Im Kampf gegen die Fusion der beiden Basel ist die Baselbieter SVP offensichtlich zu allem bereit. Im Landrat zitiert die Rechtspartei sogar Bertolt Brecht. Dennoch geht für sie die entscheidende Abstimmung im Parlament verloren: Das Volk wird Ende September über einen Gegenvorschlag abstimmen können, der es den Skeptikern auf dem Land leichter machen wird, ein Ja in die Urne zu legen.
Die Landratsdebatte über die Initiative zur Fusion der beiden Basel begann mit zwei interessanten Erkenntnissen. Erstens: auch ein SVPler wie Oskar Kämpfer hat seinen Brecht gelesen. «Doch die Verhältnisse sind nicht so», zitierte der Rechtspolitiker den sozialistischen Literaten. Und meinte damit: nicht so wie sie sein sollten.
Während es bei Brecht um die Missverhältnisse im Kapitalismus geht, denkt Kämpfer eher etwas kleiner – an den Landrat. Wenn dieses Gremium die Vorlage tatsächlich begriffen hätte, würde es die Initiative einstimmig ablehnen, glaubt Kämpfer.
Doch offenbar fehlt einigen Parlamentariern dieses Verständnis. Darum brachte Kämpfer nochmals eine ganze Reihe von Argumenten vor, was zur Erkenntnis Nummer 2 führte: Offenbar kann auch ein gebürtiger Walterswiler (BE) wie er zu tiefen Einsichten über das Verhältnis von BL und BS gelangen. Die wichtigste zuerst: diese beiden Kantone passen nicht zusammen. Weil: Basel hat im Verhältnis neben sehr viel mehr Beamten und sehr viel mehr Sozialhilfeempfängern auch noch sehr viel mehr Ausländer als das Baselbiet.
@BalzStuecki Müssen wir Truppen an die Birs verschieben?
— Baschi Dürr (@BaschiDuerr) 12. Juni 2014
Doch damit nicht genug. Die Stadt hat auch noch ein anderes Kulturverständnis, ein passives, da wird nicht mehr selbst gesungen und musiziert und Theater gespielt, nein, da wird nur noch konsumiert.
Basel so schlimm wie Neapel
Hinzu kommt: Die Abfallsituation in Basel ist so schlimm wie die in Neapel, in den Basler Schulen werden Millionen verschleudert und wenn es trotz allem zur Fusion kommen sollte, wird man sich auf dem Land auf Druck der Stadt wahrscheinlich auch nur noch vegetarisch ernähren dürfen.
Spätestens zu diesem Zeitpunkt begann man zu ahnen, dass Kämpfer die meisten seiner Informationen wohl doch eher der «Basler Zeitung» entnimmt als dem Brecht.
«Zuspitzen, dramatisieren, verunglimpfen – das alles sind Mittel des politischen Kampfes, das müssen wir akzeptieren.»
Dem politische Gegner wäre es umgekehrt wahrscheinlich lieber gewesen: etwas mehr wirkliche Literatur anstelle der BaZ-Fiktion. «Ich verwahre mich gegen solche abschätzigen Aussagen über unseren Nachbarkanton», sagte Regula Meschberger (SP) leicht enerviert, während sich der Grüne Initiant Klaus Kirchmayr betont überlegen gab.
«Zuspitzen, dramatisieren, verunglimpfen – das alles sind Mittel des politischen Kampfes, das müssen wir akzeptieren.» In Anbetracht der dramtischen Finanzlage im Baselbiet «überrasche» es ihn aber schon, dass die Gegner nicht einmal die nötige Neugier hätten, die Initiative als möglichen Ausweg aus der Krise zu prüfen.
Die Wut des alten Berners
Diese Äusserungen hätten ihn «erschüttert», sagte danach der Laufner Rolf Richterich (FDP BL, vormals BE). Bei dieser Vorlage gehe es nicht nur um ein Prüfung. Oder anders gesagt: um ein «Simulationsprogrämmli». Sondern um ein langwieriges Verfahren, an dessen Ende die Aufgabe der Souveränität stehe. Darum brauche es nun einen klaren Entscheid. Nein zur Fusions-Initiative. Nein zum Gegenvorschlag.
Um diese beiden Punkten ging es dann in der Folge: Einerseits um die Initiative für die Fusion der beiden Basel und andererseits um den Gegenvorschlag der beiden vorberatenden Kommissionen und dem neuen Vorschlag des Basler Parlaments. Gemäss Initiative wären die Baselbieter und Basler im geforderten Verfassungsrat gleich stark vertreten, gemäss den beiden anderen Modellen bekäme das bevölkerungsreichere Baselbiet mehr Sitze.
Auch darüber gelang es dem Landrat, überraschend lange zu diskutieren.
Schön wäre es gewesen, wenn Kämpfer jetzt noch einmal den Brecht hervorgeholt hätte. «Reden über Angelegenheiten, die durch Reden nicht entschieden werden können, muss man sich abgewöhnen», hätte er nun zitieren können. Aber Kämpfer war mit seinem Brecht nach dem einen Zitat offenbar schon am Ende.
Also wurde diskutiert und diskutiert und diskutiert, obwohl der wirklich wegweisende Entscheid Ende September beim Volk liegt.
Schaden sich die Gegner selbst?
Schliesslich stimmte der Landrat doch noch ab. Es resultierte: ein deutliches Ja zum Gegenvorschlag nach dem Basler Modell (mit 48 zu 40 Stimmen) und eine ganz knapp ablehnende Empfehlung zur Fusionsinitiative (43 zu 42 Stimmen). Gegen die Initiative waren SVP und FDP, dafür die SP und die Grünen, die Mitte war gespalten. Und trotzdem hätte es die SP in der Hand gehabt, ein Ja durchzusetzen – Andreas Giger und Jürg Degen enthielten sich aber der Stimme. Und mit Hannes Schweizer hat die SP auch noch einen bekennenden Fusionsgegner in ihren Reihen, der allerdings davor warnt, sich abschätzig über die Stadt zu äussern, so wie es die SVP und einzelne FDPler tun. Das helfe nur den Befürwortern.
Denn: «Nichts ist vernünftiger in der Welt, als von den Torheiten anderer Vorteil zu ziehen.» Aber das ist jetzt nicht Brecht, sondern Goethe. Egal. Entscheidend ist: Der Basler Rat wird sich nun aller Voraussicht nach nun ebenfalls für den Gegenvorschlag aussprechen. Danach werden die Initianten ihre Initiative zurückziehen und das Volk nur noch über den Gegenvorschlag abstimmen. Im Falle eines Ja würde ein Verfassungsrat gebildet, in dem die Baselbieter in der Mehrheit wären (75 Landschäfter gegenüber 50 Städtern). Dieses Gremium würden die Grundlagen des neuen, gemeinsamen Kantons Basel erarbeiten.
Ein klares Jein
Ob der Landrat für oder gegen die Einleitung dieses Prozesses ist, bleibt auch nach der zweiten und letzten Lesung unklar. Auf Antrag der CVP wurde entschieden, ausnahmsweise einen Gegenvorschlag ohne Empfehlung vorzulegen.
Offenbar wusste die Mehrheit im Landrat nach der langen Diskussion auch nicht mehr recht, was sie von der Sache jetzt halten sollte. Wahrscheinlich hätten Grössen wie Brecht oder Goethe auch zu diesem Umstand noch was Schlaues sagen können. Aber zu diesem späten Zeitpunkt war ihr Geist wohl schon längst aus dem Landratssaal entschwunden.