Den Scientologen laufen die Mitglieder weg. Als Gegenoffensive will die Sekte 70 neue Grosskirchen in der ganzen Welt eröffnen. Auch in Basel.
Während Basels Muslime, die drittgrösste Religionsgemeinschaft im Land, nicht einmal ein Mini-Minarett bauen dürfen, plant die umstrittene Scientology-Kirche eine Grosskirche in Basel.
Verschiedentlich wurde eine Liegenschaft an der Burgfelderstrasse als potenzieller Standpunkt ausgemacht. Das, so sind sich SP-Grossrätin Sarah Wyss und SVP-Grossrat Michel Rusterholtz für einmal einig, darf nicht sein. Mit einer Interpellation und einem Vorstoss fordern die beiden die Regierung auf, zu prüfen, ob derartig umstrittene Bauvorhaben in Zukunft einer Bewilligungspflicht durch das Parlament unterstellt werden könnten.
Auch Anwohner sind beunruhigt. Wenn sich die neue «Grosskirche», übrigens die sechste in Europa, architektonisch an bestehenden Scientology-Bauten orientiert, wird das Vorhaben das Bild des Quartiers markant prägen. Die Parzelle umfasst immerhin 4000 Quadratmeter. Und natürlich hat Scientology einen schlechten Ruf zu verteidigen. Der Begriff Kirche ist mindestens irreführend. Je nach Standpunkt halten Experten Scientology für eine Sekte, ein bizarres profitorientiertes Unternehmen, ein Netzwerk von Verschwörungen oder für eine kriminelle Vereinigung.
Tarnorganisationen verschleiern Aktivitäten
Scientology war in den 1980er-Jahren in Basel sehr aktiv. Mit dem Slogan «Sie nutzen nur zehn Prozent Ihres Gehirns» wurden Passanten zum Beispiel am Barfüsserplatz in ein Büro gelockt, um einen Persönlichkeitstest zu machen. Nach der Auswertung machte ein freundlicher Herr einen auf die persönlichen Stärken und Schwächen aufmerksam – dies so allgemein, dass die Diagnose immer stimmen musste. Zur Heilung der Schwächen wurden den Interessierten die Lektüre des Buches «Dianetik» von Scientology-Gründer L. Ron Hubbard sowie «Auditings» empfohlen. Dank dem Engagement der damaligen Basler SP-Grossrätin Susanne Haller wurde der Sekte aber die Mitgliederwerbung auf öffentlichem Grund untersagt.
Seitdem trifft man die Scientologen vor allem unter dem Deckmantel der Antipsychiatriekampagne ihrer Tarnorganisation «Bürgerkommission für Menschenrechte» an, die immer wieder auf öffentlichen Plätzen Infostände betreibt und vor rund einem Jahr mit der Ausstellung «Psychiatrie – Tod statt Hilfe» in einem leerstehenden Bürogebäude am Rümelinsplatz Schlagzeilen machte. Das erzieherische Modethema ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitäts-Syndrom) benutzt Scientology als Werbung für ihre Privatschulen («Zentrum für individuelles und effektives Lernen»). Dort werden die hyperaktiven Kinder ohne Ritalin, dafür mit Dianetik behandelt und unterrichtet.
In Basel hatte sich ein Scientology-Mitglied in die freiwillige Laubsammelgruppe eingeschlichen.
Ohnehin mischen sich Scientologen gerne in die Pädagogik ein. So haben sie etwa in der Schweiz unter falschem Namen die Lern-DVD «Der Weg des Glücks» an Schulen verbreitet und in Deutschland die Broschüre «Der Weg zum Glücklichsein». Weitere Tarnorganisationen sind das Aktionskomitee «Sag Nein zu Drogen», das «College für angewandte Philosophie», der «Verband engagierter Manager» oder der «Verband verantwortungsbewusster Geschäftsleute».
In Deutschland versuchten Scientologen die junge Piratenpartei zu unterwandern. In Basel wurden Anwohner der geplanten Grosskirche an der Burgfelderstrasse auf Scientology aufmerksam, weil sich ein Mitglied der Sekte in die freiwillige Laubsammelgruppe der Nachbarschaft eingeschlichen und schliesslich geoutet hatte.
Gegenwind für die Sekte in Europa
Die Organisation hält im Moment den Ball öffentlich eher flach, da ihr in Europa ein ziemlich strammer Wind ins Gesicht weht. Am 17. Oktober hat der Oberste Gerichtshof Frankreichs in letzter Instanz das scientologische «Celebrity Center» sowie die Buchhandlung «SEL», zwei Herzstücke der französischen Organisation, wegen Betrugs zu 600’000 Euro Geldstrafe verurteilt. Ähnliche Prozesse laufen vor allem in Deutschland, während Österreich und die Schweiz sich offenbar weniger um die Umtriebe der Scientologen kümmern.
Laut eigenen Angaben hat die Sekte in der Schweiz rund 5000 Mitglieder. Der Sektenexperte Roland Schmid von der Evangelischen Informationsstelle Relinfo dagegen meint, dass die Organisation unter Mitgliederschwund leide: «Seit 1990 ist die Zahl aktiver Scientologen in der Schweiz von 3000 auf unter 1000 gesunken.» Ein Trend, den Sektenexperten im ganzen deutschsprachigen Raum feststellen. Schmid hält die aktuelle Offensive in Basel für «eine Art Gegenstrategie».
2004 kündigte Scientology-Chef David Miscavige den Start eines Programms zur Schaffung von Kirchen auf der ganzen Welt an. Laut eigenen Angaben hat Scientology dafür bis heute 70 Gebäude in Städten auf der ganzen Welt erworben. Darunter sind etwa Birmingham, Oslo, Budapest, Rom, Kopenhagen, Hamburg, Brüssel – und eben auch Basel.
Scientology-Gründer Ron Hubbard (1911–1986) selber wurde verschiedentlich des Betrugs und der Steuerhinterziehung bezichtigt und aus seiner Wahlheimat England ausgewiesen. Den bislang spektakulärsten Prozess gegen Führungspersonen der Sekte löste in den 1970er-Jahren die so genannte Operation «Snow White» aus. Angehörige der Scientology Church infiltrierten gezielt US-Regierungsbüros, installierten Wanzen und stahlen Dokumente. Die Operation flog auf und elf Führungsmitglieder der Sekte landeten hinter Gittern.
Scientology reagiert in der Regel mit Klagen auf Kritiker. Solche, im Scientology-Jargon «unterdrückerischen Personen», kommen in den Genuss der von Hubbard entwickelten «Fair Game Policy». Dabei geht es darum, sie mit Prozessen zu überziehen. Das ist aber noch eine der harmloseren Kampfmassnahmen. Laut dem deutschen Verfassungsschutz unterhält die Sekte einen Nachrichtendienst namens Office of Special Affairs, der keineswegs zimperlich bei der Bekämpfung des «Feindes» vorgeht.
Als gefährlich eingestuft werden auch die «Auditings», mit welchen Scientology ihre Mitglieder zu Übermenschen konditionieren will. Laut dem deutschen Verfassungsschutz ist das «Auditing im Wesentlichen eine Mischung aus verhörähnlichen Sitzungen und hypnoseartigen Psychotechniken». Dabei würden intimste Details über den Auditierten und über sein soziales Umfeld gesammelt. «Es liegt daher auf der Hand, (dass die) Person erpressbar wird.»
Weitere Informationen: www.relinfo.ch