Schliessung Frauenklinik: «Die Stimmung ist auf dem Nullpunkt»

Die Situation in der Frauenklinik des Bruderholzspitals spitzt sich zu. Zwölf Mitarbeiterinnen haben bereits ihre Kündigung eingereicht – weitere melden sich wegen psychischer Belastung krank. Es werde massiv Druck von der Leitung ausgeübt, berichtet eine Hebamme.

2015 kamen in der Schweiz überdurchschnittlich viele Kinder zur Welt.

(Bild: Keystone)

Die Situation in der Frauenklinik des Bruderholzspitals spitzt sich zu. Zwölf Mitarbeiterinnen haben bereits ihre Kündigung eingereicht – weitere melden sich wegen psychischer Belastung krank. Es werde massiv Druck von der Leitung ausgeübt, berichtet eine Hebamme.

Rund 500 Babys haben mithilfe von Katharina Locher* im Bruderholzspital das Licht der Welt erblickt. Dass sie in diesem Spital schon bald keine Geburten mehr begleiten wird, scheint für die Hebamme noch surreal zu sein. Seit bekannt ist, dass die Frauenklinik auf dem Bruderholz ab dem 1. Februar 2016 ins Bethesda Spital ausgelagert wird, herrscht Trauerstimmung und Verunsicherung in den Gängen der Klinik. 

«Dieser Entscheid trifft uns sehr. Es fällt schwer, unter diesen Umständen motiviert zu arbeiten», sagt Locher, die seit zehn Jahren beim Kantonsspital Baselland angestellt ist.

Wie ihre Zukunft aussieht, weiss Locher nicht. Während das nahe Umfeld von Frauenklinik-Chefarzt David Hänggi vom Bethesda Spital einfach so übernommen wird, müssen sich die Hebammen und Pflegerinnen des Bruderholzspitals selber um eine Anstellung bemühen. «Das Personal an der Basis ist bei der Privatisierung der Frauenklinik auf der Strecke geblieben», sagt die Hebamme.

Schlechte Konditionen im Bethesda

Das Bethesda wird laut Hänggi 58 der 94 Mitarbeitenden der Frauenklinik übernehmen, darunter zehn Hebammen. Bei den Pflegerinnen und Hebammen gilt das Privatspital jedoch nicht als attraktiver Arbeitgeber. Wer zum Bethesda wechsle, verdiene bis zu 1000 Franken im Monat weniger und müsse mit grossen Verlusten in der Pensionskasse rechnen, so Locher. «Wir werden alle von der Leitung des Gebärsaals massiv unter Druck gesetzt, selber zu kündigen.» Die rund 50-Jährige vermutet, dass man mit dieser Strategie eine Abfindungszahlung umgehen möchte.

Sechs Hebammen und sechs Pflegerinnen auf der Wochenstation und Gynäkologie hätten mittlerweile von sich aus die Kündigung eingereicht. Der Betrieb in der Frauenklinik, die jährlich 700 Geburten verzeichnet, ist gemäss Locher nur noch schwer aufrechtzuerhalten. «Es gibt Schwierigkeiten, die kommenden Dienstpläne zu schreiben, weil das Personal fehlt.»

Locher spricht von einem «schlechten Umgang» mit den Angestellten. Die Stimmung in der Klinik sei auf dem Nullpunkt, so seien auch einige Krankmeldungen wegen psychischer Belastung eingegangen.

Enttäuscht von Chefarzt Hänggi

Nicht gut zu sprechen ist die Hebamme auf Chefarzt David Hänggi. Locher kritisiert, dass sich Hänggi seit Ankündigung der Übernahme im Juni kaum mehr beim Personal blicken lasse und sich in dieser schwierigen Situation unsensibel zeige. «Nie hätten wir damit gerechnet, dass er derart gnadenlos mit Existenzen umgeht», sagt sie. «Er sieht sich als Retter der Frauenklinik. In Wahrheit ist nicht die Klinik gerettet, sondern das Ärztepersonal.»

Hänggi selber zeigt sich betroffen und enttäuscht von den Vorwürfen. «Wir haben uns unter anderem für das Bethesda entschieden, weil wir so einem grossen Teil unserer Mitarbeiter eine Perspektive anbieten können. Von 94 Frauenklinik-Mitarbeitenden haben 58 ein Stellenangebot im Bethesda – davon nur 14 Ärzte.» Wenn das Bruderholz wie geplant zur Tagesklinik für operative Eingriffe und Interventionen wird, hätte von den Angestellten der Frauenklinik niemand mehr eine Stelle gehabt. «Man muss den Gesamtkontext im Auge behalten», so Hänggi.

Alle sollen ein Angebot erhalten

Die Spitalleitung ist bemüht, nicht noch mehr Geschirr zu zerschlagen: «Das Kantonsspital Baselland nimmt die Sorgen und Ängste der betroffenen Mitarbeitenden sehr ernst und stellt sich diesen», sagt Kommunikationsleiterin Christine Frey. Man wolle das Beste für alle Beteiligten erreichen und werde sich bemühen, «alle im Gesamtsystem» weiter zu beschäftigen. «Es erhalten alle Mitarbeitenden ein Angebot, allenfalls nicht am angestammten Platz. Selbstverständlich werden dabei auch arbeitsrechtliche Aspekte berücksichtigt.»

Dass es Schwierigkeiten gebe, den Betrieb aufrechtzuerhalten, verneint Frey: «Wir haben genügend Personal und können flexibel auch mit Pensenerhöhungen arbeiten. Mit unseren anderen Standorten und anderen Spitälern wurde zudem vereinbart, uns Personal abzutreten, sofern notwendig.» Man könne jederzeit alle Geburten aufnehmen.

Viele Geburten werden es bis Ende Januar ohnehin nicht mehr sein. Wer ein Baby erwartet, wird sich für die Entbindung kaum für eine Klinik entscheiden, die sich mitten in der Schliessung befindet.

* Name der Redaktion bekannt

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