Sieben Antworten vor dem 1. WM-Spieltag

Kann in Brasilien überhaupt Fussball gespielt werden? Warum musste in São Paulo unbedingt ein neues Stadion gebaut werden? Wer hätte besser zweimal nachgedacht? Und wird jetzt im Weltfussball alles gut? Fragen über Fragen – wir haben die Antworten!

Alles super in Brasilien. Fahnen, Kinder, Daumen, alles da, was es braucht. Und die wenigen noch offenen Fragen beantworten wir gerne. (Bild: EPA)

Kann in Brasilien überhaupt Fussball gespielt werden? Warum musste in São Paulo unbedingt ein neues Stadion gebaut werden? Wer hätte besser zweimal nachgedacht? Und wird jetzt im Weltfussball alles gut? Fragen über Fragen – wir haben die Antworten!

In Brasilien soll es ungemein heiss sein. Ist es nicht unzumutbar, heute Kroatien und Brasilien bei diesem Wetter spielen zu lassen?

Doch absolut. Zum Anpfiff soll es in São Paulo unmenschliche 23 Grad heiss werden. Viel besser wäre es natürlich, die WM an einem Ort mit gemässigteren Temperaturen durchzuführen, wie zum Beispiel dem Büro der TagesWoche in Basel (31,8 Grad).

Wer hätte besser zweimal nachgedacht (oder vielleicht auch einfach einmal)?

Die Kroaten. Zumindest Josip Simunic hätte gerne sein Gehirn einschalten dürfen, bevor er nach der erfolgreichen WM-Qualifikation den Gruss des faschistischen Ustascha-Geheimbundes durch die Stadionlautsprecher rief. Nicht einmal, nicht zweimal – fünfmal. Jetzt muss er halt die WM vor dem TV verbringen, die Fifa hat ihn für zehn Spiele gesperrt. Das bedeutet für den 35-Jährigen praktisch das Ende seiner Nationalmannschaftskarriere.

Und dann ist da noch Mario Mandzukic. Auch er verpasst das Eröffnungsspiel dieser WM mit einer Sperre. Der Stürmer hatte sich im Playoff-Rückspiel gegen Island zu einem harten Foul hinreissen lassen. Bei ihm liess die Fifa allerdings Gnade walten – sie hat Mandzukic nur für ein Spiel suspendiert.

São Paulo freut sich sicher, dass es dank der WM endlich ein modernes Stadion erhält – auch wenn es erst auf den letzten Drücker fertig geworden ist?

Natürlich. Wenn die Stadt São Paulo etwas unbedingt braucht, dann ist es ein neues Stadion. Schliesslich wird derzeit bloss der Allianz Parque gebaut, der rund 45’000 Zuschauern Platz bietet. Der Parque war mal für die WM vorgesehen, aber dann wollte man lieber doch nicht im Stadion von Palmeiras spielen. Palmeiras ist übrigens nicht der Lieblingsclub von Brasiliens Ex-Präsidenten Lula da Silva.

Ausserdem ist es auch schon wieder 14 Jahre her, seit das Estádio do Morumbi letztmals renoviert worden ist, in dem sowieso bloss 80’000 Menschen Platz haben. Das Morumbi war mal im Gespräch für die WM, aber dann wollte man doch lieber nicht im Stadion des FC São Paulo spielen. Der FC São Paulo ist übrigens nicht der Lieblingsclub von Brasiliens Ex-Präsidenten Lula da Silva.

Völlig unzumutbar schliesslich das Estádio de Pacaembu, das seit der letzten Renovation 2006 nur noch rund 42’000 Plätze hat. Im Pacaembu spielten bislang die Corinthians. Die Corinthians sind übrigens der Lieblingsclub von Brasiliens Ex-Präsidenten Lula da Silva. Nach der WM werden die Corinthians im neu errichteten WM-Stadion spielen, der für rund 390 Millionen Franken frisch erbauten Arena Corinthians. Die Hälfte der Kosten des drittteuersten WM-Stadions übernehmen die Steuerzahler, den Rest hat die staatliche Entwicklungsbank BNDES vorgeschossen.

Bauarbeiter putzen die Arena Corinthians.

Bauarbeiter putzen die Arena Corinthians. (Bild: AP Photo/Rodrigo Abd)

Welche Informationen aus der Fifa-Pressemappe werde ich heute garantiert vom TV-Kommentator meines Vertrauens vorgelesen erhalten?

Brasilien ist das einzige Team, das an allen Weltmeisterschaften am Start war. Acht der zwölf letzten WM-Eröffnungsspiele endeten torlos oder mit einem 1:0. Noch nie hat ein WM-Gastgeber ein Eröffnungsspiel verloren. Brasilien und Kroatien spielen erst zum dritten Mal gegeneinander: 2005 endete ein Testspiel in Split 1:1, Brasilien hat 2006 an der WM in Deutschland 1:0 gewonnen, Kroatiens heutiger Nationaltrainer Niko Kovac stand damals bis zur 41. Minute auf dem Platz.

Die ganzen Proteste in Brasilien gegen die Fifa lassen Zweifel aufkommen: Kann im Weltfussball doch noch alles gut werden?

Aber natürlich! Joseph S. (für Sepp!) Blatter wollte eigentlich gar nicht. Aber nun hat er sich wahrscheinlich schweren Herzens doch noch dazu durchgerungen, 2015 noch einmal für das Amt des Präsidenten des Weltfussballs zu kandidieren. Logisch, hat der Fifa-Kongress darum in São Paulo auf die Einführung einer Amtszeitbeschränkung verzichtet. Die wäre ja irgendwie auch eine Art «diskriminierend» gewesen (Blatter).

Damit steht der Weg zu einer noch saubereren Fifa, also der praktisch saubersten Fifa seit Erfindung der Fifa offen. Denn wer wäre besser geeignet, um diesen Augiasstall auszumisten, als der, der fast immer dabei war, während der ganze Mist angefallen ist? Eben. Ausserdem kommt demnächst der lange erwartete Fifa-Film in die Kinos mit Tim Roth (!) als Joseph S. Blatter. Wir sind in ekstatischer Vorfreude gefangen. Die Fifa hat für den Streifen 27 Millionen Franken ausgegeben. Keinen Franken zu viel, sind wir überzeugt.

Warum ist Fussball in Brasilien eigentlich Nationalsport?

Das ist eine lange Geschichte. Eine laaaange Geschichte. Es hat grob gesagt mit Migration, Urbanisation, Sklavenhandel und einer fehlenden Revolution zu tun. Wenn Sie das alles noch etwas genauer wissen möchten, klicken Sie bitte hier entlang: Wie Brasilien sich selbst gesucht und den Fussball gefunden hat.

Fussball in der Favelao Moinho in São Paulo. Merkwürdigerweise hätten die Bewohner gerne ein günstigeres Stadion und dafür eine Schule gehabt.

Fussball in der Favelao Moinho in São Paulo. Merkwürdigerweise hätten die Bewohner gerne ein günstigeres Stadion und dafür eine Schule gehabt. (Bild: AP Photo/Rodrigo Abd)

Und wie geht das Spiel heute Abend aus?

Das ist sehr einfach: Gemäss unserem Razinger-Index gewinnt Brasilien mit drei Toren Unterschied. Das ist schon lange nicht mehr passiert: Letztmals gelang ein derart hoher Sieg in einem WM-Eröffnungsspiel den Schweden gegen Chile 1958.

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