Ein grüner Regierungsrat hat Freude an der Juso-Initiative «1:12». Ein freisinniger Beamter ärgert sich öffentlich darüber. Ist das Magistraten-Beleidigung? Oder nur ein Polittheater im kleingeistigen Zürich, in dem der «Leute von Seldwyla»-Dichter Gottfried Keller einst als Staatsschreiber amtete?
Die Geschichte über Bruno Sauters Kritik am grünen Regierungsrat Martin Graf und den darauf folgenden Verweis von seinem Chef, Regierungsrat Ernst Stocker (SVP) wird um ein Kapitel reicher. Offenbar hat der Chefbeamte Sauter die Kommunikationsabteilung seines Vorgesetzten Stocker vorgängig infomiert, bevor er dem Grünen Graf wegen dessen Sympathie für die 1:12-Initiative an den Karren fuhr. Das jedenfalls berichtet die NZZ vom Freitag.
Der Reihe nach: Im Intranet der Zürcher Kantonsverwaltung schrieb der grüne Regierungsrat Martin Graf turnusgemäss seine Kolumne. Dabei befasste er sich nicht mit Weihnachtsliedern oder Fonduerezepten, wie andere Regierungsleute es taten, sondern mit «Profitgier». Und er zeigte unverhohlen Sympathie für die Juso-Initiative, die das Lohngefälle in Unternehmen auf 12:1 begrenzen will. Das kann der hohe Staatsdiener ohne Verlust tun. Denn mit einem Jahreslohn von 335’000 Franken verdienen Regierungsmitglieder im Kanton Zürich nur sieben Mal soviel wie die untersten Staatsdienerinnen.
Dass ein linker Regierungsrat eine linke Initiative befürwortet, so wird später der FDP-Fraktionschef Thomas Vogel gegenüber der NZZ gelassen formulieren, habe «einen überschaubaren Sensationsgehalt». Doch so harmlos, wie sie war, wollte der lokale «Tages-Anzeiger» die laue Geschichte nicht abhaken. Er bat den freisinnigen Bruno Sauter, Chef des Amts für Wirtschaft und Arbeit (AWA) sowie nebenamtlichen Gemeindepräsidenten einer reichen Zürcher Agglo-Gemeinde, zum Interview.
«1:12-Limite vorzuschreiben, ist eine kommunistische Kultur»
Sauter spielte mit und polterte los: «Eine Kolumne, die zur massiven Kürzung der Managersaläre aufruft, macht nicht nur mir das Leben schwer.» Sie demotiviere auch seine Mitarbeiter, die «tagein, tagaus für die Ansiedlung von Unternehmen aus den USA, China und England kämpfen». Woraus Sauter folgerte: «Eine 1:12-Limite vorzuschreiben, das ist eine kommunistische Kultur.»
Damit war der Boden für das Seldwyler Theater gelegt: Die obrigkeitshörige grüne Kantonalpartei beschwerte sich flugs und weinerlich über die «untolerierbare Verfehlung» gegenüber einem «vom Volk gewählten Regierungsmitglied» und forderte: «AWA-Chef Bruno Sauter muss weg.» Ins gleiche Horn stiess die kantonale SP mit der Forderung: «Die Kompetenzüberschreitung (des Chefbeamten) muss Konsequenzen haben.»
Amtschef erhielt Verweis
In einer weiteren Medienmitteilung meldete sich gleichentags auch SVP-Regierungsrat Ernst Stocker zu Wort. Im Sandwich zwischen Freude über die Meinung seines freisinnigen Chefbeamten und Standesbewusstsein unter Regierungsmännern schrieb er: «Das Vorgehen von Bruno Sauter, als Amtschef öffentlich Kritik an einem Regierungsrat zu üben, ist nicht tolerierbar.» Dafür erteilt er seinem Amtschef Bruno Sauter «einen Verweis».
Nach dem aufgeblasenen Polittheater wird der Alltag in Zürich wieder einkehren: Bruno Sauter, der als Chefbeamter schon echte Misstritte überlebt hat, wird auch diese Rüge unbeschadet aussitzen. Und alle andern Beamten im Kanton wissen nun: Es ziemt sich nicht, Regierungsleuten, die als «Magistratspersonen» bezeichnet werden, öffentlich am Zeug zu flicken. Der streitlustige grüne Regierungsmann Martin Graf wird es wohl heimlich bedauern.