Gefahr». Zudem seien die Sanitäter im Militär keine «Gesundheitsfachleute». «Viele haben zum ersten Mal mit Injektionen und anderen heiklen Situationen zu tun, wo der Austausch von Körperflüssigkeiten möglich ist. Bei Nicht-Profis kann schneller etwas passieren.» Witzthum von «Aidshilfe Schweiz» hält dies für ein «Scheinargument». Ein «Minimalstandard» an medizinischer Grundausbildung vor dem Dienst sei erforderlich, und während der Rekrutierung müsse halt ausgebildetes Pflegepersonal zurate gezogen werden.
Auch die rechtlichen Grundlagen sind umstritten. Der juristische Fachmann Moore kann nicht mit Sicherheit sagen, ob die Massnahme das Persönlichkeitsrecht verletzt. Das Eidgenössisches Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport VBS deklariere die rechtlichen Grundlagen völlig unzureichend – die Kommunikation lasse zu wünschen übrig. «Es mag sein, dass es durchaus einen Abschnitt oder Paragraphen gibt, der ihnen diese Kompetenz erteilt – wir kennen keinen. Verständlich wäre es dadurch aber noch lange nicht.» Der Rechtsdienst der «Aidshilfe Schweiz» wird das VBS mit der Rechtsfrage konfrontieren und ihre Argumente überprüfen.
Moore befürchtet, dass die Einführung des obligatorischen Bluttests im Militär eine «Kettenreaktion» auslösen könnte: Die Polizei etwa, bei der ein Obligatorium schon mehrere Male zur Diskussion stand, könnte nun nachziehen.
HIV-Kranke würden «ausgeschlossen» und «diskriminiert».
Armeesprecher Christoph Brunner betont, dass HIV-Kranke ja nicht grundsätzlich vom Militärdienst freigestellt würden. «Das Gesundheitswesen macht nur zirka drei Prozent des Militärs aus – wenn sich also jemand für die Sanität entscheidet und sich dann als HIV-positiv herausstellt, kann er immer noch in eine andere Abteilung wechseln.»
Laut Witzthum könne man so nicht argumentieren – es sei eine «Diskriminierung», wenn HIV-Infizierte aufgrund ihrer Krankheit zu gewissen Tätigkeiten nicht zugelassen würden, zumal heute bei sorgfältigem Umgang kein Grund zur Besorgnis bestehe.
«Es geht natürlich nicht darum, die Krankheit zu verharmlosen», sagt Witzthum – trotzdem müsse man sich der heute möglichen medizinischen Präventions- und Behandlungsmöglichkeiten bewusst sein.