Die Basler Nationalrätin hat eine Abstimmung zum Alpenschutz verpasst. Das Resultat: Es könnten mehr Lastwagen durch den Gotthard-Tunnel fahren, als geplant. Doch Arslan sucht die Schuld bei anderen.
Sibel Arslan hat kein schlechtes Gewissen. Aus der Sicht der Basler Nationalrätin ist es nicht ihre Schuld, dass der Nationalrat den Alpenschutz aufgeweicht hat. Auch wenn sie das Resultat bedauert, sagt sie: «Es ist absurd, die Grünen für die Fehlentscheide der Bürgerlichen verantwortlich zu machen.» Die BastA!-Politikerin ist Teil der Grünen Fraktion.
Was ist passiert? Drei Nationalräte der Grünen Fraktion fehlten bei einer Abstimmung am Mittwoch, die ein ureigenes Anliegen betraf. Der Blick titelte deshalb am Donnerstag: «Gotthard-Gate bei den Grünen».
Sie sei den ganzen Mittwoch im Bundeshaus gesessen, sagt Arslan, «doch um 18 Uhr fuhr mein Zug nach Zürich». Dort wartete das Team der SRF-Sendung «Rundschau» auf die Politikerin. Das Thema: «Integration», ein Kernthema von Arslan.
FDP will mehr Lastwagen zulassen
Dafür verpasste sie eine Abstimmung, die ebenfalls ein Kernthema der Grünen berührte: Den Lastwagenverkehr durch die Alpen. Der Nationalrat überwies am Mittwoch Abend um 18.45 Uhr nämlich ein Postulat der FDP. Dieses fordert, dass der Bundesrat das bisherige Verlagerungsziel «durch ein realisierbareres Verlagerungsziel ersetzt».
Laut Verfassung ist der Bund verpflichtet, dafür zu sorgen, dass spätestens 2018 nur noch 650’000 Lastwagen pro Jahr die Alpen auf Strassen durchqueren, aktuell sind es eine Million.
Hintergrund für diese Regelung ist die Alpenschutzinitiative, die das Schweizer Volk 1994 angenommen hat. Sie fordert, dass der Güterverkehr durch die Alpen auf der Schiene erfolgt.
Doch aufgrund des FDP-Postulats könnte dieses Ziel in weite Ferne rücken. Für die Grünen ist das die zweite Niederlage innerhalb weniger Tage. Zuerst verloren sie die Abstimmung gegen eine zweite Gotthardröhre am Sonntag. Und jetzt das.
«Medienauftritte gehören zum Job»
Aus Grüner Sicht besonders ärgerlich: die Abstimmung ging mit 91 zu 90 Stimmen äusserst knapp verloren. Wären alle zwölf Fraktionsmitglieder anwesend gewesen, hätte das Resultat anders ausgesehen. Doch Daniel Brélaz und Denis de la Reussille – und eben die Baslerin Sibel Arslan – sassen am Mittwoch Abend nicht im Saal.
Wie kommt es, dass Arslan bei so einer wichtigen Abstimmung fehlt und statt dessen zum Fernsehen geht? «Die öffentliche Debatte in den Medien gehört ebenfalls zu den Aufgaben einer Politikerin», sagt sie der TagesWoche, «ich habe also nur meine Arbeit gemacht.»
Ausserdem habe sie im Vorfeld der Abstimmung sowohl Regula Rytz, Co-Präsidentin der Grünen Partei, als auch Fraktionspräsident Balthasar Glättli gefragt, ob es in Ordnung sei, wenn sie fehle, und habe grünes Licht bekommen.
Rechte ist schuld
Der Grund: Die Parteileitung dachte aufgrund von Gesprächen mit den anderen Parteien, das Postulat habe keine Chance. Die Grünen zählten insbesondere auf die CVP. «Doch die CVP-Fraktion änderte kurzfristig ihre Meinung», sagt Arslan.
Doch auch das Stimmverhalten von SVP und FDP sei «ein Skandal». Während des Abstimmungskampfs um die zweite Röhre hätten sie versprochen, am Verlagerungsziel festzuhalten. «Und nun, drei Tage nach der Abstimmung, haben sie das Versprechen bereits gebrochen», sagt Arslan. «Hätten sie Wort gehalten und das Postulat abgelehnt, hätte es keine einzige grüne Stimme gebraucht.»
Der Bundesrat wird das Verlagerungsziel nun überprüfen. Arslan kündigt an: «Falls der Bundesrat das Verlagerungsgesetz tatsächlich ändern will, werden die Grünen das bekämpfen.»