Das SVP-nahe Blatt «Schweizerzeit» baut mit Olivier Kessler einen Chefredakteur-Nachfolger auf, der für eine neue Generation von SVP-Politikern steht: rechts-libertäre Islamfeinde.
Die Ultra-Liberalen der SVP arbeiten gerne mit den Jungfreisinnigen zusammen. Beispielsweise bei der Veranstaltung «Endstation Sozialismus» (zusammen mit dem Liberalen Institut), über die Florian Schwab in der «Weltwoche» (2013/5) berichtete.

Schwab, früher selbst beim Liberalen Institut, zählt Robert Nef, den Präsident des Instituts, «zu den einflussreichsten liberalen Intellektuellen im Land» und zitiert ihn so:
«Einen Anlass wie die Verbrüderung der Jungfreisinnigen und der Jungen SVP gegen den ‹schleichenden Sozialismus› habe er in den vergangenen Jahrzehnten noch nie erlebt. ‹Das ist erstmalig und hoffentlich nicht einmalig.› Die Jungparteien, ist er überzeugt, hätten verstanden, dass der wuchernde Staat eine Bürde für die Zukunft ist.»
Anti-Billag-, Ecopop- und Gold-Initiative
Eine andere Schnittstelle bietet die Anti-Billag-Initiative. Diese Ron-Paul-Freunde sind für die Gold-Initiative und sehen in jeglicher staatlichen Intervention ein Zeichen sozialistischer Diktatur. Sie trauen den Massenmedien nicht über den Weg, dafür wittern sie überall Verschwörungen. «Schweizerzeit»-Verwaltungsrat und neuer Auns-Präsident Lukas Reimann protestierte zusammen mit dem «Schweizerzeit»-Mitarbeiter und neuem JSVP-Präsidenten Anian Liebrand 2011 gegen Bilderberger.
An der Auns-Mitgliederversammlung mit Stargast Nigel Farage wurden Ecopop- und Goldinitiative gutgeheissen. Beiden Vorlagen wurde dank dem Weibeln von Anian Liebrand auch in der Luzerner SVP zugestimmt. Durch die jungen Digital Natives bekommen die Neuen Medien mehr Gewicht. So sind etwa Auns und «Schweizerzeit» neu auch bei Facebook.
Neuauflage der Anti-Islam-Hetze in der «Schweizerzeit»
Die «Schweizerzeit» war bereits zur Zeit der Anti-Minarett-Initiative unrühmlich aufgefallen. Autoren wie Heinz Gstrein, Hans-Peter Raddatz oder Udo Ulfkotte warnten als «Experten» vor den Gefahren der «Islamisierung». Ulfkotte ist dem Blatt als Autor erhalten geblieben, sein aktueller Bestseller «Gekaufte Journalisten» trifft einen Nerv der Zeit (und stösst auf Kritik). Dem mehrfach verurteilten Rassisten (z.B. wegen dem und dem) und Referenten des Egerkinger Komitees Willy Schmidhauser wurde vor der Anti-Minarett-Abstimmung ein Gastartikel in der «Schweizerzeit» zum Verhängnis, Chefredakteur Ulrich Schlüer kam dank einem mea culpa mit einem blauen Auge davon.
Olivier Kessler ist im Blatt mittlerweile zum Stellvertretenden Chefredaktor aufgestiegen, Schlüer hatte ihn im Mai angekündigt: «Die Feder des profilierten jungen Publizisten wird bei der ‹Schweizerzeit› ab sofort Spuren sichtbar werden lassen». Neben seinen Themen «Währungs-, Wirtschafts- und Sozialpolitik» (ebd.) kehrt er vermehrt zu seinen politischen Wurzeln zurück, denn Kessler ist 2007 durch die Anti-Minarett-Initiative politisch aktiv geworden. Das verbindet ihn mit Lukas Reimann, der auch dank seiner Anti-Moschee-Kampagne in Wil und seinem Engagement für die Anti-Minarett-Initiative («Der Islam gehört ganz klar nicht zur Schweiz») schliesslich den Sprung nach Bern schaffte.
Ein anonymer Versuchsballon
Am 15. August erschien in der «Schweizerzeit» unter dem Pseudonym Klara Kaiser ein Test-Beitrag unter dem Titel: «Mohammeds Lizenz zum Töten». Darin wird gefragt:
«Sind hier Verrückte am Werk? Oder Kriminelle? So einfach ist es nicht. Die ISIS versteht sich als Speerspitze des Islams. Ihr Kompass ist der Koran. Sie töten im Namen Allahs und sie tun das durchaus im Einklang mit ihrer Religion. Der Auftrag Allahs ist eindeutig: Jeder Nicht-Muslim ist ein Ungläubiger, der zum wahren Glauben, zur ‹Umma› geführt werden muss. Eine gewaltsame Unterwerfung wird dabei nicht nur in Kauf genommen, Mohammed ruft dazu explizit auf.»
Es folgt ein Raddatz-Zitat, wonach der Islam heimlich nach der Weltherrschaft strebe. Die «Weltwoche» hält diesen rechtskatholischen Verschwörungstheoretiker für einen Gewährsmann der Islamkritik. Das Egerkinger Initiativkomitee liess ihn gleich ein Gutachten zum Islam zuhanden des eidgenössischen Parlaments verfassen, worin Muslime als Gefahr für die Schweiz dargestellt wurden.
Im «Schweizerzeit»-Artikel von Klara Kaiser heisst es weiter, die islamischen Kämpfer wüssten Mohammed auf ihrer Seite, denn er hätte «den Dschihad gepredigt und dabei die Lizenz zum Töten erteilt». Laut Raddatz sei «an 187 Stellen im Koran vom Töten die Rede» (bei der Basler Zeitung sind es gar «200 Stellen»). Die «Schweizerzeit» hat hier bei der «Weltwoche» (2010, Nr. 19) abgeschrieben, wo es heisst: «Laut Raddatz ist an 187 Stellen im Koran vom Töten die Rede.» Der «Weltwoche»-Autor und SVP-Nationalrat Peter Keller schliesst dort apodiktisch:
«Nimmt man den Islam und seine Theologen ernst, gibt es nur einen Befund: Der muslimische Glaube ist mit Rechtsstaat und Demokratie nicht vereinbar. Konsequenterweise müsste er verboten werden.»
Am 29. August veröffentlichte Kessler ein gross aufgemachtes Interview mit dem «Islamexperten» Hartmut Krauss. Dieser meinte 2009 zur Anti-Minarett-Initiative: «Es ging bei dieser Abstimmung nicht etwa nur um das Für und Wider des Baus von Minaretten, sondern um eine symbolische Abstimmung darüber, ob der von der herrschenden ‹Elite› abgesegnete Vormarsch und die Etablierung einer menschenrechtsfeindlichen Herrschaftskultur von der einheimischen Bevölkerung passiv erduldet wird oder nicht.»
Sein aktuelles Buch: «Der Islam als grund- und menschenrechtswidrige Weltanschauung» kann über die «Schweizerzeit» bezogen werden. Nun etwas mutiger geworden, widmet Olivier Kessler seinen Freitagskommentar vom 29. August ganz dem Islam – oder was er dafür hält. Geschult duch die Krauss-Lektüre erklärt er darin kurz den Islam, um nachzuweisen, dass keine «gemässigten» Muslime oder ein «moderater» Islam existiere, wie es etwa Saïda Keller-Messahli als Präsidentin des «Forums für einen fortschrittlichen Islam» glauben machen wolle. Wie ein Dschihadist argumentiert Kessler: «Die IS-Kämpfer tun also genau das, was der objektive Islam fordert. Von einem ‹Missbrauch› der Religion, wie dies Keller-Messahli anprangert, kann keine Rede sein. Vielmehr sind die IS-Muslime die konsequenten Vollstrecker von Allahs Willen, wie er im Koran niedergeschrieben ist.» Kessler fragt sich weiter, ob Keller-Messahli bloss eine «nützliche Idiotin» sei:
«da sie mit ihrer Mär des angeblich modern zu interpretierenden Islams und der angeblich apolitischen Muslimen in Europa für die nötige Toleranz sorgt, die der Islam braucht, um den Westen unbehelligt weiterhin in diesem Eilzugstempo zu unterwandern, um zunehmend Parallelgesellschaften und eine Paralleljustiz zu etablieren und um weiterhin erfolgreich an der von Allah auferlegten Pflicht zur muslimischen Eroberung der ganzen Welt zu arbeiten.»
Zum Schluss fragt Kessler rhetorisch, ob der Islam «weiterhin noch den Schutz der Religionsfreiheit für sich in Anspruch nehmen» dürfe.
Die Argumentationsmuster wiederholen sich
Am 23. Oktober erschien in der «Schweizerzeit» dann der nächste Hetz-Artikel zum Islam: «Warum auch friedliebende Moslems zu unseren Feinden werden» eines bisher unbekannten Roland Büchli.
Darin wird behauptet, dass das Argument keine Rolle spiele, wonach die «erdrückende Mehrheit aller Muslime» nichts anderes als in Frieden leben wolle, denn dies sei vielmehr «irrelevant und bedeutungslos». Sein Argument dagegen lautet: «Ich glaube, dass es nur wenige wirkliche Nazis gab.» Diese aber hätten es geschafft, die Macht zu ergreifen, «noch bevor es die Bevölkerung wirklich wahrnahm». Apokalyptisch stellt der Autor fest:
«Friedliebende Moslems werden in unseren Breiten zu unseren Feinden, wenn sie sich nicht entschieden dem Fanatismus und dem Terror entgegenstellen»
denn es würde «Moschee um Moschee» unterwandert.
Heisst dies, wir müssten allenfalls die «friedliebenden Moslems» präventiv opfern, damit sie nicht – von den Fanatikern kontrolliert – wie Nazi-Horden über «uns» herfallen? Diese Argumentation kennen wir aus der «Basler Zeitung» (vgl. Medienspiegel: 1. Kapitel, 7. Absatz), wo rhetorisch gefragt wurde: «Doch war das nicht auch im Dritten Reich so? Waren es nicht auch dort die wenigen, welche die vielen kontrollierten, sie ideologisierten und sie letztlich beherrschten?» Daher gelte: «Es ist ein gefährlicher Irrtum, zu glauben, die Mehrheit der Muslime sei wegen des Islams friedlich; sie ist trotz dem Islams [sic!] friedlich».
Der «Basler Zeitung»-Artikel, obwohl vom vom Presserat gerügt, ist immer noch online und hat jüngst wieder einen neuen Kommentar generiert: «Wenn ich das lese, frage ich mich, weshalb wir überhaupt Moslime in unserem Land und Kontinent dulden.» Am beliebtesten ist aber immer noch der Kommentar von Bruno Waldvogel-Frei, der sich herzlich für den Artikel bedankt.
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Dieser Artikel ist zunächst bei «Zukunft Religion Schweiz» erschienen.