Der Zuwachs der Arbeitsproduktivität rechtfertigt in der Schweiz sechs Wochen Ferien längstens. Jene Patrons, die dagegen ankämpfen, wollen jedoch lieber mehr Profit in die eigene Tasche.
Das können wir uns einfach nicht mehr leisten!» So argumentieren rechte Politiker und Patrons gegen die «nicht finanzierbare Ferieninitiative». Auch am letzten Dienstag wieder, als der Unternehmer-Verband Economiesuisse in Bern vor die Medien trat. Eine Annahme der Initiative «6 Wochen Ferien für alle» am kommenden 11. März «würde die schweizerischen Arbeitgeber rund 6,3 Milliarden kosten», klagten die Patrons. Im Bundesbüchlein rechnet der Bundesrat vor, das wären etwa zwei Prozent mehr Lohnkosten. Er argumentiert gegen das Volksbegehren auch mit dem «internationalen Vergleich» und sieht «gegenüber dem Ausland keinen Nachholbedarf».
Schweizer sind die Fleissigsten
Wie die Landesregierung darauf kommt, ist schleierhaft: Mit gesetzlich garantierten zwanzig Ferien- und zusätzlichen neun Feiertagen liegt die Schweiz im europäischen Vergleich jetzt nämlich ganz weit hinten, wie «Der Bund» kürzlich gezeigt hat. Nur in den Niederlanden stehen die Werktätigen diesbezüglich mit einem Tag weniger noch schlechter da. Und bei den Arbeitszeiten sind die Schweizer Beschäftigten mit 44 Wochenstunden vor Österreich (41), Deutschland (40) und Italien (39) schlicht Spitze.
Vergleichsstudien mit Deutschland haben zudem gerade gezeigt, dass das ewige Klagelied der Schweizer Fabrikanten, sie müssten Arbeitsplätze «der hohen Lohnkosten wegen» leider ins Ausland verlegen, ein verlogenes Falsett ist: Die massiv höhere Produktivität macht in der Schweiz die höheren Lohnkosten mehr als nur wett. Darum ist die Arbeitslosenquote in unserem Land auch so tief. Und die Drohung mit «Arbeitsplatzverlagerung» ist meist eine leere.
Nach zwei Jahren abgegolten
Das Statistische Amt in Neuenburg hat mit vertieften Studien nachgewiesen, dass die hohe Arbeitsproduktivität stetig ansteigt: in den fünfzehn Jahren von 1991 bis 2006 etwa um satte 20,4 Prozent. Das Brutto-Inland-Produkt stieg in derselben Zeit gar um 23,7 Prozent. Das sind mehr als ein Prozent pro Jahr. Selbst der Arbeitgeberverband rechnet vor: «Die Produktivität in der Schweiz stieg 2010 um 1,1 Prozent.»
Die Löhne jedoch stiegen für die grosse Mehrheit der Produzierenden nicht parallel zu ihrer zunehmenden Produktivität. Dafür sahnten die Topmanager und die Investoren immer mehr ab – Letztere gar ohne jegliche produktive Leistung. Kurzum: Jene «zwei Prozent mehr Lohnkosten», welche der Bundesrat im Chor mit den Unternehmern nun gegen die Ferieninitiative ins Feld führt, wären nach kaum zwei Jahren schon mit der gesteigerten Produktivität sicher ausgeglichen. Faktisch sind sie längst schon finanziert.
Je mehr Lohn, desto mehr Ferien
Kommt hinzu, dass jene Politiker und Unternehmer, die am lautesten gegen mehr Ferien wettern, dies aus jenen Chefetagen heraus machen, wo kaum noch jemand weniger als sechs Ferienwochen hat. Die Schweizerische Arbeitskräfteerhebung zeigt hochoffiziell: je höher der Lohn, desto länger die Ferien.
Konkret: Bei den unter 50-jährigen Beschäftigten mit über 110 000 Franken Jahreseinkommen haben 62 Prozent jetzt schon fünf – und weitere 15 Prozent sechs oder mehr Wochen Ferien. Mehr als die Hälfte der Beschäftigten, die in diesem Alter unter 60 000 Franken jährlich verdienen, müssen sich hingegen mit minimalen vier Wochen begnügen.
Wer darum in Diskussionen gross behauptet, sechs Wochen Ferien seien «unbezahlbar», den sollte man immer gleich mit der Frage konfrontieren, wie viele Wochen Ferien denn er oder sie genau mache. Denn meist gilt auch hier die alte schwedische Bauernregel «Die schärfsten Kritiker der Elche sind oft heimlich selber welche.»
Wenig Chancen
Die Initiative dürfte dennoch wenig Chancen haben: Nach neusten Umfragen liegt der Ja-Anteil nicht mal bei 40 Prozent. Ein Grund dafür liegt gerade im schon fast sprichwörtlichen Arbeitsethos der Schweizerinnen und Schweizer. «Ich selber hatte auch Jahrzehnte lang problemlos nur vier Wochen Ferien», hört man in Diskussionen sehr oft. Und: «Die Jungen von heute sollen sich ihre fünfte und sechste Woche auch abverdienen.» Wer so denkt, stimmt natürlich Nein.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 24.02.12