Schluss mit Lachsbrötchen

Daniel Goepfert ist bald nicht mehr höchster Basler. Nach rund 300 Apéros freut er sich, endlich wieder Politik zu machen. Wer weiss, vielleicht bald als Nationalrat.

«Mit Apéros kann ich nichts mehr anfangen»: Im Januar 2013 gibt der Sozialdemokrat Daniel Goepfert den Sessel als höchster Basler ab. (Bild: Michael Würtenberg)

Daniel Goepfert ist bald nicht mehr höchster Basler. Nach rund 300 Apéros freut er sich, endlich wieder Politik zu machen. Wer weiss, vielleicht bald als Nationalrat.

Den Politiker sieht man Daniel Goepfert nicht an. Er hat sich in diesem Jahr auch alle Mühe gegeben, ihn zu verbergen. Das verlangt das Amt des Grossratspräsidenten. Als solcher soll man nicht viel mehr als ein Sitzungsleiter sein, ein Repräsentant des 100-köpfigen Basler Parlaments.

Wenn Goepfert es nicht mehr aushielt, setzte er sich abends an seinen Computer und schrieb Vorstösse. Zehn und mehr haben sich angesammelt. Im Februar will der Sozialdemokrat sie wieder aus der Schublade ziehen und einreichen. Dann ist er nicht mehr oberster Basler, sondern wieder Politiker. «Ich habe das Mitreden vermisst», sagt Goepfert.

Beinahe hätte er für immer als ­Politiker geschwiegen. Eigentlich wollte er nicht mehr aufs politische Parkett zurückkehren, nachdem er bereits von 1992 bis 2005 im Grossen Rat sass und wegen der Amtszeitbeschränkung seinen Sessel räumen musste. Aber Goepfert konnte nicht anders, nach vier Jahren packte ihn die Sucht wieder: 2008 kandidierte er erneut fürs Parlament. Seine Grossratskarriere krönte der 55-Jährige mit dem Ratspräsidium.

Rund 300 Anlässe hat der Vater von drei Kindern in diesem Jahr besucht. Vor Apéros und vor allem Lachs­brötchen fürchtet er sich mittlerweile. «Die Quantität dieses Amtes habe ich unterschätzt, mit Apéros kann ich nichts mehr anfangen», sagt Goepfert. «Aber die Begegnungen mit Gesellschaftsschichten, zu denen ich normalerweise keinen Zugang habe, waren berührend.»

Zweimal in der Kritik

Seinen Tiefpunkt erlebte er als Grossratspräsident letzten Juni. Die SVP forderte in einer Resolution seinen Rücktritt, weil er Sans-Papiers am Zoll Otterbach bei ihrem Marsch über die Grenze begrüsst hatte. Mit ihrer Forderung blitzte die SVP jedoch ab. Goepfert würde die Delega­tion auch heute wieder empfangen, sagt er. «Es wäre falsch gewesen, es nicht zu tun. Das war eine gute Gelegenheit, auf die Situation der Sans-Papiers aufmerksam zu machen.»

Ein weiteres Mal in die Kritik geriet der ehemalige SP- und Fraktionspräsident zuletzt im November mit ­einem Stichentscheid. Einen SVP-Vorstoss zur Videoüberwachung wollte er nicht überweisen, obwohl er sich in der Vergangenheit immer für die Überweisung eines Vorstosses an die Regierung ausgesprochen hatte, um die inhaltliche Diskussion zu ermöglichen. Darauf angesprochen, zuckt er mit den Schultern. «Ich wollte mit diesem Stichentscheid, dass der Gros­se Rat in seiner Entscheidung konsequent bleibt. Die Videoüberwachung wurde bereits zweimal abgelehnt.»

SVP-Präsident Sebastian Frehner ärgert sich immer noch über diese Vorfälle. Dennoch findet sogar er ­lobende Worte für den scheidenden Grossratspräsidenten. «Er hat die ­Sitzungen mit seiner kompetenten, gelassenen und humorvollen Art gut geführt.» Ähnlich äussert sich Brigitta Gerber vom Grünen Bündnis, sie war 2007/2008 höchste Baslerin. «Er hat dem Parlament ein Gesicht verliehen. Man konnte spüren, dass er mit Herzblut Grossratspräsident ist.»

Kandidatur für Regierung ausgeschlossen

Das ist typisch: Über Daniel Goepfert hört man nichts Negatives, er geniesst über die Parteigrenzen hinweg einen ausgezeichneten Ruf. Dies zeigte sich etwa bei seiner Wahl ins Präsidium. Von 92 möglichen Stimmen erzielte er 87 Stimmen. Zum Verleich: Sein Vorgänger Markus Lehmann (CVP) wurde 2011 mit 63 von 93 Stimmen gewählt.

Goepfert versteht es, Botschaften charmant zu verpacken. So zeigte er sich etwa am Neujahrsfest der Kurden solidarisch, als er in seiner Rede zum Audruck brachte, dass «die Menschenrechte in der Türkei vollumfänglich eingehalten werden müssen und eine Politik des Dialogs an die Stelle einer Politik des Terrors zu treten hat». In derselben Rede verlangte er aber auch eine bessere Integration der Kurden in die Gesellschaft: «Ein korrektes Schweizerdeutsch ist eine grosse Hilfe für die berufliche Karriere.»

Das Grossratspräsidium bleibt vorerst der Höhepunkt von Goepferts politischer Karriere. Einen Sitz in der Regierung strebe er nicht an, sagt der Lehrer am Wirtschaftsgymnasium. Dass er in drei Jahren als Nationalrat kandidieren wird, ist aber nicht auszuschliesssen. Chancenlos wäre er nicht. Bei den Grossratswahlen im Oktober erzielte Goepfert nach Ruedi Rechsteiner das zweitbeste Resultat aller Kandidaten. Ob er diesen Schritt wirklich macht, lässt er offen: «Was 2015 auf nationaler Ebene passieren wird, sehen wir dann.» Vorerst will er nur wieder ein einfacher Politiker sein.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 14.12.12

Nächster Artikel