Zwar entfielen bei einer Wahlbeteiligung von 82 Prozent nur knapp 48 Prozent der Stimmen auf die Separatisten, doch weil das spezielle Wahlsystem Stimmen aus ländlichen Regionen höher gewichtet als jene aus städtischen Gebieten, reicht das für eine Mehrheit. Im neuen katalanischen Regionalparlament gehen 70 von 135 Sitzen an jene drei Parteien, die für eine Abspaltung von Spanien eintreten. Bei der letzten Wahl 2015 hatten sie noch zwei Sitze mehr gehabt.
Stärkste Kraft im Lager der Separatisten wurde die Partei des von Spanien als Staatsfeind betrachteten Carles Puigdemont mit 34 Sitzen. Völlig unklar ist, wie eine neuerliche Regierungskoalition der Separatisten aussehen könnte: Ihre prominentesten Führer sind entweder im Gefängnis oder wie Puigdemont im Exil. Das hielt Letzteren allerdings nicht davon ab, zu verkünden: «Der spanische Staat ist geschlagen. Rajoy und seine Verbündeten haben verloren.»
Rajoys konservative Volkspartei wurde bei der Wahl besonders abgestraft: Sie verlor acht ihrer elf Parlamentsmandate. Die Spitzenkandidatin der Cuidadanos Arrimadas warnte die Separatisten in der Wahlnacht allerdings vor neuerlichen Alleingängen: «Die Nationalisten werden nie mehr im Namen von ganz Katalonien sprechen können. Wir sind alle Katalonien.»
Die Gegner der Unabhängigkeit verpassten die absolute Mehrheit überraschend deutlich – Umfragen hatten ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit den Separatisten prognostiziert.
Die EU-Kommission erklärte in einer ersten Stellungnahme, dass sich ihre Haltung in der Katalonien-Frage nicht ändern werde. «Es handelt sich um eine Regionalwahl, und das haben wir nicht zu kommentieren», sagte ein Kommissionssprecher in Brüssel. Die Kommission hatte wiederholt eine Einmischung in die Auseinandersetzung zwischen Madrid und Brüssel abgelehnt.