«Sexarbeiterinnen brauchen mehr Rechte – ein Anfang wäre Abschaffung der Sittenpolizei» 

Unser Community-Mitglied Brigitte Obrist ist ehemalige Sexarbeiterin und engagiert sich seit vielen Jahren für die Rechte von Sexarbeiterinnen. Nun hat sie zehn Forderungen zur Verbesserung der Situation formuliert.

Auch heute noch haben Sexarbeiterinnen nicht die gleichen Rechte wie andere Gewerbetreibende. (Bild: ENNIO LEANZA)

Unser Community-Mitglied Brigitte Obrist ist ehemalige Sexarbeiterin und engagiert sich seit vielen Jahren für die Rechte von Sexarbeiterinnen. Nun hat sie zehn Forderungen zur Verbesserung der Situation formuliert.

1. Keine Kriminalisierung der Kundschaft

Freier, die die wirtschaftliche Notlage einer Sexarbeiterin ausnützen, können bereits heute bestraft werden. Ebenfalls können Freier bestraft werden, wenn sie bei einer «zwangsweise der Prostitution» zugeführten Frau Kunde sind (Art. 193 StGB).

2. Änderung des Sprachgebrauchs in Gesetzestexten

Statt «Prostitution» und «Prostituierte» sollte es «Sexarbeit» und «SexarbeiterInnen» heissen.

3. Abschaffung des Sittlichkeitsartikels

Gemäss dem Vorstoss von Andrea Caroni (FDP) könnten die Frauen so ihr Honorar von einem Freier einklagen. Ebenfalls, wenn der Kunde dieses Honorar aus «Sicherheitsgründen» einer Bordellbetreiberin bezahlt hat.

4. Gesetzliche Gleichbehandlung mit anderen Dienstleistungsgewerben (stilles Gewerbe) als Selbstständigerwerbende in allen Gesetzen

Steuern, Mehrwertsteuer und AHV/IV/ALV behandeln Sexarbeiterinnen bereits als Selbstständigerwerbende. Unter «stillem Gewerbe» versteht man Arztpraxen, Coiffeursalons und ähnliche Unternehmen, die keine grossen Emissionen (wenig Kundenfrequenz, Kunden, die nicht gesehen werden wollen) verursachen. Sie dürfen in Wohnzohnen ausgeübt werden.

Wo es Laufkundschaft und viel Verkehr gibt, wie bei Saunaclubs oder Erotik-Centern, sollten dieselben Bewilligungsregeln gelten wie für Gastronomiebetriebe mit viel Emissionen.

Für Nicht-EU-Migrantinnen fordere ich Gleichbehandlung wie bei allen anderen Selbstständigerwerbenden aus Nicht-EU-Staaten.

5. Respektieren der Anonymität

Ausser gegenüber Steuerbehörden und Sozialversicherungen, bei denen die echten Namen angegeben werden müssen, sollten Künstlernamen akzeptiert werden. Ebenfalls sollten branchenübliche Berufsbezeichnungen (Tänzerin, Masseuse, Therapeutin etc.) von Baubehörden und Gewerbepolizei anerkannt und akzeptiert werden.

6. Abschaffung der «Sittenpolizei»

Sexarbeit ist legal. Also fällt sie nicht in die Kompetenz der Strafverfolgungsbehörden.

7. Gleiches Recht für alle

Nationale Regelungen sollten generell gültig sein. Es sollte keine kantonalen Verordnungen geben, die Sexarbeit erschweren oder verunmöglichen. Gleichbehandlung in allen Bereichen als Kleinunternehmerinnen, als Zivilpersonen und im Strafrecht. Wer Steuern und Sozialversicherungen bezahlt, soll auch seine Rechte wie jeder andere vor Gericht einfordern können, Strafanzeige bei Zwang, Gewalt durch Kundschaft oder bei häuslicher Gewalt einreichen und gleich behandelt werden wie Klägerinnen, die einer anderen Tätigkeit nachgehen.

8. Gleiche Grundrechte

Dazu gehören das Recht auf Privatsphäre, das Recht, jemanden finanziell zu unterhalten, das Recht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes (z.B. Club, Sauna, Kleinsalon, EscortService).

9. Abschaffung von Sperrbezirken

Dies wird oder kann bereits über das Bau– und Zonennutzungsrecht geregelt werden. Dazu können wegen der Emissionen jeweils Anwohner Einsprache erheben.

10. Recht auf Sicherheit

SexarbeiterInnen sollten das Recht haben, Schutzmassnahmen finanzieren zu können, ohne dass dadurch beteiligte Dienstleister kriminalisiert werden.

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